Der Studienabbrecher – das unbekannte Wesen. Woran scheitern die Studierenden an deutschen Hochschulen?
Zum ersten Mal liegen mit der neuen Studie der HIS GmbH repräsentative Daten zu den Ursachen und Motiven des Studienabbruchs in den Bachelor-Studiengängen an deutschen Hochschulen vor. Zwar befindet sich Deutschland mit einer Studienabbruchquote von 21 % im OECD-Ländervergleich im unteren Mittelfeld, mit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge haben sich jedoch deutliche Verschiebungen ergeben.
Während die neue Studienstruktur zum Beispiel in den Sprach- und Kulturwissenschaften zu einer spürbaren Abnahme des Studienabbruchs beigetragen hat, hat sich die Situation insbesondere in den Ingenieur- und Naturwissenschaften zum Teil sogar noch verschärft. Aufgrund der disparaten Entwicklungen ist es umso wichtiger, die Ursachen für einen Studienabbruch genauer zu beleuchten. Die nun vorgelegte Untersuchung zeigt, dass insbesondere Leistungsprobleme und motivationale Defizite für den Studienabbruch im Bachelorstudium verantwortlich sind.
„Es gibt ein Leben nach der Uni“ betitelte die Online-Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ im Oktober eine Fotostrecke über prominente Studienabbrecher. Ganz vorne mit dabei: Bill Gates, der sein Mathematik-Studium an der Harvard-Universität nach eigenen Angaben aufgegeben hat, weil das ernsthafte Streben nach einem Abschluss unter den Kommilitoninnen und Kommilitonen als ganz und gar „uncool“ eingestuft wurde. Solche Argumente spielen bei den heutigen Studienabbrechern keine Rolle mehr. Ihre Gründe für die Studienaufgabe sind schwergewichtiger. Dabei wird die Entscheidung, ein Studium abzubrechen, in der Regel nicht durch ein Motiv allein bestimmt. Allerdings steht bei den meisten Studienabbrechern ein Grund im Mittelpunkt, der letztlich den Ausschlag für den Studienabbruch gibt. Die HIS GmbH hat im Studienjahr 2008 2.500 Studienabbrecher an 54 Universitäten und 33 Fachhochschulen zu den Hintergründen ihrer Entscheidung befragt. Die nun vorgelegten Ergebnisse liefern auch erste Antworten auf die Frage, welchen Einfluss die neu eingeführten Bachelorstudiengänge im Vergleich zu den traditionellen Studiengängen auf die Ursachen haben, die zum Studienabbruch führen.
Drei Motive stehen dabei gegenwärtig im Vordergrund. 20 % aller befragten Studienabbrecher fühlen sich den Anforderungen des Studiums nicht gewachsen und geben daher Leistungsprobleme als Grund für den Studienabbruch an. Zählt man die 11 % der Studienabbrecher hinzu, die das Nichtbestehen von Prüfungen als Abbruchgrund nennen, so sind 31 % der Studienabbrecher aus Gründen der Überforderung gescheitert. Dies ist ein Anstieg von 11 % im Vergleich zum Studienjahr 2000. Probleme der Studienfinanzierung führten für 19 % der Befragten zum Studienabbruch. Dahinter verbergen sich neben finanziellen Schwierigkeiten zunehmende Probleme, eine zur Finanzierung des Lebensunterhalts notwendige Erwerbstätigkeit und das Studium miteinander zu verbinden. Von ähnlich großer Bedeutung (18 %) ist das vorzeitige Beenden des Studiums aufgrund mangelnder Studienmotivation. Diese Studierenden haben sich mit falschen Erwartungen an die fachlichen Inhalte und die Bedingungen und Anforderungen des Studiums immatrikuliert. Die genannten drei Motive geben den Ausschlag für mehr als zwei Drittel aller Studienabbrüche. Vermehrt kommt es auch zum Studienabbruch aufgrund unzureichender Studienbedingungen (12 % gegenüber 8 % im Jahr 2000). Abnehmende Bedeutung haben der Wunsch nach beruflicher Neuorientierung (10 %), familiäre Probleme (7 %) und Krankheit (4 %) als Gründe für den Studienabbruch.
Betrachtet man nur die Studienabbrecher in den Bachelor-Studiengängen, kommt es überdurchschnittlich häufig zum Studienabbruch aufgrund von ungenügenden Studienleistungen. Auch die Motive einer mangelnden Studienmotivation und unzureichender Studienbedingungen haben im Bachelorstudium an Bedeutung gewonnen. Deutlich weniger Studienabbrecher als in den traditionellen Studiengängen verlassen die Hochschule hingegen aus finanziellen Gründen.
Die Studie zeigt darüber hinaus, dass es im Vergleich zu den traditionellen Studiengängen auch zu einer zeitlichen Verlagerung kommt: Der Studienabbruch erfolgt in den Bachelorstudiengängen zu einem erheblich früheren Zeitpunkt. Während in den herkömmlichen Studiengängen die Studienabbrecher nach durchschnittlich 7,3 Fachsemestern die Hochschule verlassen, ist dies in den Bachelorstudiengängen nach durchschnittlich 2,3 Fachsemestern der Fall. „Wo der frühe Studienabbruch mit steigenden Abbruchquoten einhergeht, scheitern im Bachelorstudium offensichtlich mehr jener Studierenden schon beim Studieneinstieg, denen es in den bisherigen Diplom- oder Magisterstudiengängen gelungen ist, nach einer unter Umständen längeren Einstiegsphase noch im Studium Fuß zu fassen und erfolgreich einen ersten Hochschulabschluss zu erwerben“, kommentiert Projektleiter Dr. Ulrich Heublein von der HIS GmbH die Ergebnisse der Studie.
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