Die besondere Sorgfaltspflicht der KfW

Pleite von Lehman Brothers schlägt auch auf Europa durch

19.09.2008 / Von Kurt Stenger, Neues Deutschland

Bei der anstehenden Revision in der Bankengruppe geht es um mehr, nicht um weniger Staat
Wieder sorgt die staatliche KfW-Bankengruppe für Unmut in der Politik. Doch diese hat die Probleme mit zu verantworten.

Eine Überweisung erregt derzeit die Gemüter: Die KfW-Bankengruppe transferierte am Montag, dem Tag der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, an diese 300 Millionen Euro im Rahmen eines Swap-Termingeschäftes zur Absicherung von Währungskursrisiken. Hier erfolgen Zahlungen nicht sofort, sondern – oft automatisch vom Computer ausgeführt – zu einem späteren Zeitpunkt. KfW-Kapitalmarktexperten hatten über das Wochenende mehrfach über die Folgen der drohenden Insolvenz der US-Bank beraten, mit der man seit Längerem in Geschäftsbeziehungen stand. Offenbar wurde der Computer darüber aber nicht informiert, der pünktlich die Überweisung tätigte. Erst danach fiel dies Mitarbeitern auf, die in hektische Betriebsamkeit gerieten, aber den Vorgang nicht mehr rückgängig machen können. Der KfW-Vorstand spricht von einer »technischen Panne« und beziffert die Gesamtrisiken im Zusammenhang mit der Lehman-Pleite auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.

Nun sind fällige Zahlungen an ein Unternehmen nicht einfach hinfällig, weil dieses Insolvenz angemeldet hat. Allerdings ist das Vorgehen der KfW »nicht üblich«, sagt Michael Knobloch vom bankenunabhängigen Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg gegenüber ND. Wenn ein Geschäftspartner, gegenüber dem man schon Forderungen hat, insolvent wird, werden offene Zahlungen gewöhnlich »verrechnet«. Ansonsten seien diese vom Ausfall bedroht. Ein Institut wie die KfW, die nicht nur dem Zivilrecht, sondern auch öffentlichem Recht unterliegt, müsse »besondere Sorgfaltspflicht« walten lassen, meint Rechtsanwalt Knobloch. Bei riskanten Finanzgeschäften müsse man besonders vorsichtig sein.

Wie bei der Krise um die frühere Tochter IKB wird der KfW aus dem politischen Raum nun Unfähigkeit vorgeworfen. Und die FDP nutzt die Gunst der Stunde, um eine Reduzierung auf einige Förderaufgaben zu fordern. Dabei wurden von der Politik erst in den letzten Jahren immer mehr Förderinstitute unter dem Dach der KfW zusammengeführt – um, wie gerade auch von den Liberalen verlangt, den Bürokratieabbau zugunsten des Mittelstandes voranzubringen. Nur bedeutet dies eben auch unübersichtlichere Strukturen und mehr Aufgaben für weniger Personal, was sich auf die Fehlerquote kaum positiv ausgewirkt haben dürfte. Und auch die IKB-Beteiligung, die sich mittlerweile als milliardenschwere Fehlspekulation entpuppt hat, wurde seinerzeit auf Wunsch der Politik gekauft.

Und so steht bei der anstehenden Revision nicht der von der FDP gewünschte Kahlschlag an, der nur den Privatbanken neue Geschäfte bescheren würde, sondern eine Verbesserung des Risikomanagements und der Personalsituation, aber auch die Überprüfung der einzelnen Programme. Denn hier findet sich so manche Merkwürdigkeit: So hilft die KfW seit einigen Jahren Geschäftsbanken dabei, Pakete von Mittelstands- und Immobilienkrediten in komplexe Wertpapiere zu verpacken und an andere Investoren weiterzuverkaufen.

Experte Knobloch hat einen weiteren Vorschlag, der den Deregulierern ebenfalls wenig gefallen dürfte: die Bankenaufsicht auf nationaler und internationaler Ebene stärken. Dies müsse gerade für Anstalten öffentlichen Rechts wie die KfW gelten.

Lexikon

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurde 1948 als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Frankfurt am Main gegründet. Zweck war zunächst, Gelder aus dem Mar-shall-Plan zu verwalten und so den Wiederaufbau der westdeutschen Wirtschaft zu lenken.

Die Aufgaben haben sich längst verschoben und sind vielfältiger geworden. Heute ist die KfW eine heterogene Gruppe unterschiedlicher Banken mit mehreren Beteiligungen. Besonders aktiv ist sie im Bereich der Mittelstandsförderung, hilft bei der Schaffung von Wohnraum sowie der energetischen Gebäudesanierung und finanziert Infrastrukturmaßnahmen von Kommunen. Weitere Geschäftsfelder sind die Vergabe von Studienkrediten, die Exportförderung, Entwicklungszusammenarbeit und die Privatsisierung von Bundesunternehmen. Wie eine Geschäftsbank refinanziert sich die KfW auf den internationalen Finanzmärkten.

Das Kapital wird zu 20 Prozent von den Ländern und zu 80 Prozent vom Bund gehalten. Dieser haftet auch für Verbindlichkeiten und Kredite der KfW. Deshalb kann diese sich günstig auf dem Finanzmarkt Kapital besorgen. Sie arbeitet auf Grundlage des KfW-Gesetzes und gehört mit einer Bilanzsumme von 354 Milliarden Euro zu den größten deutschen Banken. 2007 reichte sie Fördermittel von 87 Milliarden Euro aus. ND