HSH-Bankvorstände vor Gericht - Historischer Prozess?
Von Joachim Bischoff und Norbert Weber
Am 24. Juli beginnt in Hamburg nach langer Ermittlungsgeschichte der Prozess gegen den früheren Vorstand der HSH Nordbank. Angeklagt sind neben den damaligen Vorstandsmitgliedern auch die beiden früheren Bankchefs Hans Berger und Dirk Jens Nonnenmacher. Die Anklage lautet Untreue und im Fall Nonnenmacher zusätzlich noch Bilanzfälschung.
»Dieses Verfahren hat schon eine gewisse historische Bedeutung. Zum ersten Mal wird das Fehlverhalten eines gesamten Vorstandes einer großen Bank zum Thema gemacht«, konstatiert der Hamburger Anwalt Gerhard Strate, der mit einer Strafanzeige gegen die Bankmanager die gerichtliche und politische Abrechnung mit den Verantwortlichen der Bank angestoßen hat. Das Verfahren könnte als großer Wirtschaftsprozess Geschichte schreiben, geht es doch auch um den Vorwurf der Untreue. Einem gesamten Vorstand Untreue nachzuweisen, ist juristisch eine große Herausforderung.
Die Manager mussten sich bereits parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (PUA) in Hamburg und Kiel stellen, leider mit beschämend dünnen Ergebnissen. Die parlamentarischen Untersuchungen sind von der HSH Nordbank massiv behindert worden. Sie haben die Ausschüsse trotz einer Vielzahl anders lautender Bekundungen keineswegs konstruktiv durch Zulieferung der angeforderten Unterlagen unterstützt.
Die wiederholt verzögerten und unvollständigen Unterlagen der Bank führten dazu, dass der PUA in Hamburg letztlich ein kosten- wie zeitintensives Beschlagnahmeverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg und Landgericht Hamburg beantragen musste. Mit Blick auf den Abbruch der Untersuchung wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode hatte das zur Konsequenz, dass Unterlagen der Bank in erheblichem Umfang nicht untersucht, im Abschlussbericht nicht bewertet und einbezogen werden konnten.
Die Bank hat für die wichtigen Jahre 2007 und 2008 nur einen äußerst kleinen Teil der Vorstandsprotokolle und Unterlagen zugänglich gemacht. Und es sind – mit dem Argument der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses – Vorstandsunterlagen geschwärzt und zurückgehalten worden. So wurde die gesamte Anlage der Untersuchung massiv behindert.
Gleichwohl haben die verschiedenen journalistischen Recherchen, die Strafanzeigen von Rechtsanwalt Strate, die Untersuchungsausschüsse und die Verfahren der Bankaufsicht zutage gefördert, dass die Bank ausgesprochen schlecht geführt war und die Vorstände mit erheblicher Energie an der Verschleierung ihrer Verantwortlichkeit gearbeitet haben.
Zusammenfassend urteilte im PUA ein Bankexperte: »Insgesamt hat mich die intensive Befassung mit einer Reihe von Geschäftsentscheidungen der Bank zu der Erkenntnis geführt, dass die Vorstände der Bank über die Jahre hinweg in der Tat verschiedenen Fehleinschätzungen erlegen sind und die dementsprechend auch nicht wenige falsche unternehmerische Entscheidungen getroffen haben. Ich meine indes, dass die Ursachen dieser Fehler nur in ganz wenigen Fällen in rechtlich relevanten Pflichtverletzungen der handelnden Personen gelegen haben. Weitaus häufiger sind nach meiner Auffassung Konstellationen gewesen, in denen eine Mischung aus überzogenen Renditeerwartungen der Anteilseigner, schlecht fundierten Ratschlägen externer Experten und dem Erfolgsdruck von Markt- und Branchenerwartungen einen wirtschaftlich und psychologischen Rahmen geschaffen haben, in dem Optimismus und Risikobereitschaft zu sehr über Kontrolle und Risikoanalyse dominiert haben... Schließlich und vor allem schienen auch die Marktentwicklungen, so die Marktposition der Bank, nachhaltig auf wachsende Profitabilität bei stabilem, wenn nicht fallendem Risiko gerichtet zu sein.«
Das damalige Vorstandsmitglied Nonnenmacher trägt wie die anderen zu jener Zeit agierenden Vorstände die Verantwortung für die Geschäfte und deren Verschleierung. Auch die Aufsichtsräte waren in diese Geschäftspolitik voll eingebunden. Es gab ein unzureichendes Risikomanagement, was in der Konsequenz zu hohen Abschreibungen und massiven Wertverlusten bei der Bank führte. Insofern waren auch der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Peiner und die anderen Aufsichtsräte an dem Versuch beteiligt, die Situation der Bank im Herbst 2007 gegenüber den Aufsichtsorganen und den Eigentümern zu verschleiern.
Die Bankenaufsicht BaFin sanktionierte die HSH Nordbank, weil sie die entscheidenden Teile des »Omega«-Geschäfts verheimlicht hatte. Unter dem Namen »Omega 55« wurde Ende 2007 zusammen mit einer französischen Bank ein Kreislaufgeschäft durchgeführt. Es ging um Bilanzkosmetik. Durch Auslagerung von Risiken aus Immobilienkrediten sollten die Kapitalkennziffern der HSH geschönt werden. Am Ende musste die Bank dann auch noch einen tatsächlichen Verlust von 158 Mio. Euro durch »Omega" verkraften.
»Omega 55« war eine Operation im Zusammenhang mit einer größeren Anzahl von Transaktionen, um zum Jahresende 2007 unter größtem Zeitdruck eigenkapitalentlastende Verschiebungsbuchungen in milliardenschweren Dimensionen durchzuführen. »Omega 55« war Bestandteil von Entlastungstransaktionen in der Größenordnung von insgesamt 17,3 Mrd. Euro. Bei all diesen Transaktionen stand keine Gewinnerzielungsabsicht mehr im Vordergrund. Sie ließen keinen wirtschaftlichen Sinn erkennen, ihre Kosten wurden nicht ausgewiesen und der Aufsichtsrat sowie die Aufsichtsorganen unzureichend informiert.
Der durch Fahrlässigkeit im internationalen Kreditinvestment angerichtete Schaden war gewaltig. Im Zusammenhang mit der Rettung der Bank sind mehrere Milliarden Euro versenkt worden. Selbstverständlich erhielten die Eigentümer – d.h. die Bundesländer Hamburg und Schleswig Holstein – stets Aktien als Gegenwert für ihre Einschüsse. Aber der Aktienpreis hat einen drastischen Absturz hinter sich und ob in der letzten Instanz überhaupt Investoren an den Ramschwerten Interesse anmelden werden, ist völlig offen.
Vom Ausgang des Verfahrens hängt auch ab, ob und in welchem Umfang die angeklagten Vorstände zu Schadensersatzleistungen herangezogen werden können. Sollte das Landgericht die Angeklagten für schuldig befinden, droht Dirk Jens Nonnenmacher und seinen Ex-Kollegen bei der Größe des Schadens eine Gefängnisstrafe. Die Frage der Verurteilung und der mögliche Schadenersatz sind gleichwohl letztlich Nebenaspekte. Der Prozess bietet die Möglichkeit, die Fahrlässigkeit von Bankmanagement und Politikern im Vorfeld der Großen Wirtschaftskrise von 2007/2008 aufzuarbeiten. Und hier gibt es reichlich Aufklärungsbedarf.
Die US-Subprime-Krise hatte Ende 2007 bereits nach Deutschland übergegriffen. Involvierte Banken hatten ihre liebe Not, sich ausreichend weiter ausfinanzieren zu können. Insbesondere die HSH Nordbank hatte das Zinsmargengeschäft bis zum Äußersten ausgereizt. So finanzierte man sich über den Geldmarkt (kurzfristige Mittelbeschaffung bzw. -herkunft, teilweise täglich fällig) um am langfristigen Kapitalmarkt Wertpapiere, hier insbesondere verbriefte Kreditportfolien (Mittelverwendung), kaufen zu können.
An diesen so genannten Kreislaufgeschäften verdiente die HSH Nordbank in »guten Zeiten« ausgenommen prächtig, alle Beteiligten wie Banker, Aufsichtsrat, Aktionäre waren schlichtweg begeistert. Die wachsenden Risiken zwangen dann aber zu immer fragwürdigeren und voluminöseren Transaktionen. Im Verhältnis zur Bilanzsumme hatte die HSH viel zu viel in diese Kreislaufgeschäfte investiert. Dies war allen, insbesondere dem ehemaligen Bankier und einflussreichen Finanzsenator Michael Freytag (CDU), ab September 2007 bekannt.
Die HSH Nordbank hatte bereits Mitte bis Ende 2007 massive Liquiditätsprobleme. Es drohten umfangreiche Wertberichtigungen und Abschreibungen auf den großen Wertpapierbestand. Zudem waren die Papiere in Zweckgesellschaften ausgelagert worden, um die Eigenkapitalrichtlinien umgehen und auf Bundesebene einhalten zu können. Trotz seines umfassenden Hintergrundwissens über den Ernst der Lage, ließ es sich Senator Freytag nicht nehmen, Bürgerschaft und Öffentlichkeit mit Phrasen zu beruhigen.
Werner Marnette (CDU), von Juli 2008 bis März 2009 Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, hat in einer öffentlichen Sitzung des PUA Schleswig-Holstein am 4. Oktober 2009 dazu erklärt: »Peiner, Wiegard und Freytag und auch die Ministerpräsidenten der Länder wollen bis heute offenbar nicht realisieren, dass sich bereits seit Herbst 2007 die Ereignisse förmlich überschlugen. Es wird weiterhin standfest die Alibimeinung vertreten, dass nur der Zusammenbruch von Lehman Brothers Mitte September 2008 am Desaster der HSH Nordbank schuld sei… Viel früher, aber spätestens Mitte/Ende 2007 hätten Aufsichtsrat und Vorstand massiv gegensteuern können und müssen.«
2007 ging das Betriebsergebnis der HSH Nordbank von 976 Mio. Euro auf 148 Mio. Euro zurück; die Eigenkapitalrendite sank auf 2,9%. Am 26.6.2008 stand die Kapitalerhöhung im Haushaltsausschuss zu Debatte. Basis war die Drucksache 19/423. Laut Protokoll warb der Hamburger Senat, vertreten durch Senator Freytag, für eine Kapitalerhöhung. Die Bank ein sei attraktives Investment. Sie habe sich erfolgreich in dem skizzierten Marktumfeld behauptet, die Belastungen aus dem Credit-Investment-Portfolio seien vergleichsweise moderat, das Portfolio sei sehr transparent und könne auch von außen gut beurteilt werden. Es gebe Maßnahmenpakete zur Verbesserung und Steuerung der Liquidität sowie der Profitabilität und die Kapitalmaßnahmen schlössen eine strategische Kapitallücke für das wachsende Geschäftsmodell der HSH Nordbank.
Trotz des Zusammenbruches von IKB und Sachsen LB etc., der weitgehenden Einstellung de Neugeschäftes, großer Wertberichtigungen und massiver Liquiditätsproblehme warb Senator Freytag für eine Kapitalerhöhung: Die HSH Nordbank stehe im Vergleich zu anderen öffentlichen Bankinstituten wirtschaftlich deutlich besser da, betreibe ein gewinnbringendes operatives Geschäft und leiste in vollem Umfang Dividendenzahlungen an die Gesellschafter, also auch die Freie und Hansestadt Hamburg. In den Jahren 2003 bis 2007 habe die HSH Nordbank an die Freie und Hansestadt Hamburg Dividenden in Höhe von insgesamt 600 Mio. Euro ausgezahlt. Diese Gelder investiere Hamburg in den Staatshaushalt und sie trügen positiv zur Haushaltsbilanz bei. Wegen dieses positiven Geschäftsbilds der Bank wolle die Freie und Hansestadt Hamburg zur Kompensation des verschobenen Börsenganges in die Kapitalsteigerung der HSH Nordbank investieren, um weiterhin von den Erträgen der Bank zu profitieren und die Zeit bis zum Börsengang der Bank gewinnbringend zu überbrücken.
Im Gegensatz zu Ex-Senator Freytag zeigte Werner Marnette Skepsis. Er trat folgerichtig am 20. März von seinem Kabinettsposten in der Landesregierung von Peter Harry Carstensen mit der Begründung zurück, seine Kritik am Umgang mit der HSH Nordbank-Krise sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Von der Einbindung der herrschenden Politiker in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg in eine massive Geldvernichtung wird in dem Prozess wohl nur am Rande die Rede sein. Die Mitverantwortlichen für die Untreue in der Politik sind längst aus ihren Ämtern verschwunden.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft beschränkt sich auf ein im Eiltempo durchgepeitschtes Kreislaufgeschäft, mit dem der Bank Luft verschafft werden sollte und das mit erheblichen Verlusten bezahlt werden musste. Gleichwohl bleibt auch hier der Verdacht der »Untreue in einem besonders schweren Fall«. Vorstand und Aufsichtsrat seien im Herbst 2007 – wegen der vorangeschrittenen Finanzkrise war eine genauere Prüfung aller Kreditoperationen geboten – pflichtwidrig unzureichend geprüfte Risiken eingegangen. Für die Ende des Jahres 2007 abgeschlossenen Ausplatzierungen von Wertpapieren, Krediten etc. seien keine wirtschaftlich oder juristisch zu rechtfertigenden Vorteile zu erkennen. Diese Transaktionen hätten zudem durch ihre zeitliche Struktur die Kontrolle der Aufsichtsgremien unterlaufen. Schließlich seien diese wirtschaftlich sinnlosen Transaktionen mit schweren Vermögensschäden verbunden gewesen. Sollte das Gericht der Anklage folgen, wird dies künftig für die Verantwortlichkeiten von Vorständen in Kapitalgesellschaften Folgen haben.
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