Verlieren wieder Kleinverdiener?
Barbara Höll zur steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen / Die 50-jährige promovierte Philosophin ist stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und Steuerexpertin
ND: Am Wochenende berät der Koalitionsausschuss darüber, wie Krankenversicherungsbeiträge steuerlich besser absetzbar gemacht werden können. Worum geht es?
Höll: Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte ein privat versicherter
Rechtsanwalt geklagt, dass er die Vorsorge für die Krankenversicherung
nicht ausreichend von der Steuer absetzen kann. Heute kann er unter dem
Posten Sonderausgaben als abhängig Beschäftigter die Ausgaben u. a. für
Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und
Arbeitslosenversicherung nur bis zu einer bestimmten Grenze absetzen.
Diese liegt für abhängig Beschäftigte bei 1500 und bei Selbstständigen
bei 2400 Euro im Jahr.
Das heißt, es gibt eine Deckelung, denn wahrscheinlich bezahlen ja viele Leute wesentlich mehr.
Wenn ein Selbstständiger sich, seine Ehefrau und vielleicht noch zwei
Kinder privat krankenversichert, ist er sicherlich schnell über diese
2400 Euro hinaus.
Was entschied das Gericht?
Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die Höchstbeträge für die
Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen zu niedrig sind. Es hat dem
Gesetzgeber vollkommen zu Recht die Aufgabe gegeben, diese Situation
für privat und gesetzlich Krankenversicherte zu verbessern.
Gibt es schon Vorstellungen, wie das künftig aussehen könnte?
Wir haben noch nichts in der Hand. Es geht aber darum, ob man in dem
bisherigen System des Abzugs als Sonderausgabe bleibt und die Beträge
für die Absetzbarkeit höher setzt. Die LINKE hat in einer kleinen
Anfrage im Mai dieses Jahres die Frage gestellt, was es bedeuten würde,
wenn man die Beiträge höher setzt – um 200, 400 oder 600 Euro. Immense
Ausfälle bei der Einkommensteuer wären die Folge. Darüber hinaus hätte
man auf alle Fälle wieder den Effekt, dass Menschen, die mehr Geld
verdienen und deshalb höhere Beiträge bezahlen, auch stärker steuerlich
entlastet werden. Diesen Weg wollen wir nicht gehen.
Welchen Weg würden Sie bevorzugen?
Man kann die Beiträge, die Teil des steuerlich freizustellenden
Existenzminimums sind, in den Grundfreibetrag integrieren. Das würde
bedeuten, dass dieser von derzeit 7660 Euro um einiges erhöht werden
müsste. Dann haben alle einen höheren Betrag, auf den sie überhaupt
noch keine Steuern zu zahlen haben, aber der Progressionseffekt wäre
nicht so stark. Das wäre wirklich gerechter für die Menschen. Die
Steuerausfälle wären geringer.
Besteht die Hoffnung, dass die Auflage des Bundesverfassungsgerichtes auf diese Weise umgesetzt wird?
Sie ist nicht sehr groß.
Könnte es wenigstens sein, dass auch Menschen mit geringen
Einkommen durch die Neuregelung, die ja ab 2010 in Kraft sein soll, die
Verluste ausgleichen können, die sie durch steigende
Krankenversicherungsbeiträge im nächsten Jahr haben werden?
Das kommt jetzt ein bisschen in die Nähe von Kaffeesatzleserei. Ich
glaube, für abhängig Beschäftigte läuft es im Endeffekt darauf hinaus,
dass die finanzielle Belastung nach der Einführung des Gesundheitsfonds
größer wird. Sie müssen mit einer signifikanten Anhebung der Beiträge
rechnen, für Zusatzleistungen extra zahlen und dann vielleicht noch
einkalkulieren, dass die Krankenkassen ab 2010 Zusatzbeiträge erheben.
Das muss man ja alles in der Gesamtheit sehen.
Interview: Silvia Ottow
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