Kluft in den EZB-Salden Deutschland profitiert laut einer neuen Studie vom Euroland-Zahlungssystem "Target"
Von Hermannus Pfeiffer
Euro-Kritiker fühlten sich lange durch die Bilanz der Bundesbank bestärkt. Hier zeigten sich riesige Außenstände in Krisenländern, die angeblich uneinbringlich sind. Die Realität freilich sieht anders aus.
Die wirtschaftliche Kluft, die Europa spaltet, trennt auch die Notenbanken: Durch die Krise in den meisten Euroländern ist auch die Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Schieflage geraten. So summierte sich 2012 im internen Zahlungssystem »Target« der Kredit einiger weniger Notenbanken zeitweilig auf mehr als 1000 Milliarden Euro - entsprechend hoch waren die Negativsalden der Krisenländer. Nun zeigen neue Analysen, dass Investoren und der deutsche Staat zu den »Target«-Gewinnern zählen.
Zwischen den 17 Notenbanken der Euroländer werden täglich Gelder hin und her überwiesen oder miteinander verrechnet. Dazu dient ein Computersystem, auf dem der Zahlungsverkehr wie auf einem Girokonto abgewickelt wird: das »Trans-European automated real-time gross settlement express transfer system«, kurz »Target«. Hinter den Geldtransaktionen stehen üblicherweise handfeste Import- und Exportgeschäfte. Und da die deutsche Wirtschaft weit mehr Produkte aus- als einführt, entsteht ein Ungleichgewicht im Zahlungsverkehr. Verstärkt wurde dieses Gefälle noch durch die Kapitalflucht aus dem Süden im Zuge der Eurokrise.
Der Ärger über »Target« kocht vor allem in Deutschland öfters hoch. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann schrieb im vergangenen Jahr sogar einen Brandbrief an EZB-Chef Mario Draghi. In Fachkreisen hatte zuvor der wirtschaftsliberale Chef des Münchner Ifo-Institutes, Hans-Werner Sinn, gezündelt: »Der Überziehungskredit beim privaten Girokonto ist auch nicht beliebig zu haben«, zürnte er in seinem Buch »Die Target-Falle«. Am vergangenen Freitag erneuerte Sinn seine Kritik in der »FAZ«.
Bis zum Beginn der Finanzkrise im Sommer 2007 waren die »Target«-Salden der EZB einigermaßen ausgeglichen gewesen. Danach entstand eine tiefe Kluft. Zeitweilig hatte die Bundesbank offene »Rechnungen« über 750 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen, weitere hunderte Milliarden die Niederlande, Luxemburg und Finnland. Diesen Forderungen standen entsprechende Verbindlichkeiten vor allem der Notenbanken in Griechenland, Portugal und Irland sowie Italien und Spanien gegenüber. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise sind also hohe Verbindlichkeiten der Krisenländer gegenüber den übrigen Mitgliedern der Währungsunion aufgelaufen.
Mittlerweile ist die »Target«-Position bei der Bundesbank auf 560 Milliarden Euro abgeschmolzen. Darauf weist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer neuen Studie hin. Im Fall eines Auseinanderbrechens der Währungsunion oder des Ausscheidens einzelner Mitglieder müssten die Gläubigerländer zwar erhebliche Forderungsausfälle hinnehmen. »Insofern stellen die Target-Salden ein Risiko für die stabilen Länder der Währungsunion dar«, wie DIW-Chef Marcel Fratzscher sagt. Allerdings sei das Eurosystem darauf ausgerichtet, gerade diesen Fall zu verhindern. Fratzscher zufolge ist Deutschland »nicht - wie vielfach behauptet - Geschädigter des ›Target‹-Systems, sondern einer seiner Nutznießer«. Während der akuten Krise im Euroraum konnten dadurch finanzielle Risiken »problemlos« reduziert werden. Das kam sowohl dem deutschen Staat als auch Privatanlegern zu Gute: Seit Ausbruch der Krise konnten deutsche Investoren fast 400 Milliarden Euro aus den Krisenländern problemlos abziehen und so ihre Verluste reduzieren. Weiterhin halten sie dort 740 Milliarden Euro an Vermögenswerten vor.
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