Wissenschaft, Mieterorganisationen und Gewerkschaften warnen vor französischen Vorstadtzuständen in Deutschland
REITs-Anhörung im Bundestag: Geschlossene Front gegen Immobilien-, Banken- und Versicherungsverbände
Die öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages zum Gesetzentwurf zur Zulassung von börsenotierten Immobilien-Aktiengesellschaften (REITs) hat ein interessantes Ergebnis zu Tage gebracht. Die versammelte Macht der Vertreter der Immobilienwirtschaft, Banken und Versicherungen, die sich angesichts eines sieben Billionen Euro schweren Wirtschaftsegments um lukrative neue Geschäftsfelder bemühen, sah sich einer geschlossenen Front aus Wissenschaftlern und Mieterbund sowie Initiativen und Gewerkschaften gegenüber.
Während Erstere die Auflagen zur Eingrenzung von Steuer- und Dividendenmanipulationen und zum Schutz der sog. Bestandsmietswohnungen am liebsten komplett abgeräumt sehen wollten, machten Letztere schwerwiegende Bedenken geltend.
· Prof. Lorenz Jarass lehnte die REITs-Zulassung komplett ab. Seine zusammenfassende Kritik: „REITs benachteiligen den Standort Deutschland, REITs benachteiligen private Vermieter, REITs subventionieren die Kapitalflucht, REITs schwächen die Eigenkapitalbasis, REITs verkomplizieren Bilanzierung und Besteuerung, REITs führen zu erheblichen Steuerausfällen“. Genau entgegen der Intention bestärkten REITs nur die Verlagerung von Anlagekapital ins Ausland, weil die Anleger eben über Briefkastenfirmen in Irland oder Steueroasen nur zu 10 % bzw. 0 % besteuert würden. Der Anleger sei eben im Gegensatz zum heimischen Wohnungsunternehmen ein flüchtiges Reh.
· Der Finanzamts-Leiter Eigenthaler formulierte als Vertreter der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) die prononcierteste Kritik: Das für die Gründung von REITs neu geschaffene Steuerprivileg der nur hälftigen Besteuerung bei der Übertragung von Immobilien stelle nach EU-Recht ein unzulässige Beihilfe dar und benachteilige mittelständische Immobilien-Unternehmen – eine Kritik, die auch etliche REITs-Befürworter teilten. Mit der Verlagerung der Besteuerung von der Quelle auf den eher flüchtigen Anleger mache man - ohne Not - den Weg frei für ein neues Steuersonderrecht. Außerdem produziere man eine riesige Bürokratie zur Kontrolle und Sanktionierung der zahlreichen Auflagen (10%-Höchstbeteiligungs-grenze, 75%-Grenze im Immobilienhandel etc.). Die Regierung mache damit die unter großen Vollzugsdefiziten leidenden Finanzämter zu Wirtschaftskontrollbehörden, ohne sich um die personellen Folgen zu kümmern. Fazit der DStG: Der Vollzug dieses Gesetzes ist in der Praxis nicht durchführbar.
· Beim Statement von Prof. Rausch von der Freiburger Initiative „Wohnen ist Menschenrecht“, des Stadtsoziologen Prof. Häussermann, von DGB und Mieterbund sowie des Privatisierungskritikers Dr. Werner Rügemer kam in der im Bundestag eher langatmigen Anhörungszeremonie Stimmung auf. Der Gesetzentwurf lässt den Verkauf von Wohnungen an REITs entgegen verbreiteter Darstellung zu. Bestandswohnungen in gewerblichen Mischobjekten sind bis zu einem Anteil von 50 % zugelassen, das sind in Deutschland immerhin 780.000. Der gesamte Wohnungsneubau ist ebenfalls zugelassen, dies in einer Situation der z.T. vollständig weg brechenden öffentlichen Wohnungsbauförderung. Dr. Rips vom Deutschen Mieterbund und Werner Rügemer entlarvten am Beispiel der Privatisierungen der GAGFAH in NRW die Hoffnung auf durch die Sozialcharta gesicherte Mieterrechte als Täuschung. Die Mieterhöhungsbegrenzung sei immer auf den Gesamtwohnungsbestand des Wohnungsunternehmens bezogen und schlössen regional begrenzte Mietsteigerungen nicht aus. Außerdem gelte die Sozialcharta meist nur 10 Jahre, was für den Immobilienanleger „wie eine Sekunde“ wirke, so Rips. Die Sozialcharta sei in den meisten Fällen ein reines Placebo.
· Während Hartmut Häussermann vor dem Hintergrund schrumpfender und älter werdenden und sich individualisierender Bevölkerung große Aufgaben auf öffentliche Wohnungspolitik und Stadtplanung zukommen sieht, berichtete Günter Rausch von den Erfahrungen des erfolgreichen Widerstands der Freiburger Bevölkerung gegen den von Grünen und (Teilen) der CDU beabsichtigten Wohnungsverkaufs an Finanzinvestoren. Die große Mehrheit der Menschen wollten nicht, dass das Grundrecht Wohnen in die Hände von Heuschrecken gerate. Die REITs würden – trotz aller (noch) existierenden Haltelinien – den Privatisierungstrend verstärken.
Fazit der Anhörung: REITs führen zu Mieterhöhungen, neuen Steuergestaltungen -verlusten, chaotisieren die Finanzämter, schwächen den öffentlich geförderten Wohnungsbau, verschärfen die Segregation in den Städten und bergen das Risiko von Zuständen französischer Vorstädte. Die Fraktion DIE LINKE. hat daher in einem Antrag die REITs-Zulassung abgelehnt.
Den Antrag finden Sie hier.