Axel Troost: Die Deregulierung geht weiter

Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie

18.12.2008 / Deutscher Bundestag, Drucksache 16/10536

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn die Regierung von Harmonisierung spricht, meint sie in aller Regel Harmonisierung nach unten: Nicht der gemeinsame Aufbau einer einheitlichen, wirkungsvollen Regulierung ist ihr Ziel, sondern der gemeinsame Abbau von Regulierung – zu Gunsten der Harmonie von Regierung und Privatwirtschaft.

Wer im Angesicht von Finanzkrise und Re-Regulierungsrhetorik etwas anderes erwartet, findet dies im vorliegenden Gesetzentwurf der Großen Koalition deutlich widerlegt. Hindernisse sollen ausgeräumt werden, um grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen im Bankgewerbe zu erleichtern. Die deutsche Bundesregierung treibt dieses Vorhaben zunächst auf europäischer Ebene voran. Bei der Umsetzung der Richtlinie setzt sie mit ihrem Gesetzentwurf noch eins drauf: Weder soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bedingungen an die Höhe der Beteiligung stellen dürfen noch die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Marktes berücksichtigen.

Nachdem CDU/ CSU ebenso wie SPD, FDP und Grüne die aktuelle Krise mit ihrer Politik der Deregulierung und den steigenden Geldvermögen auf der einen, der sinkenden realen Nachfrage auf der anderen Seite herbeigerufen haben, ist es wahrlich nicht zu viel verlangt, sie nähmen die Krise zum Anlass für eine konsequente Umkehr. Weit gefehlt! Die Bundesregierung scheint im Wettlauf um die weitreichendste Deregulierung auf Platz 1 gelangen zu wollen.

Eines der Lieblingswörter der Re-Regulierungsrhetoriker – Transparenz – gerät in der Änderung des Börsengesetzes zur Farce: Mit dem erklärten Anspruch, die Transparenz im Stromgroßhandel und damit im Entstehen von Energiepreisen erhöhen zu wollen, sollen Waren- und Energiebörsen das Recht erhalten, Daten auch außerbörslicher Geschäfte zu erfassen. Doch was schön klingt, stellt sich als Volksverdummung heraus. Schon jetzt ist die Finanzaufsicht völlig überfordert. Wie soll sie da die international verflochtenen Geschäfte von über 200 Teilnehmern aus 20 Ländern an der Energiebörse in Leipzig stets zeitnah überblicken können? Es ist noch nicht einmal klar, welche Kriterien zu einer tatsächlichen Ermittlung führen. Selbst ein Finanzjongleur wie George Soros überholt die Bundesregierung von links, indem er ein Spekulationsverbot für Rohstoffe fordert. Die LINKE plädiert darüber hinaus für einen Finanz-TÜV, der Finanzinstrumente vor ihrer Zulassung auf ihr gesamtwirtschaftliches Risikopotenzial und ihre Verbraucherfreundlichkeit prüft. Zudem schlagen wir eine Finanztransaktionsteuer vor, um den kurzfristigen und rein spekulativen Handel zu entschleunigen: Instrumente, wie man sie auch bei der SPD-Linken findet, die sich in ihrer eigenen Partei nicht durchsetzt.

Als Antwort auf empörte Proteste von Verbraucherschützern hat die Bundesregierung die Aufnahme so genannter variabler Annuitäten aufgeschoben. Es geht dabei um Lebensversicherungen mit variabler Verzinsung und Garantieversprechungen – Garantien, die gegen hohe Gebühr erworben werden müssen und deren Einhaltung weit riskanter ist als bei anderen Verträgen. Denn statt durch langfristige Wertpapiere sind diese Garantien, man glaubt es kaum, mit spekulativen Derivaten unterlegt. Dank hoher Provisionen seien die variablen Annuitäten in den USA aggressiver in den Markt gedrückt worden als gefälschte Gucci-Taschen, so das Finanzportal Smartmoney. Gerade in Krisenzeiten knüpfen sie scheinbar an das Garantie-Bedürfnis an und eignen sich für den Kundenfang.

Wir brauchen keine mögliche Neuauflage dieser variablen Annuitäten im kommenden Frühjahr. Die Beteiligungsrichtlinie lehnen wir ab. Wir brauchen eine Harmonisierung, die zu einer wirkungsvollen Aufsicht beiträgt. Wir brauchen eine Einkommensverteilung, die nicht die anlagesuchenden Geldvermögen, sondern die reale Nachfrage stärkt. Wir brauchen eine Finanzbranche, die ein Girokonto für alle bietet und nicht Frauen mit Kindern die Kreditaufnahme erschwert. Wir brauchen eine – öffentlich kontrollierte – Finanzbranche, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

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