Sozialstaat wird kaputt gespart
Interview der Woche
Im Dezember 2006 haben Bundestag und Bundesrat beschlossen, eine Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einzusetzen. Die Vorsitzenden der Kommission, Günther Oettinger (CDU) und Peter Struck (SPD), haben jetzt ein gemeinsames Positionspapier für die Schlussrunde der Verhandlungen, die im Oktober beendet werden sollen, vorgelegt. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Staatsschulden. Durch die Einführung einer sogenannten Schuldenbremse im Grundgesetz soll künftig die Möglichkeit, Staatsaufgaben durch Kredite zu finanzieren, erheblich eingeschränkt werden. Die Union will Kredite nur noch in Zeiten mit schwachen Wirtschaftswachstum zulassen. Die SPD will eine Obergrenze von 18 Millarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden.
Fraktionsvize Bodo Ramelow ist für DIE LINKE Obmann in der Föderalismuskommission
Wo stehen die Verhandlungen jetzt?
SPD und Union sind sich in der zentralen Frage der Gestaltung eines neuen Staatsverschuldungsrechtes nicht einig. Das Struck-Oettinger-Papier konnte in diesen Punkten keinen Konsens stiften. Die Union hat zudem Konsensformeln aus dem Papier wieder in Frage gestellt - etwa zu den Finanzhilfen. Wir fragen uns also, welche politische Halbwertzeit das Papier überhaupt noch hat.
Welche Risiken sehen Sie durch die Einführung eines neuen Staatsverschuldungsrechtes?
Investitionen - z.B. für neue Schulen, Strassen und Kitas - können künftig nur noch eingeschränkt durch Kredite finanziert werden. Die Sparzwänge werden verschärft. Das größte Risiko liegt jedoch in der Kombination von Schuldenbremse und Steuersenkungspolitik. Damit spart man den Sozialstaat kaputt. Das neue Staatsverschuldungsrecht ist jedoch aus unserer Sicht nicht nur wegen der Beschränkung der Kreditspielräume problematisch, sondern vor allem wegen der neuen Kompetenzen für den Finanzplanungsrat, der letztlich die Autorität anderer Verfassungsorgane beschneiden soll. Wir fragen uns, ob damit nicht eine neue Länder-Aufsichtsbehörde oder gar eine Schattenregierung etabliert werden wird. Eine Einschränkung der Selbstständigkeit der Länder halten wir jedenfalls aus demokratie- und föderalismuspolitischer Sicht für nicht hinnehmbar.
Welche Position nimmt DIE LINKE hierbei selbst ein?
Die Verhandlungen sind zu einem Punkt gekommen, wo wir sagen: Lieber keine Reform als eine schlechte. Ich sage dies, nicht weil ich der Konzeption einer Schuldenbremse generell Plausibilität abspreche. Wir teilen z.B. die Positionen, die die SPD hierzu vorträgt nicht, aber sie hat ein in sich schlüssiges Konzept vorgelegt. Wir erkennen auch ihre Bemühungen an, bei der Gestaltung der Verschuldungsobergrenzen Rücksichten auf finanzschwächere Länder zu nehmen. Wir halten das für nicht hinreichend und den ganzen Ansatz dieser Reformüberlegungen auch deswegen nicht für angemessen, weil er am Schuldenrecht, nicht aber an den Ursachen der Verschuldung selbst ansetzt - also der Einnahmenseite. Und wir können der Einführung einer Schuldenbremse auch schon deswegen nicht zustimmen, weil keine ernsthaften Angebote zur Lösung des Altschuldenproblems gemacht wurden. Die Position der Union hingegen ist völlig inkonsistent.
Wie meinen Sie das?
In der Kommission geben die Unionsleute die harten Konsolidierer, die einer Nullverschuldungspolitik das Wort reden. In den Talkshows trommeln sie für Steuersenkungen. Aber die Union hatte in den 16 Jahren der Ära Kohl nie ein Problem damit, ihre Politik auf Pump zu finanzieren, anschließend das Anwachsen der Verschuldung wortreich zu beklagen, um dann zu verkünden, dass Einschnitte unvermeidlich seien. Eine Politik, die die Handlungsfähigkeit des Staates bewahren will, sieht anders aus.
Eine Kritik, mit der DIE LINKE sicher wieder einmal ganz allein dasteht.
Nein. Professor Deubel, der rheinland-pfälzische SPD-Finanzminister,
hat diese Haltung der CDU/CSU drastisch kritisiert, als er davon
sprach, "dass auf der einen Seite ... Sonntagsveranstaltungen über eine
Schuldenbegrenzung durchgeführt werden und auf der anderen Seite
bereits Planungen existieren, mit denen die meisten Länder in die
Verfassungswidrigkeit getrieben werden." Und der DGB geht ja in seiner
Kritik noch einen Schritt weiter. "Sollten die Vorschläge zur
Föderalismusreform II wirklich in ein Gesetz gegossen werden, stünde
die Handlungsfähigkeit des bundesdeutschen Föderalstaats auf dem
Spiel", kommentierte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer.
Welche Alternativen schlägt die Linke vor?
Erstens sagen wir, dass zur Bewältigung des Problems der Staatsverschuldung die großen Vermögen und Unternehmen ihren Beitrag leisten müssen. Das beste wäre ein Lastenausgleichsgesetz, dass diesen Beitrag regelt, etwa durch Steuerzuschläge. Die Älteren werden sich noch daran erinnern. Das hat es nämlich in den fünfziger und sechziger jahren in der Bundesrepublik gegeben. Zweitens kann es bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht nur um die Bewältigung von Altlasten gehen. Die Reform muss einen Beitrag zur besseren Finanzierung der öffentlichen Bildung leisten. Dafür haben wir Vorschläge im Rahmen unseres Konzeptes für einen nationalen Bildungspakt gemacht.
linksfraktion.de, 8. Juli 2008
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