Jugendarbeitslosigkeit und Bildung - Bildung auf einen Blick 2013 (OECD)
Von Klaus Bullan
Die Daten der neuesten OECD-Untersuchung zur Bildung werden in einer Phase veröffentlicht, in der die Jugendarbeitslosigkeit in Europa im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht. Auch wenn die Daten der OECD sich auf die Zeit von 2008 bis 2011 beschränken, geben sie einen Einblick in die Problemlage.
Die Studie[1] weist aus, dass im Jahr 2011 der Anteil der 15-29 Jährigen, die weder in (Aus)Bildung noch in Arbeit oder Trainingsprogrammen sind (NEET), OECD-weit bei 16%, bei den 25-29 Jährigen bei 20% liegt. Im Durchschnitt der OECD-Staaten ist damit jeder fünfte junge Mensch zwischen 25 und 29 von Arbeitslosigkeit betroffen, mit allen Konsequenzen für ihre Qualifikationen, ihre Arbeitsmoral und ihre soziale Integration, so die Autoren der Studie.
Fast jeder Zweite zwischen 15 und 29 Jahren ist in diesem Zeitraum in Ausbildungs- oder Bildungseinrichtungen (47%), 37% in Beschäftigung, 7% offiziell arbeitslos und 9% gehören zu den Nichterwerbspersonen. Von den Beschäftigten in Teilzeit sind fast ein Drittel unfreiwillig unterbeschäftigt.
Dies sind Durchschnittswerte. Spanien (24,4%), Italien (23,2%), Griechenland (21,8%) und Irland (22%) haben schon 2011 die höchsten Werte von jungen Menschen in Europa, die weder in Training, Aus(Bildung) oder Beschäftigung sind und wir wissen, diese Werte haben sich bis heute mehr als verdoppelt.
Auch wenn die Untersuchung nachweist, dass die Höhe der Bildungsabschlüsse einen hohen Einfluss auf die Beschäftigungschancen und – negativ – auf die Arbeitslosigkeit hat, ist in den letzten Krisenjahren ein anderer Trend erkennbar: Allein von 2010 bis 2011 ist der Anteil der jungen Menschen unter 29, die in einer Bildungs- oder Ausbildungsinstitution sind, um sechs Prozentpunkte gestiegen, während sich der Anteil in Beschäftigung verringert hat. Immer mehr Jugendliche zögern aufgrund geringer Chancen am Arbeitsmarkt den Eintritt in die Berufstätigkeit hinaus und gehen weiter auf Schulen und Universitäten.
Die Folge ist in Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland oder Portugal bereits zu sehen. Immer mehr Jugendlichen mit hohen formalen Qualifikationen gelingt der Übergang in das Beschäftigungssystem nicht – sie werden arbeitslos. Auch wenn es stimmt, dass Länder wie die Bundesrepublik eine geringe Jugendarbeitslosigkeit haben, u.a. weil hier ein praxisnahes berufliches Bildungssystems existiert, das den Übergang in Beschäftigung erleichtert, so ist die hohe Studierendenquote in anderen Ländern nicht Ursache, sondern zum Teil Folge der Jugendarbeitslosigkeit in diesen Ländern.
Obwohl hohe formale Bildungsabschlüsse in der gegenwärtigen Krise Arbeitslosigkeit nicht verhindern, werden Jugendliche mit geringen schulischen Qualifikationen und Abschlüssen angesichts des ungebrochenen Trends zu höheren Abschlüssen OECD-weit immer weiter abgehängt.
Ein heute Fünfjähriger hat im Durchschnitt in den OECD Ländern heute 17 Jahre Bildung vor sich, wobei diese Zeit je nach Land zwischen 14 und 19 Jahren variiert. Der Start in Bildungseinrichtungen beginnt früher: Im Durchschnitt sind in der EU bereits Dreijährige zu 76% in Bildungseinrichtungen, Vierjährige zu 86% – in zahlreichen Ländern wie Spanien, Frankreich, Belgien, Norwegen und Island liegt dieser Anteil über 95%. Deutschland hat hier noch massiven Nachholbedarf.
Höhere Schul- und Hochschulbildung ist in den Augen der OECD im 21. Jahrhundert die Mindestqualifikation geworden, um einen erfolgreichen Übergang in den Arbeitsmarkt zu erreichen und das Risiko der Arbeitslosigkeit zu verringern. Das gilt für alle OECD Staaten. Der Anteil der 15-19 Jährigen, die Bildungseinrichtungen besuchen, hat sich von 2000 bis 2011 von 76% auf 84% erhöht, wobei die Türkei um 30 Prozentpunkte zugelegt hat, Ungarn, Mexiko und Portugal um 15%. Ebenso ist die Bildungsbeteiligung der 20-29 Jährigen in diesem Zeitraum um 10% gestiegen und liegt jetzt in allen OECD-Staaten mit Ausnahme von Mexiko und Indonesien über 20%.
Der Vergleich der Altersgruppe der 25-34 Jährigen mit der der 55-64 Jährigen mit höherer Sekundarschulbildung zeigt die Entwicklung, die die Bildung in den letzten Jahren gemacht hat: Während Länder wie Portugal, Italien oder Griechenland wenig Ältere mit höherer Bildung haben, aber viele der jüngeren Generation hohe Schulbildung haben (Portugal 18% zu 56%, Italien 40% zu 71%, Griechenland 47% zu 80%) ist diese Rate in Deutschland auf hohem Niveau fast gleich (84% zu 87%).
Deutschland gelingt es also nicht, die Bildungsbeteiligung zu erhöhen. Länder wie die Slowakei, Slowenien und Schweden zeigen aber, dass selbst von hohem Niveau ausgehend weitere Bildungsanstrengungen Erfolg haben können. In diesen Ländern konnte die Bildungsbeteiligung trotz hoher Ausgangswerte noch gesteigert werden (Slowakei von 84% auf 94%, Slowenien von 73% auf 94%, Schweden von 78% auf 91%.)
Bemerkenswert an der OECD-Studie ist darüber hinaus, dass die massive Steigerung der Studierendenquote in den OECD-Ländern in den letzten Jahrzehnten überwiegend auf den gestiegenen Anteil weiblicher Studierender zurückzuführen ist. Im Durchschnitt haben die 25-34-jährigen Frauen heute 20% mehr Hochschulabschlüsse als die 55-64-Jährigen, bei den Männern liegt diese Differenz bei 10%. Auffällig ist, dass Deutschland neben den USA und Israel das einzige Land ist, in dem die Zahl der Hochschulabschlüsse bei den Männern abgenommen hat.
Im Gefolge der Krise sind im Zeitraum von 2000-2010 in einem Drittel der Länder die öffentlichen Ausgaben für Bildung gesunken. Der Rückstand bei den öffentlichen Bildungsausgaben der Bundesrepublik gegenüber den übrigen OECD Staaten, der in allen zurückliegenden Jahren deutlich festzustellen war, kann in diesem Durchgang nicht bestätigt werden: Für Deutschland lagen keine vergleichbaren Daten vor – ein Weg, Kritik zu vermeiden?
[1] OECD (2013) Education at a glance 2013, OECD indicators OECD publishing. Die deutschsprachige Fassung erscheint Ende Juli 2013.
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