Auch neue Erbschaftsteuer wohl verfassungswidrig
Von Axel Troost
Die Reform der Erbschaftssteuer ist aus mehreren Gründen das aktuell wichtigste steuerpolitische Projekt. In Deutschland sind die Vermögen im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt: Zehn Prozent der Deutschen besitzen 60 Prozent des Gesamtvermögens. Der Großteil ist in Form von Unternehmen, Immobilien und Finanzanlagen gewinnbringend angelegt und vergrößert sich ständig. Wird nicht durch vermögensbezogene Steuern umverteilt, entstehen Finanzdynastien. Die bayerische Verfassung enthält einen dazu passenden Satz: „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermö- gen in den Händen einzelner zu verhindern“.
Trotz gewaltiger Erbschaften lag das deutsche Erbschaftssteuer-Aufkommen, das allein den Ländern zusteht, zuletzt bei gerade einmal knapp sechs Milliarden Euro im Jahr – nicht einmal ein Prozent der Gesamteinnahmen aus allen Steuern! Gerade reiche Erben beteiligen sich damit so gut wie nicht an der Finanzierung des Gemeinwesens. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei vermögensbezogenen Steuern (Einkommen, Vermögen, Erbschaften) mittlerweile deutlich unter dem Durchschnitt der Industrieländer (einschließlich sogar der USA). Zudem trifft die Besteuerung die Erben höchst ungleich: Während normale Erben (jeweils nach den individuellen Freibeträgen) regulär Erbschaftssteuer zahlen müssen, kommen ausgerechnet die Erben von Unternehmen (welche die großen Vermö- gen ausmachen) fast komplett steuerfrei davon. Laut einer Untersuchung des DIW wurden zwischen 2011 und 2014 ganze 144 Milliarden Euro Firmenvermögen steuerfrei übertragen. Wenn ausgerechnet die reichsten Erben steuerfrei bleiben, sinkt natürlich das Steueraufkommen.
Ende 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Begünstigung von Firmenerben gegenüber sonstigen Erben für illegitim und forderte bis Ende Juni 2016 eine neue Regelung. Diese Frist hielt die Bundesregierung nicht ein. Das Vorhaben wurde zum einen sehr spät angegangen, zum anderen lehnten SPD, Grüne und LINKE im Bundesrat vor der Sommerpause einen Vorschlag als zu großzügig und wohl ebenfalls nicht verfassungsgemäß ab. Beispielsweise schrieben die Pläne erst bei Erbfällen ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro die vom Verfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung vor, was nur etwas mehr als ein Prozent der Unternehmen betreffen würde. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW sah „allenfalls moderate Mehrbelastungen“ und durch neue Begünstigungen in etlichen Fällen sogar Entlastungen gegenüber dem bisherigen Recht.
Nach monatelangem Streit im Vermittlungsausschuss haben sich Bund und Länder auf ein Modell zur Neufassung der Steuerprivilegien von Betriebserben einigen können, über das bald in Bundestag und Bundesrat abgestimmt wird. Leider sieht der Kompromiss weiterhin vor, Firmenerben weitestgehend zu verschonen, wenn sie das Unternehmen länger fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Nur die Voraussetzungen dafür wurden leicht verschärft. Aber bei den wirklich entscheidenden Regeln zur Bewertung von Unternehmen, zur Stundung der Erbschaftsteuer und zur Verschonung gibt es nur minimale Einschränkungen der vom Verfassungsgericht monierten Privilegien.
Auch Luxusgüter wie Yachten und Gemälde bleiben weiterhin von der Erbmasse ausgenommen. Die Regelungen sind noch unübersichtlicher geworden, die Mehreinnahmen werden voraussichtlich bei gerade einmal 0,1 Milliarden Euro liegen. Auch die neue Erbschaftsteuer bliebe damit eine Bagatellsteuer und verstieße wahrscheinlich ebenfalls gegen das Grundgesetz.
DIE LINKE fordert, „die bestehende
rot-rot-grüne Mehrheit
in Bundestag und Bundesrat
zu nutzen, um die rechtswidrige
Bevorzugung reicher Firmenerben
zu beenden. SPD,
Grüne und LINKE müssen hier
an einem Strang ziehen, um die
wachsende massive Ungleichheit
zu stoppen“. Für mich ist
die Reform der Erbschaftsteuer
deshalb ein politischer Lackmustest:
Wie ernst sind der
SPD Gleichheit und Gerechtigkeit
als Prüfsteine sozialdemokratischer
Politik? Was kann sie
in einer großen Koalition bewirken?
Gibt es ansatzweise eine
Verständigung zwischen RotRot-Grün
oder können sich die
Unternehmensverbände und
CSU erneut durchsetzen? Leider
zeichnet sich ab, dass die
SPD diesen ungerechten und
verfassungsrechtlich problematischen
Entwurf mittragen wird.
Wahrscheinliche Folge wäre,
dass das Bundesverfassungsgericht
auch dieses Gesetz
kassieren und der Bundesregierung
im Wahljahr 2017 erneut
die Leviten lesen wird.
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