Erbschaftssteuerreform: Schöne Bescherung
Weihnachtsgeschenk für die Reichen: Nach der Zustimmung des Bundesrats in dieser Woche tritt am 1. Januar 2009 die Erbschaftssteuerreform in Kraft
Silvester dürften in den feinsten Kreisen unserer Gesellschaft die Champagnerkorken noch häufiger als sonst knallen, weil die große Koalition mit ihrer Mehrheit im Bundestag nach jahrelangem Tauziehen eine Erbschaftssteuerreform verabschiedet hat, die besonders Wohlhabende, Reiche und Superreiche begünstigt. Rechtzeitig vor Weihnachten noch werden CDU/CSU und SPD das Gesetz am Freitag durch den Bundesrat winken. Überschattet wurden die ohnehin schwierigen Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien zum Schluß von der bayerischen Landtagswahl. Offenbar glaubte die vom Absturz in der Wählergunst bedrohte und am 27. September tatsächlich betroffene CSU, sich ausgerechnet im Feilschen der Koalitionäre um die Länge der Fristen (beim Betriebsübergang für Erben von Familienunternehmen) und die Höhe der Freibeträge (für selbstgenutzte Immobilien) als unnachgiebigste Kraft profilieren zu müssen. Viel hätte nicht gefehlt, und die aufgrund eines Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 7. November 2006 notwendige Reform der Erbschaftssteuer wäre gescheitert oder zu einer unendlichen Geschichte geworden.
Als eine von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) geleitete Bund-Länder-Arbeitsgruppe im November 2007 inhaltliche Eckpunkte vereinbarte, schien bereits ein tragfähiger Kompromiß zwischen den Koalitionären gefunden. Dem darauf basierenden Gesetzentwurf zufolge sollten den Erben von Familienunternehmen die Steuern auf 85 Prozent des Betriebsvermögens erlassen werden, sofern sie die Firma 15 Jahre lang fortführen und dabei zehn Jahre lang mindestens 70 Prozent der bisherigen Lohnsumme auszahlen würden. Erben von Immobilien sollten Erben von Geldvermögen gleichgestellt, die Freibeträge für Ehepartner und Kinder jedoch gleichzeitig fast verdoppelt werden, so daß eigentlich niemand fürchten mußte, demnächst für »Oma ihr klein Häuschen« Erbschaftssteuer zahlen zu müssen.
Während des bayerischen Landtagswahlkampfes wurde es für die CSU jedoch zu einer Prestigefrage, Villenbesitzersgattinnen am Starnberger See und Kinder von Konzernherren ganz von der Erbschaftssteuer zu befreien. Nach der Wahl Horst Seehofers zum CSU-Vorsitzenden und zum bayerischen Ministerpräsidenten vollzogen die Unionsparteien den Schulterschluß und setzten die Sozialdemokraten noch mehr unter Druck, dem Drang nach bürgerlicher Besitzstandswahrung nachzugeben. Fürchtend, die Erbschaftsteuer könnte ganz entfallen, wenn bis zum 1. Januar 2009 keine Neuregelung erfolgt, knickte die SPD schließlich ein, und die CSU konnte einen für sie wichtigen Erfolg verbuchen.
Während die kleinste Regierungspartei ihr politisches Gesicht wahrte, blieb die soziale Gerechtigkeit vollends auf der Strecke. Neoliberale und Wirtschaftslobbyisten frohlocken. Nun soll Kindern von Familienunternehmern die betriebliche Erbschaftssteuer vollständig erlassen werden, sofern sie die Firma zehn Jahre, und zu 85 Prozent, wenn sie das Unternehmen sieben Jahre lang fortführen und die Lohnsumme insgesamt mindestens zehn bzw. 6,5 mal so hoch ist wie im letzten Tätigkeitsjahr des Erblassers. Selbst größere Entlassungswellen sind also möglich, ohne daß der Erbe von Betriebsvermögen sein Privileg gegenüber den Erben anderer Sachwerte verliert.
Man begründet dieses Steuergeschenk mit der Gefahr, daß der Sohn eines Handwerksmeisters den vom Vater hinterlassenen Betrieb aufgrund finanzieller Überforderung schließen und seine Mitarbeiter entlassen muß. Dies dürfte jedoch kaum vorgekommen sein, weil schon lange ein Freibetrag in Höhe von 225000 Euro existiert, ein zusätzlicher Bewertungsabschlag von 35 Prozent des Betriebsvermögens die Steuerschuld ohnehin reduziert hat und das Finanzamt diese bisher zehn Jahre lang stunden konnte, um Härten im Einzelfall abzufedern. Ehepartner, die eine selbstgenutzte Luxusimmobilie erben, bleiben künftig genauso von der Erbschaftssteuer verschont wie Kinder, sofern die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet und sie für zehn Jahre dort ihren Hauptwohnsitz einrichten.
Damit wird die Spaltung in Arm und Reich zementiert. In kaum einem westlichen Industrieland ist die Erbschaftssteuer so niedrig und das Finanzaufkommen daraus so gering wie in der Bundesrepublik mit zirka vier Milliarden Euro. Auch im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bringt das Steuergeschenk nichts, denn wieso sollten Familienunternehmer fähiger sein als potentielle Käufer oder von diesen beauftragte Manager? Mitnahmeeffekte sind dagegen kaum zu vermeiden. Konsequenter war da übrigens der scheidende US-Präsident George W. Bush, der die Erbschaftssteuer in seinem Land ganz abschaffen wollte. Selbst ein Neoliberaler hat aber Schwierigkeiten, diesen Schritt zu rechtfertigen: Zwar soll sich Leistung (wieder) lohnen. Ist es jedoch eine Leistung, der Sohn bzw. die Tochter eines Multimillionärs oder Milliardärs zu sein?
Nach einem Sieg bei der Bundestagswahl im September 2009 wollen CSU und FDP die Erbschaftssteuer erneut reformieren: Dann sollen auch entfernte Verwandte (»Neffen und Nichten«) in den Genuß höherer Freibeträge kommen. Außerdem erscheint ihnen die Begrenzung auf 200 Quadratmeter Wohnfläche für die Kinder von Villenbesitzern und die Forderung nach einer konstanten Lohnsumme für Firmenerben als »zu bürokratisch«. Und die Freibeträge für Ehegatten in Höhe von 500000 Euro (statt bisher: 307000 Euro) und für Kinder in Höhe von 400000 Euro (statt bisher 205000 Euro) gelten den christlich-sozialen und freidemokratischen Wortführern immer noch als zu niedrig. Vergleicht man die Langzeitarbeitslosen und Niedriglohnbeziehern zugestandenen Wohnflächen und die Höhe des Schonvermögens von Arbeitslosengeld-II-Empfängern damit, wird rasch klar, welch unterschiedliche Maßstäbe der Staat bei Armen und Reichen anlegt.
Schließlich möchten CSU und FDP eine »Regionalisierung« der Erbschaftssteuer erreichen: Diese soll von den einzelnen Bundesländern selbst geregelt und dabei im Sinne eines »Wettbewerbsföderalismus« nach dem Konkurrenzprinzip unterschiedlich gestaltet werden können. Dies hätte zur Konsequenz, daß ein reiches Bundesland wie Bayern niedrigere Sätze und/oder höhere Freibeträge einführt, wodurch noch mehr Reiche und Superreiche veranlaßt würden, sich dort niederzulassen. Daraufhin könnte man beispielsweise die Erbschaftssteuer ganz entfallen lassen, was die soziale Asymmetrie zwischen den Bundesländern weiter verschärfen würde.
* Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrt Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Buchveröffentlichungen 2008: »Kritik des Neoliberalismus«; »Neoliberalismus. Analysen und Alternativen«; »Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland«; »Rechtspopulismus, Arbeitswelt und Armut«
Ähnliche Artikel
- 03.12.2008
- 30.11.2008
- 27.11.2008
- 25.11.2008
- 25.11.2008