Linke im Osten: Die neue Volkspartei
Berlin. Laut einer Umfrage liegt die Linke in den neuen Bundesländern gleichauf mit der CDU und weit vor der SPD. In Kürze könnte sie den ersten Ministerpräsidenten stellen. Im Osten ist die Linke längst zur Volkspartei geworden. banner('rectangle','300x250');
Während die SPD im Westen noch krachend diskutiert, ob sich die hessische Landeschefin Andrea Ypsilanti mit Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen darf, vollzieht sich der politische Strukturwandel im Osten Deutschlands verhältnismäßig leise, aber mindestens ebenso tiefgreifend.
Die SPD zwischen Hammer und Amboss„Die SPD im Osten ist in einer verzweifelten Lage”, analysiert der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt von der Technischen Universität Dresden. „Zwischen CDU und Linke befindet sie sich wie zwischen Hammer und Amboss.” In einer aktuellen Allensbach-Umfrage liegen Linkspartei und CDU in der Gunst der ostdeutschen Wähler praktisch gleichauf bei 28,6 beziehungsweise 28,8 Prozent – weit vor der SPD, die gerade einmal 22,8 Prozent erreicht.
Gründe für die anhaltend schwachen Ergebnisse der ostdeutschen Sozialdemokraten sieht Patzelt in strategischen Fehlentscheidungen der Vergangenheit und taktischen Ungeschicklichkeiten der Gegenwart. „Auch die unglückliche Politik der SPD hat die Linke im Osten groß gemacht”, sagt er. „Nach der Einheit hat die SPD tüchtigen Reformsozialisten den Zugang versperrt. Diese politischen Talente fanden ihre Heimat in der PDS. Die PDS wiederum wurde kurze Zeit später von der SPD durch einen Kuschelkurs aufgepäppelt.”
"In Ostdeutschland hat die Linke eindeutig den Charakter einer Volkspartei”Zwar kann die SPD noch heute darauf verweisen, dass „die CDU zwei SED-hörige Blockparteien mit Vermögen und Mitgliedern bedenkenlos übernommen hat”. Andererseits ließ sich 1994 der SPD-Kandidat Reinhard Höppner mit Hilfe der PDS zum Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt wählen und bildete mit Unterstützung der SED-Nachfolgepartei eine Minderheitsregierung („Magdeburger Modell”). Fortan konnte sich die PDS im Osten mehr und mehr zu einer fest im Parteiengefüge verankerten Kraft entwickeln. „In Ostdeutschland hat die Linke eindeutig den Charakter einer Volkspartei”, sagt Patzelt. „Dort, wo sie mitregiert, leistet sie vorzeigbare Arbeit.” Mehr noch: „Der Linken ist es gelungen, sich das Image einer Kümmerer-Partei zu erarbeiten, die authentisch ostdeutsche Befindlichkeiten zum Ausdruck bringt.”
Insbesondere die SPD leidet darunter. In Thüringen stürzte die SPD bei der Landtagswahl 2004 auf 14,5 Prozent ab, während die PDS 26,1 Prozent erlangte. Anfang dieses Jahres wurde offen diskutiert, ob sich die SPD nach der Wahl 2009 in eine rot-rote Regierung unter Führung der Linken begeben könnte.
Arbeiten am Ruf als "Kümmerer"Mit Christoph Matschie kandidiert nun zwar ein SPD-Politiker, der dieses Modell ausschließt, Politologe Patzelt ist sich aber sicher: „In absehbarer Zukunft wird es in Ostdeutschland den ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei geben. Das ergibt sich angesichts der Kräfteverhältnisse aus einer einfachen Logik: Wenn die SPD nicht pausenlos Partner der CDU sein will, muss sie auch die Rolle als Juniorpartner der Linken akzeptieren.” Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linkspartei in Thüringen, hat sich zum Ziel gesetzt, die 30-Prozent-Marke zu erreichen. „Ich will Ministerpräsident werden”, sagt er selbstbewusst. Ramelow möchte den Ruf der Linken als „Kümmerer-Partei“ pflegen. „Wir bemühen uns, Lebenshilfe zu leisten, etwa wenn es Probleme mit dem Hartz IV-Bescheid gibt.“ Die von der SPD formulierte Agenda 2010 habe gerade im Osten „die allertiefsten Wunden hinterlassen”.
Eine Trendumkehr könne die SPD nur dann erreichen, wenn sie weiter nach links rücke, sich von der Agenda 2010 verabschiede und im Bund in die Opposition gehe, sagt der Politikwissenschaftler Patzelt. „Nur so wird die SPD wieder zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die Linkspartei.”