Emissionshandel bleibt am Boden - Europaparlament lehnt Vorschlag ab, die Menge der CO2-Zertifikate zu verknappen
Von Kurt Stenger
Der Emissionshandel in der EU gilt seit geraumer Zeit als völlig unwirksam beim Klimaschutz. Daran wird sich erst mal nichts ändern.
Das Europaparlament hat mit knapper Mehrheit die geplante Reform des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten vorerst zurückgewiesen. Vor allem konservative Abgeordnete stimmten gegen einen Vorschlag der EU-Kommission, im Zuge eines »Backloadings« 900 Millionen Zertifikate vorerst zurückzuhalten und erst nach 2015 zu versteigern. Ganz nach Marktlogik könnte Knappheit dann, wie gewünscht, für höhere Preise sorgen.
Eigentlich soll der Emissionshandel das wichtigste Klimaschutzinstrument der EU sein. Die Idee: Wenn der CO2-Ausstoß die Betreiber von insgesamt 11 000 Kraftwerken und Industrieanlagen viel kostet, haben sie einen Anreiz, in klimaschonendere Technologien zu investieren. Das System arbeitet mit Zertifikaten, die einmal jährlich in einer lange vorher festgelegten Menge an die Unternehmen EU-weit ausgegeben werden. In der Periode 2013 bis 2020 sollen 8,5 Milliarden Papiere hinzukommen. Aufgrund der Wirtschaftskrisen seit 2008 ist eine viel zu große Menge im Umlauf, so dass der Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid auf unter vier Euro eingebrochen ist; die EU-Kommission rechnete ursprünglich mit rund 30 Euro.
Die Preisentwicklung hat vielfältige Folgen: Da der CO2-Preis extrem niedrig ist, gibt es einen Boom bei der Kohleverstromung, die äußerst lukrativ geworden ist. Dadurch steigen wieder die Treibhausgasemissionen in der EU, die eigentlich stark sinken sollen. Aber auch staatliche Klimaschutzprogramme sind betroffen: In Ländern wie Deutschland sollen mit den Einnahmen aus der Versteigerung der CO2-Zertifikate Maßnahmen wie die Förderung der energetischen Gebäudesanierung finanziert werden. Und schließlich verteuern die niedrigen Emissionshandelspreise nationale Umlagen für die erneuerbaren Energien, was die Akzeptanz des Ausbaus von Wind- und Sonnenstrom beeinträchtigt. Die Umlagen steigen nämlich in dem Maße, wie die Börsenstrompreise u.a. durch die niedrigen Zertifikatspreise sinken.
Das Abstimmungsergebnis in Straßburg ist also heikel und es widerspricht auch den Gepflogenheiten: Ursprünglich hatte das Europaparlament selbst die EU-Kommission aufgefordert, wegen der Emissionshandelsprobleme tätig zu werden. Den Vorschlag Brüssels hatte der Berichterstatter des Parlaments, Matthias Groote (SPD), unterstützt. Er war nach der Abstimmung sichtlich verärgert: Das Parlament habe eine »de- struktive Position« eingenommen, die Entscheidung sei ein »sehr schlechtes Signal an alle Teilnehmer des Emissionshandels«, sagte Groote, der dem Umweltausschuss vorsitzt.
Im Vorfeld der Abstimmung hatte es massiven Lobbydruck der energieintensiven Industrien auf die Abgeordneten gegeben, die Pläne zurückzuweisen. Umgekehrt hatten die Kirchen und ihre Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor für eine Zustimmung geworben. Begründung: Die Armen in Entwicklungsländern seien die Hauptleidtragenden der Erderwärmung. Mitentscheidend war aber wohl die unklare Haltung der Bundesregierung: Während CDU-Umweltminister Peter Altmaier den Vorschlag unterstützt, ist FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler dagegen und blockiert im Ministerrat eine Entscheidung.
Der Parlamentsberichterstatter Groote hat derweil die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Die Abgeordneten hatten nämlich das Vorhaben nicht ganz beerdigt, sondern auch einer Zurückverweisung in die Ausschüsse zugestimmt. Und bei der Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel stimmte das Parlament dem Vorschlag der EU-Kommission zu, eine weltweite Regelung voranzutreiben.
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