Guttenberg unter Druck

Im Skandal um den Luftangriff bei Kundus macht der Verteidigungsminister keine gute Figur

14.12.2009 / Von Fabian Lambeck, Neues Deutschland

Seine ehemaligen Untergebenen bezichtigen ihn der Lüge und die Opposition fordert seinen Rücktritt: Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) steht das Wasser bis zum Hals.

Die Luft wird dünn für den ehemaligen Shooting Star der CSU. Nachdem der von Guttenberg geschasste Bundeswehr-Generalinspekteur Schneiderhan am Sonntag verbreiten ließ, der Minister habe alle wesentlichen Details zum Luftangriff bei Kundus gekannt, bevor er diesen am 6. November als »angemessen« bezeichnete, steht Guttenberg mit dem Rücken zur Wand. Denn falls die Behauptungen Schneiderhans und des ebenfalls entlassenen Staatssekretärs Wichert zutreffen, dann hat Guttenberg die Öffentlichkeit bewusst belogen und die beiden altgedienten Haudegen »als Sündenböcke für seinen eigenen Irrtum« geopfert, wie die »Frankfurter Allgemeine« am Montag schrieb.

Nun steht Wort gegen Wort. Denn Guttenberg hatte stets versichert, er habe die beiden einflussreichen Strippenzieher entlassen, weil Schneiderhan und Wichert ihm Berichte zu dem Luftangriff vorenthielten. Selbst nach mehrmaliger Aufforderung, alle »im Verfügungsbereich des Ministeriums existierenden Berichte« namentlich zu nennen und auszuhändigen, stellten sich Schneiderhan und Wichert angeblich stur. Somit blieb Guttenberg keine andere Möglichkeit, als die beiden Querköpfe hinauszuwerfen. Doch selbst im Lager der Union regen sich Zweifel an der Darstellung Guttenbergs.

Und so sah sich CSU-Chef Seehofer am Montag genötigt, dem glücklosen Minister sein »volles Vertrauen« auszusprechen. Guttenberg sei »die treibende Kraft bei der Aufklärung und nicht umgekehrt«, behauptete Seehofer im Anschluss an eine CSU-Vorstandssitzung in München. Auch Guttenberg war in die bayerische Hauptstadt gereist. Auf heimischen Terrain ging der Minister zum Gegenangriff über. Der Opposition hätte der NATO-Bericht zu dem Angriff in deutscher Übersetzung seit dem 3. November vorgelegen, betonte der glücklose Minister. »Was den Vorwurf der Täuschung und der Lüge in meiner Amtszeit betrifft, kann ich nur sagen, dass sich Herr Gabriel und Herr Trittin hüten müssen, sich nicht selbst dem Vorwurf der Täuschung auszusetzen«, sagte Guttenberg weiter. SPD-Chef Sigmar Gabriel, Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin und LINKEN-Vizechef Klaus Ernst hatten zuvor den Rücktritt des Ministers gefordert.

Ob sich Guttenberg im Sattel halten kann, scheint derzeit noch ungewiss. Sein Vorgänger im Amt, Franz Josef Jung (CDU), musste aufgrund der Affäre um die Luftangriffe bei Kundus bereits im November als Arbeitsminister zurücktreten. Dem Verteidigungsausschuss des Bundestags hatte Guttenberg daraufhin »ein Höchstmaß an Transparenz« versprochen. Doch in den letzten Tagen waren zahlreiche schmutzige Details zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan durchgesickert.

Sollte Guttenberg wirklich nicht gewusst haben, dass es dem Bundeswehroberst Klein in Kundus nicht darum ging, die entführten Tanklaster zu treffen, sondern vermeintliche Taliban zu »vernichten«? Wusste der Minister zudem nicht, dass die Bundeswehr in Afghanistan seit Monaten eine neue Qualität der Eskalation betreibt – und das mit Rückendeckung der Bundesregierung? Zu dieser geheimen Mandatserweiterung zählt offensichtlich auch die gezielte Tötung von Talibanführern.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bestritt am Montag diese im Geheimen betriebene Eskalation: »Die Vorstellung, dass jenseits des Mandats, das der Bundestag erteilt, die Strategie fundamental geändert wird, ist abwegig.«

Wie dem auch sei: Verteidigungsminister Guttenberg wird sich vor einem Bundestags-Untersuchungsausschuss rechtfertigen müssen. Allerdings wird das Gremium voraussichtlich erst im Januar seine Arbeit aufnehmen können und zudem im Geheimen tagen. Ebenso geheim ist übrigens auch der ISAF-Untersuchungsbericht für die NATO zu dem Bombardement, bei dem vermutlich 142 Afghanen ums Leben kamen.

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Weitere Informationen:

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