HRE: Missbrauch von Steuermilliarden aufklären

02.04.2009 / Interview mit Axel Troost, linksfraktion.de, 31. März 2009

Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über Ziele und Möglichkeiten des HRE-Untersuchungsausschusses

Auf Antrag zunächst der Fraktion DIE LINKE, dann mit den Stimmen aller Oppositionsfraktionen, wurde vergangene Woche ein Untersuchungsausschuss zu den Missständen bei der Hypo Real Estate Holding (HRE) auf den Weg gebracht. Was erhoffen Sie herauszufinden?

Es geht darum aufzuarbeiten, wie ehrlich die Bundesregierung gegenüber dem Parlament, den WählerInnen und SteuerzahlerInnen war, als sie am 29. September 2008 die erste Bürgschaft über 27 Milliarden Euro an die HRE gab. Wusste Bundesfinanzminister Steinbrück von Anfang an, dass die HRE mittelfristig Finanzhilfen und Garantien in dreistelliger Milliardenhilfe brauchen würde? Wie konnte Steinbrück im Oktober 2008 sagen, die irische Tochter Depfa der HRE könne von der deutschen Bankenaufsicht nicht geprüft werden, wenn seinem Ministerium schon seit August ein solcher Prüfungsbericht vorlag? Diese und viele weitere Fragen haben wir seit dem ersten Rettungspaket im September 2008 immer wieder gestellt, aber nur wenig befriedigende und häufig widersprüchliche Antworten erhalten. Das muss endlich ein Ende haben.

Soviel Übereinstimmung in der Opposition ist ja nicht die Regel. Was hat FDP und Grüne dazu bewogen, ihre Meinung zu ändern und dem Untersuchungsausschuss zuzustimmen?

Auch uns hat es etwas überrascht, wie bereitwillig sich FDP und Bündnis90/Die Grünen auf unsere Forderungen eingelassen haben. Der jetzt verabschiedete Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses besteht zu drei Vierteln aus unserem ursprünglichen Antrag von Anfang März. Das hat uns aber nochmals darin bestärkt, dass wir von Anfang an die richtigen Fragen gestellt haben. Und ehrlich gesagt: Solche Fragen drängen sich notwendig jedem auf, der sich mit der HRE befasst.

Das Pikante am Fall HRE ist ja, dass am 29. September 2008, dem Tag des ersten Rettungspakets für die HRE, eine Fünf-Jahres-Frist für Schadensersatzansprüche ausgelaufen ist. Hätte sonst die bayerische HypoVereinsbank (HVB), aus der die HRE 2003 abgespalten wurde, noch für die HRE haften müssen?

Dies ist bislang völlig unklar und genau dazu brauchen wir ja den Untersuchungsausschuss. Zu Beginn hieß es immer, das Problem der HRE sei ihre irische Tochter Depfa. Inzwischen wird aber immer deutlicher, dass die HRE unabhängig von der Depfa große Verluste im Immobiliengeschäft mit Verbriefungen und anderen Derivaten gemacht hat. Erst wenn wir genau wissen, aus welchem Geschäftsbereich diese Verluste stammen, können wir Haftungsansprüche prüfen. Es wäre allerdings ein schier unglaublicher Zufall, wenn das erste Rettungspaket nur rein zufällig am Tag nach dem Ende der fünfjährigen Haftungsfrist zustande gekommen wäre.

Wird der Untersuchungsausschuss beweisen können, dass die Bundesregierung hier bei der Aufsicht der Bank versagt hat? Und wenn ja: Hat das eigentlich auch strafrechtliche Konsequenzen?

Wenn sich beweisen lässt, dass die Bundesregierung vor dem 29. September 2008 von der Verjährung der Ansprüche wusste und darauf verzichtet hat, diese zur Senkung der Belastungen für die SteuerzahlerInnen auch auszuschöpfen, sieht das stark nach Veruntreuung aus. Es ist eine sehr heikle Materie, und wir sollten die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Aber es geht um Milliarden von Steuergeldern, und da muss jede Chance ergriffen werden, Missbrauch und Misswirtschaft aufzuklären und die Verantwortlichen dafür zur Verantwortung zu ziehen.

Ein Ziel des Ausschusses ist die Durchleuchtung der Strukturen der Bankenaufsicht. Glauben Sie, dass der Untersuchungsausschuss dazu führen wird, dass sich hier etwas ändert?

Indirekt hoffentlich schon. Der Ausschuss selber kann nur aufklären, aber keine neuen Gesetze zur Bankenaufsicht vorschlagen. Aber aus den Ergebnissen des Ausschusses müssen natürlich Lehren gezogen werden. Je genauer der Ausschuss die Fehler und das Versagen im Zusammenspiel von Bundesbank, Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht und Bundesfinanzministerium rekonstruieren kann, desto konkreter können die Schussfolgerungen für eine Reform der Bankenaufsicht sein. Man muss aber auch aus Fehlern lernen wollen. Ein guter Abschlussbericht erhöht den öffentlichen Druck auf die neue Bundesregierung, nach den Wahlen eindeutige Konsequenzen ziehen zu müssen.

Wie wird sich dieser Untersuchungsausschuss ganz konkret für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auswirken? Besteht die Möglichkeit, dass von den verschleuderten Geldern etwas zurückfließt?

Das wichtigste Signal des Ausschusses ist, dass das Parlament der Regierung beim Management der Finanzkrise auf die Finger schaut und ein möglicher Missbrauch oder eine fahrlässige Fehlverwendung von Steuergeldern verfolgt wird. Das allein wird mit Sicherheit dazu führen, dass die Bundesregierung weniger leichtfertig mit öffentlichem Geld umgeht. Allein dadurch ersparen wir uns Millionen und vielleicht Milliarden an Steuergeldern bei den nächsten Rettungsaktionen. Wieviel aber von den bereits gewährten Finanzhilfen und Garantien an die HRE jemals zurückkommen wird, entscheidet sich weniger durch den Untersuchungsausschuss, sondern vielmehr durch ein kompetentes Management in der hoffentlich bald verstaatlichten Bank HRE.

Die SPD versucht, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu verzögern. Wie lang kann es bis zur Einsetzung noch dauern?

Die SPD versucht, die Versäumnisse ihres Finanzministers Peer Steinbrück und seines Ministeriums zu verbergen, und wahrscheinlich gibt es da so einiges zu verbergen. Da sich die drei Oppositionsfraktionen aber einig sind, dass sie den Untersuchungsausschuss wollen, kann die SPD seine Einsetzung lediglich bis zur nächsten Sitzungswoche des Bundestags nach Ostern verzögern.