Götterdämmerung bei der FIFA?
Von Dr. Jürgen Glaubitz
Nun ist es also doch passiert, das Unvorstellbare, das Nicht-für-unmöglich-Gehaltene: „Das Spiel ist aus“ (Berner Zeitung), „Blatter und Platini fliegen vom Platz“ (taz). Am 8. Oktober 2015 verschickte die FIFA-Ethikkommission eine Mitteilung, in der bekanntgegeben wurde, dass FIFA-Chef Blatter, UEFA-Chef Platini und Ex-FIFA-Generalsekretär Valcke für 90 Tage von allen Tätigkeiten im Fußball ausgeschlossen werden.
Von der Geldmaschine zum Skandalbetrieb
Erinnern wir uns: Die FIFA organisiert nicht nur Weltmeisterschaften, sie ist auch Weltmeister im Geldverdienen. Der Weltfußballverband ist sehr groß und sehr mächtig. An seiner Spitze thront(e) viele Jahre der kleine Mann aus der Schweiz. Über ihn, Joseph „Sepp“ Blatter, ist sehr viel geschrieben worden. Viel Erhellendes und viel Kritisches. Überwiegend Kritisches. Doch all die massive Kritik an seiner Amtsführung perlte an ihm ab wie Wasser von einem Federkleid. Sein Selbstbewusstsein schien praktisch grenzenlos: „Ich bin der Einzige auf der Welt, der in jedem Land auftreten kann und von einem Staatschef empfangen wird“ (O-Ton Blatter). Entsprechend hämisch fielen die Kommentare aus: „Blatter unser“ (Spiegel); „Mein Gott, Sepp!“ (FAZ).
In den letzten Jahren war die FIFA-Geschichte vor allem eine Geschichte der Skandale: Es geht um schmutzige Wahlkämpfe, skandalöse WM-Vergaben, undurchsichtiges Geschäftsgebaren und korrupte Funktionäre. Es geht um Bestechung, Manipulation, Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft. Für viele ist die FIFA „eine Ausgeburt des Bösen“, und dessen Präsident Blatter galt vielen als „der Böseste der Bösen“. „Der ist mit allen Abwassern gewaschen“ – dieses berüchtigte Fußballerzitat schien geradezu für ihn gemacht. Doch – der Wahrheit die Ehre – es stammt von der BVB-Legende Norbert Dickel, der sich damit freundschaftlich über seinen Sturmpartner Frank Mill ausließ.
Wie dem auch sei: Blatter gelang es immer und immer wieder, seine zahlreichen Kritiker abzuschütteln und in seinem Amt zu überleben. Für ihn gab es auch keine Krise – wenn überhaupt, dann gab es da ein paar „Schwierigkeiten“. Er sah sich als einen, der nicht das Problem, sondern die Lösung des Problems sein wollte. „Ich brachte menschliche Wärme in den Betrieb“, so Blatter auf die Frage, was mit seiner Person zur FIFA kam. „Er gibt sich als Reinigungskraft des Weltfußballs“, resümierte die Süddeutsche Zeitung.
Blatter galt als „Phänomen“, als einer, der nicht zu fassen ist. Und als unermüdlicher Kämpfer. Erst unlängst, als sich die Schlinge immer enger zuzog, ließ er noch einmal aufhorchen. Er werde bis zum 26. Februar 2016 kämpfen. „Für mich. Für die FIFA.“ Und schließlich: „Ich bin überzeugt, dass das Böse ans Licht kommen und das Gute gewinnen wird“ (Süddeutsche Zeitung vom 7.10.2015).
Nun, es kann durchaus sein, dass es bald tatsächlich ans Licht kommt, das Böse. Man wird sehen ...
Und wie geht es nun weiter?
Die Probleme in der FIFA sind gigantisch. Vom „größten Beben der Fußballgeschichte“ ist die Rede, von einem „absoluten Super-Gau“ (Niersbach), und bisweilen auch von „Götterdämmerung“. Die einschlägige Fachpresse malt ein düsteres Bild: „FIFA und UEFA droht das Ende.“ In dem Kommentar plädiert das Blatt für eine „Säuberungswelle“ (Kicker vom 8.10.2015).
Stellt sich die Frage: Wie geht es nun weiter mit der FIFA? Und wie geht es weiter mit dem Fußball?
Die Antwort ist simpel: Der Ball wird weiter rollen, und FIFA und UEFA werden nicht untergehen. Das hat uns vor vielen Jahren schon der hessisch-serbische Philosoph Dragoslav Stepanovic gelehrt: „Lebbe geht weider.“
Statt „Blatter forever“ heißt es jetzt dann eben „Blatter isch over“. Und die ersten Namen von möglichen Nachfolgern sind schon unterwegs. Da wird z.B. Wolfgang Niersbach, der derzeitige DFB-Präsident, vorgeschlagen. Und ein gewisser Franz B. („der Kaiser“) schlägt einen gewissen Tokyo Sexwale vor. Dieser Mann kommt aus Südafrika, verbüßte einst gemeinsam mit Nelson Mandela eine lange Haftstrafe auf Robben Island – und ist heute Geschäftsmann und Politiker mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen Dollar. Mosima Gabriel „Tokyo“ Sexwale bezeichnet sich selbst gern als „patriotischen Kapitalisten“. Sein Spitzname „Tokyo“ verweist auf eine weitere kämpferische Qualität: Der Mann kann Karate (11freunde, 7.10.2015).
Es geht also weiter mit dem Fußball und der FIFA – wie auch immer. Ob es allerdings zu einer Götterdämmerung kommen wird, darf bezweifelt werden. Denn dass nun in der FIFA tatsächlich ein „neues Zeitalter“ anbricht, daran mögen selbst die allergrößten Optimisten nicht mehr glauben!
Fest steht (s.o.), dass der Ball weiter rollen muss. Die Zeitschrift 11freunde wendete sich demgemäß konsequent und getreu dem Motto unseres Philosophen am selben Tag sogleich wieder intensiv dem irdischen Tagesgeschehen zu. Die Headline lautete:„Eire! Wir brauchen Eire!“ Die Redaktion hatte da wohl schon eine böse Vorahnung hinsichtlich des Verlaufs des abendlichen Länderspiels Deutschland gegen Irland ...