Höchste Steuereinnahmen aller Zeiten?

Von Ingo Schäfer, Referent für Sozialversicherungs- und Steuerpolitik

16.10.2013 / www.arbeitnehmerkammer.de, 18.09.2013

Meldungen, der Staat habe in 2012 mit rund 600 Milliarden Euro die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten erzielt, sind richtig und doch nicht die ganze Wahrheit. Gemessen am Wohlstand (Volkseinkommen) liegen die Steuereinnahmen aktuell vergleichsweise niedrig. Es ist kein historischer Höchststand.

In den 1980er Jahren lag die Steuerquote fast durchgängig auf oder gar über dem heutigen Wert von 22,5 Prozent. Und selbst den 1990er Jahren lag die Quote häufig darüber. Reformen des Steuerrechts 1996 und 1997 führten vorübergehend zu einem Rückgang. Umfangreiche Steuersenkungen wurden Anfang der 2000er Jahre durchgeführt. Im Jahr 1969 war die Steuerquote die höchste in der Geschichte der Bundesrepublik. Würde diese heute noch erreicht, hätte der Staat Mehreinnahmen von rund 55 Mrd. Euro.


Von historisch hohen Steuereinnahmen kann also nicht wirklich gesprochen werden.


Die Steuerquote sagt ferner nichts darüber aus, von wem sich der Staat wie viele Steuern holt. So wurde im Jahr 2006 die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) erheblich angehoben. Die Einkommens- und Unternehmenssteuern dagegen wurden zu Beginn der 2000er Jahre deutlich abgesenkt. In 2012 war für den Staat die Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer) mit 194,6 Milliarden Euro die ertragreichste Steuer. Die Lohn- und veranlagte Einkommensteuer blieb mit 186,3 Milliarden Euro dahinter zurück.

Die Verschiebung der Steuerlast von der Einkommensteuer hin zu indirekten Steuern (insbesondere der Mehrwertsteuer) ist nicht verteilungsneutral. Die Einkommenssteuer folgt, dem Gedanken Steuern nach Leistungsfähigkeit zu erheben: Wer viel verdient, zahlt mehr Steuern, wer wenig verdient, weniger und wer nichts verdient, zahlt keine Steuern. Die Mehrwertsteuer hingegen ist für alle gleich hoch und wird von jedem bezahlt.

Der Durchschnittssteuersatz einer alleinstehenden Person mit weniger als 30.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen liegt unter 19 Prozent. Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern wird dieser Wert erst bei einem zu verteuerndem Einkommen von 74.000 Euro erreicht. Erhöht der Staat die Mehrwertsteuer und senkt im entsprechenden Umfang die Einkommensteuer gleichmäßig ab, würden diese Haushalte tendenziell stärker belastet. Je deutlicher das Einkommen oberhalb dieser Beträge läge, desto stärker würde die Person durch eine solche Reform entlastet. Angemerkt sei noch: Eine erwerbslose Person zahlt (wenn sie sonst kein Einkommen hat) keine Einkommensteuer, aber natürlich Mehrwertsteuer.

In den letzten 30 Jahren gab es einen kontinuierlichen Trend, die Einkommensteuer zu senken und im Gegenzug die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Hat der Staat 1980 noch 40 Prozent seine Einnahmen aus der Einkommensteuer bestritten, so sind es heute noch 31 Prozent – ein Viertel weniger. Im Gegenzug ist der Mehrwertsteueranteil annähernd verdoppelt worden, von 14,5 auf knapp 24 Prozent.