"Weder ein Superheld, noch ein Superschurke"
Interview mit den Aachener Nachrichten (Joachim Zinsen), erscheint am 18.11.2019
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Herr Troost, der Bundestags hat ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, das Sprit, Erdgas und Heizöl verteuert, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Ist das sinnvoll?
Troost: Im Prinzip ist eine CO2-Bepreisung sehr sinnvoll. Aber sie muss erstens wesentlich umfänglicher sein, als es das neue Gesetz vorsieht, und sollte einen Pfad vorgeben, auf dem die Preise langsam, aber kontinuierlich in den kommenden 10 bis 15 Jahren steigen. Zweitens sind stärkere Ausgleichsmaßnahmen gerade für Menschen im unteren Einkommensbereich notwendig. Und drittens muss die Öffentliche Hand die CO2-Bepreisung vor allem im Verkehrsbereich mit deutlich größeren Investitionen flankieren und Alternativen zum Auto attraktiv machen.
Sind die Pläne der Bundesregierung sozial ausgewogen?
Troost: Nein. Sie belasten vor allem Geringverdiener.
Wie können die notwendigen Maßnahmen denn sozial besser abgefedert werden?
Troost: Mindestens die Hälfte der Einnahmen durch die CO2-Steuer muss an die Bürger zurück fließen. Wie viel jeder erhält, sollte sich aber nicht an den Steuerzahlungen des Einzelnen orientieren. Davon profitieren nämlich vor allem Gutverdiener. Gerechter wäre es, jedem Erwachsenen und jedem Kind die gleiche Summe auszuzahlen – etwa gegenwärtig 100 Euro pro Jahr. Daneben sollte für Berufspendler, ebenfalls unabhängig von ihrer Einkommenssteuer, ein Mobilitätsgeld eingeführt werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlägt 13 Cent pro Entfernungskilometer vor.
Wie soll mit der Co2-Steuer auf Heizkosten umgegangen werden?
Troost: Menschen, die in schlecht sanierten Altbauten mit Ölheizungen leben, werden natürlich ebenfalls spürbar stärker belastet. Auch das muss bei der Ausgestaltung der Steuer bedacht werden, indem beispielsweise der Heizkesseltausch mit einer Abwrackprämie belohnt oder das Wohngeld angepasst wird. Denkbar ist auch ein Härtefallfonds.
Was kann für Menschen getan werden, die von der Grundsicherung leben?
Troost: In der Grundsicherung müssen die zusätzlichen finanziellen Belastungen bei der Übernahme der Kosten für die Unterkunft berücksichtigt werden. Solange der Öko-Bonus nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird, wären diese Haushalte aber ohnehin klar bessergestellt. Dies zeigt: Die Feinsteuerung ist nicht trivial, kann sogar zu positiven sozialpolitischen Nebenwirkungen führen.
In anderen Staaten wie Schweden oder die Schweiz gibt es bereits seit Jahren eine CO2-Besteuerung. Welche Erfahrungen wurden dort gemacht?
Troost: Sehr positive. In der Schweiz gilt die Besteuerung nur für den Wohnbereich. Dort sind die CO2-Emissionen um 25 Prozent gesunken. In Schweden gibt es eine sehr hohe Co2-Bepreisung im Verkehr. Dadurch ist der Ausstoß von CO2-Emissionen über einen längeren Zeitraum jährlich um rund sechs Prozent zurückgegangen. Dieses Ziel müssen auch wir anstreben.
Gibt es Maßnahmen, die für den Klimaschutz wichtiger sind als eine CO2-Bepreisung?
Troost: Die CO2-Bepreisung ist weder ein Superheld, noch ein Superschurke. Andere Maßnahmen sind genauso wichtig. Dazu gehören auch Ge- und Verbote. Beispielsweise muss die Autoindustrie klare Vorgaben bekommen, ab wann sie keine Verbrennungsmotoren mehr bauen darf. Daneben brauchen wir ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, aber auch eine Änderung der Verkehrspolitik in den Städten. Sie muss wesentlich menschenfreundlicher und weniger autofreundlich werden. Es geht um eine generelle Verkehrswende.
Was heißt das konkret?
Troost: Der öffentliche Nah- und Fernverkehr muss ausgebaut und preislich deutlich attraktiver werden. Der Lastverkehr sollte endlich–- auch durch eine höhere LKW-Maut – von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Im Luftverkehr müssen zumindest die Kurzstreckenflüge deutlicher verteuert werden. Sie dürfen nicht länger preisgünstiger sein, als eine Fahrt mit der Bahn.
Eine Verkehrswende ist teuer. Woher soll das Geld für Investitionen kommen?
Troost: Zunächst: Die bisher von der Bundesregierung geplanten Investitionen reichen vorne und hinten nicht. Dabei ist das von der Bundesregierung immer wieder ins Feld geführte Argument, die jetzt schon vom Bund bereitgestellten Finanzmittel würden von den Kommunen nicht abgerufen, zwar richtig. Es zeigt aber nur, dass erstens in vielen Städten und Gemeinden als Folge von Sparzwängen deutlich zu geringe Planungskapazitäten vorhanden sind. Und zweitens müssen die Kommunen für Projekte Eigenmittel aufbringen, die sie aufgrund von Finanznöten oft nicht haben.
Wie lässt sich das ändern? Was schlagen Sie vor?
Troost: Langfristige Investitionen sollten über neuen Kredit finanziert werden. Deshalb muss die Schuldenbremse, die auf der Länderebene erst ab Januar 2020 scharf geschaltet ist, weg. Sie ist eine Investitions- und Zukunftsbremse mit der die dringend notwendige Klimawende nicht gestaltet werden kann.
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