Gesundheitsfonds stellt Sozialstaatsprinzip auf den Kopf
Ab Januar tritt der Gesundheitsfonds als Teil der Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Für die Versicherten bedeutet dies einen einheitlichen, gesteigerten Kassenbeitrag von 15,5%. Im Bundestag wird diese Woche ein Antrag der Fraktion DIE LINKE abgestimmt, der den Fonds ablehnt, da er er die paritätische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung endgültig aufhebt. Mehrkosten werden ausschließlich von den Versicherten getragen, die Arbeitgeberanteile sind festgeschrieben. Ein Interview mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Frank Spieth.
Unabhängig davon, was man sonst vom Gesundheitsfonds halten mag: ist es nicht grundsätzlich begrüßenswert, einen einheitlichen Beitragssatz für alle zu haben?
Ja, das ist begrüßenswert, denn es ist nicht nachzuvollziehen, warum bei identischen Leistungen unterschiedlich hohe Beiträge nach Wohnort oder Arbeitsplatz von den Krankenversicherten verlangt werden. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Zukünftig sollen nach Krankenkassen unterschiedliche hohe Zusatzbeiträge verlangt werden. Damit ist der einheitliche Beitrag passé.
Die Gesetzliche Krankenversicherung basiert auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft der Versicherten – ist die denn an sich noch gegeben?
Der Solidargedanke wird über die Zusatzbeiträge und über Teilkaskoleistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung immer mehr aufgeweicht. Das Prinzip, dass Jung für Alt, Gesund für Krank, Gutverdiener für Geringverdiener einstehen, gilt damit nur noch begrenzt.
Sie werden diese Woche im Bundestag fordern, den Gesundheitsfonds vollständig zu streichen. Was schlagen Sie als Alternative vor?
Unsere Alternative ist die solidarische und soziale Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Jeder muss Mitglied der Gesetzlichen Krankenversicherung werden und zahlt von allen Einkommensarten, also auch Kapital- und Vermögenseinkünften den gleichen prozentualen Beitrag. Damit würde die Privilegierung der Gutverdienenden und die Benachteiligung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen beendet. Das ganze geht dann mit einem Beitrag von 10 Prozent. Damit wären alle Gesundheitsleistungen ohne Zuzahlungen finanziert.
Aber Bundesgesundheitsministerin Schmidt sagt doch selbst, dass der Gesundheitsfonds eine Vorbereitung für eine Bürgerversicherung sein könne. Kein Schritt in die richtige Richtung?
Mit dem Fonds ist die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ebenso wie die Kopfpauschale der CDU/CSU zu machen. Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob das SPD-Modell mit unserem übereinstimmt. Sie ist für die Beibehaltung der Beitragsbemessungsgrenze. Ich möchte dies am eigenen Beispiel erläutern: Als Bundestagsabgeordneter erhalte ich 2009 eine Abgeordnetendiät in Höhe von 7668 Euro. Ab 2009 zahle ich bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 3675 Euro 15,5 Prozent Beitrag. Im Verhältnis zu meinem Einkommen sind dies dann real 7,4 Prozent. Das ist sozial ungerecht. Spitzenverdiener zahlen bei Beibehaltung der Beitragsbemessungsgrenze prozentual immer weniger, je höher ihr Monatseinkommen ist.
Letzte Woche wurde bekannt, dass sich die Finanzkrise auch auf den Gesundheitsfonds auswirken wird: nach konservativen Schätzungen werden mind. 440 Mio. Euro fehlen – Folge des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit. Dies soll aus der Staatskasse ausgeglichen werden, aber der Fonds muss das Geld spätestens 2010 zurückzahlen. Was bedeutet das für die Versicherten?
Da der Fonds die fehlenden Mittel 2010 von den Krankenkassen zurückfordert, zahlen die Versicherten am Ende die Zeche. Außerdem ist in den kommenden Jahren mit weiteren Kostensteigerungen zu rechnen, die mit den 15,5 Prozent Beitrag nicht finanziert sind. Auch dies werden die Krankenkassen über Zusatzbeiträge bei den Versicherten holen. Die Krankenversicherten werden nach Lage der Dinge Kostensteigerungen zukünftig alleine zahlen, der Arbeitgeber bleibt außen vor.
Ist das Konzept der letzten Gesundheitsreform der Regierung in der aktuellen Situation haltbar? Welche weiteren Auswirkungen werden sich ergeben?
Die vorher schon benannten Teilkaskotarife und andere Wahltarife führen zur Entsolidarisierung. Denn wer jung und gesund ist, kann mit Beitragsrückerstattungen rechnen oder Teilkaskotarife wählen. Kranke können dies nicht. Die Kosten für Krankheit bleiben aber bestehen. Das muss bezahlt werden. Deshalb werden Vollkaskotarife erheblich teurer. Damit wird das Sozialstaatsprinzip nach meiner Auffassung auf den Kopf gestellt.