Rede, Dietmar Pellmann (DIE LINKE. Sachsen) zur Altersarmut in Sachsen: "2020 leben in Sachsen 30 % der über 65-Jährigen in Altersarmut."
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es ist für mich doch etwas überraschend, dass die Koalitionsfraktionen dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Sie springen sozusagen auf den bereits in Gang befindlichen Zug auf – man könnte sagen: lieber jetzt als überhaupt nicht.
Allerdings, verehrte Damen und Herren der Koalition, gibt mir das heutige Thema – auch anknüpfend an unsere gestrige Debatte – Gelegenheit, noch einmal im Zusammenhang auf den Dissens, den wir mit der Staatsregierung
Erstens. Für uns ist Altersarmut – ich greife eine Debatte von gestern auf – nicht allein vom Einkommen abhängig. Aber das Einkommen ist in dieser Gesellschaft das Entscheidende; deshalb ist es für uns das maßgebliche Kriterium.
Zweitens. Soziale Leistungen in unserer Gesellschaft – auch Altersgrundsicherungen und ergänzende Leistungen – verhindern Armut nicht, wie die Staatsregierung be-hauptet; sie verschleiern sie nicht einmal.
Drittens. Wenn die Staatsregierung nicht bereit ist, die gegenwärtig gültigen Regelsätze anzuheben, weil sie diese für ausreichend hält, dann setzen wir dem entgegen, dass genau das eine Verfestigung von Altersarmut ist – ob Sie wollen oder nicht, es bleibt eine Tatsache.
Viertens. Es gebe – auch darüber haben wir gestern diskutiert; in der Zusammenfassung muss ich es aller-dings noch einmal deutlich machen –, so wird behauptet, keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen den Lebensverhältnissen älterer Menschen in Ost und West. Ja, ich füge hinzu: Mindestens 20 % der gesamten Alters-einkünfte liegen im Osten unter denen im Westen; wir haben gestern ausführlich darüber diskutiert.
Fünftens. Die Staatsregierung mit ihrer Politik trägt selbst mit Verantwortung für Altersarmut und insbesondere für den Anstieg von Altersarmut, den wir leider zu erwarten haben. Wenn immer wieder von diesem Pult aus gepriesen wird, wir sind das Land – und das sei ein Vorteil – der Minijobs und des Niedriglohnes und das ein Standortvor-teil sei, dann müssen wir uns nicht wundern, meine Damen und Herren, wenn genau das – nicht nur jetzt, sondern auch später, wenn die Menschen im Rentenalter und auf Rente angewiesen sind – regelrecht in die Altersarmut hineinführt. Hier trägt diese Staatsregierung eine Mitverantwortung, ob Sie es wollen oder nicht.
(Beifall bei der Linksfraktion)
Sechstens. Der Herr Ministerpräsident hat erst vor einiger Zeit im Zusammenhang mit unserer – und beileibe nicht nur unserer – Forderung nach Angleichung des aktuellen Rentenwertes-Ost an den aktuellen Rentenwert West dazu gemahnt, man möge sich Zeit lassen. Ich frage Sie: Wie lange wollen wir uns denn noch Zeit lassen nach 20 Jahren, um endlich Gerechtigkeit walten zu lassen?! Das ist die Frage, die hier steht. Insofern vertritt der Ministerpräsident mit seiner eher abwartenden, zögerli-chen Haltung eben nicht die Interessen der älteren Men-schen im Lande.
Siebentens. Ja, die Staatsregierung meint, sie hätte keine unmittelbare Verantwortung für das Ansteigen von Alters armut. Wir sind der Auffassung, die Staatsregierung muss sich in einem Land, das als Erstes von ansteigender Altersarmut in Deutschland betroffen sein wird, an die Spitze von Initiativen stellen, um ein Konzept zu entwickeln und es auch umzusetzen.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde im Verlauf der Debatte – nicht, dass Sie sagen, wir kriti-sieren nur die Staatsregierung – noch einmal unsere alternativen Positionen darstellen. Herr Gerlach, ich sage es jetzt schon: Das sind keine Hirngespinste oder Wunschträume. Wenn wir nicht gründlich und endlich im politischen Kurs umsteuern, dann werden wir in Größen-ordnungen in Altersarmut hineinkommen, wie wir uns das bislang möglicherweise nicht vorstellen konnten.
1. Vizepräsidentin Regina Schulz: Kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Ich sage voraus: Wenn es keine politische Kursänderung gibt, dann werden wir 2020 in Sachsen 30 % der über 65-Jährigen in Altersarmut haben.
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