Rede von Gregor Gysi: »So schaffen Sie letztlich weder mich, geschweige denn die Linke«
Gregor Gysi in der Aktuellen Stunde "Berichte aus den Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, über vertrauliche Gespräche, die Gregor Gysi 1979/80 als DDR-Rechtsanwalt mit Mandanten geführt hat"
Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
was Sie heute hier mit der Debatte bieten, ist ein trauriges Schauspiel und zeigt das enge Zusammenwirken der Bundesbeauftragten Frau Birthler mit gegnerischen und konkurrierenden Parteien der Linken. Seit Jahren versuchen Sie mit allen Mitteln, mich zu beschädigen, um meine Partei zu treffen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass Sie frei von Kenntnissen und zumindest oftmals nur böswillig reagieren. Vom Leben eines Anwalts in der DDR haben Sie schlicht und einfach keine Ahnung.
Nachdem ich die Verteidigung und Vertretung von Robert Havemann übernommen hatte, habe ich folgendes erreicht:
Gegen ihn wurde kein Strafverfahren mehr durchgeführt, es gab keine Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen mehr. Nicht einmal Ordnungsstrafen wurden noch gegen ihn ausgesprochen.
Der gegen ihn vorher verhängte Hausarrest wurde aufgehoben.
Der Verkauf eines weiteren Hauses auf seinem Grundstück an einen IM konnte durch mich verhindert werden.
Robert Havemann konnte sogar an Feierlichkeiten zur Befreiung des faschistischen Zuchthauses Brandenburg mit Erich Honecker teilnehmen, damals in den westdeutschen Medien ein Erstaunen auslösendes, herausragendes Ereignis.
Nennen Sie mir andere Abgeordnete des Bundestages, die sich für Robert Havemann so eingesetzt haben wie ich und die diesbezüglich so viel erreichten.
Der Stern schilderte einen Fall, in dem ein angeblicher IM Gespräche mit der Staatssicherheit geführt haben soll, obwohl er in Wirklichkeit zu dieser Zeit auf einer Theaterbühne stand, also gar nicht mit der Staatssicherheit sprechen konnte. Hierzu erklärte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit, dass sie die Diskrepanzen zwischen dem Akteninhalt und tatsächlichen Begebenheiten nicht untersuchen dürfe. Die Behörde sei auch nicht befugt, Unterlagen zu bewerten und auch nicht, Wahrheitsfeststellungen zu treffen. Das alles können Sie in Nummer 16/2008 des Stern auf Seite 135 nachlesen. Bei mir aber versuchte der bzw. die Bundesbeauftragte seit Jahren Gegenteiliges, d.h. den Vergleich von Akteninhalt und tatsächlichen Begebenheiten, Bewertungen der Unterlagen und vermeintliche Wahrheitsfeststellungen.
Sie unterstellen mir, dass ich die Staatssicherheit über Robert Havemann im Oktober 1979 direkt informiert hätte.
Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Staatssicherheit sich erst im September 1980 entschied, meine Eignung als IM zu prüfen. Welcher Schwachsinn, wenn ich schon längst mit ihr zusammengearbeitet hätte. 1986 stellte die Staatssicherheit endgültig durch Beschluss fest, dass ich als IM nicht in Frage käme, weil ich - und nun wörtlich - „zur Aufklärung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit nicht geeignet“ war. Die Staatssicherheit versuchte nicht einmal, mich anzuwerben.
Sie wollen auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Staatssicherheit anschließend gegen mich eine Operative Personenkontrolle zu meiner Überwachung eröffnete, unter anderem wegen meiner Kontakte zu Mitarbeitern der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, wegen meiner Kontakte zu westdeutschen Journalisten, wegen meiner Kontakte zu ehemaligen Mandanten, d. h. zu Dissidenten, deren Verfahren bereits abgeschlossen waren oder die die DDR schon verlassen hatten, z. B. zu Rudolf Bahro.
Wegen so bedeutender Dissidenten wie Robert Havemann und Rudolf Bahro hatte ich in deren Auftrag regelmäßig Gespräche mit Mitarbeitern der Abteilung Staat und Recht des Zentralkomitees der SED. Sie haben bis heute nicht begriffen, dass diese Partei in der DDR die führende Rolle spielte. Sie haben nicht begriffen, dass ich deshalb nur über diese Kontakte und nicht über ein Kreisgericht als Rechtsanwalt versuchen konnte, für beide Mandanten das zu erreichen, was sie wollten und was zum Teil ja auch gelang. Robert Havemann war zum Zeitpunkt des Endes der DDR bereits gestorben. Ich hatte ihn bis zu seinem Tod vertreten. Rudolf Bahro hat auch nach der Wende meinen anwaltlichen Einsatz mehrfach und ausdrücklich gewürdigt. In der DDR entschied das ZK der SED, wen es über solche Gespräche, wie die mit mir, informierte. Das galt auch hinsichtlich der Staatssicherheit. Hätte ich versucht, parallele Beziehungen zur Staatssicherheit aufzubauen, hätten die Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED die Gespräche mit mir beendet. Wozu sollte ich das riskieren?
Sie begreifen nicht, dass ich damals schon so souverän war wie heute. Ich hatte Gespräche mit dem Zentralkomitee der führenden Kraft der DDR, ich brauchte keine Kontakte zur Staatssicherheit. Sie waren gar nicht nötig, entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde. Aus den Unterlagen ergibt sich klar, dass die Staatssicherheit mich überwachte, mich nicht mochte. Das nützt mir bei Ihnen gar nichts, weil Sie sich sehnlichst das Gegenteil wünschen.
Ich weiß nicht, inwieweit Ihre wiederholten mich persönlich diffamierenden Attacken in den letzten Jahren meiner Gesundheit geschadet haben. Aber eines weiß ich, so schaffen Sie letztlich weder mich, geschweige denn die Linke.