Finanztransaktionssteuer international vorantreiben und national einführen
Rede von Axel Troost am 29.1.2010
Die Rede können Sie nachstehend als Video ansehen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zur Diskussion stehen zwei Anträge zur Finanztransaktionsteuer.
(Zuruf von der FDP: Das hatten wir doch schon in der letzten Sitzungswoche!)
Das ist in der Tat nicht alles, worum es geht. Aber es handelt sich zumindest um eine ganz konkrete Maßnahme. Wer die zwei Anträge der SPD und der Linken zu dieser Steuer genau liest, wird eine sehr große Übereinstimmung feststellen, und das ist auch gut so.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir Linken begrüßen insbesondere die Analyse, die sich die SPD in ihrem Antrag zu eigen gemacht hat. Ich möchte kurz zitieren:
Die Ursachen der Krise liegen in weltweit liberalisierter Regulierung und Aufsicht als Ergebnis einer marktradikalen Ideologie, bei der es nur um die Maximierung von Profit, Kapitalrenditen und höchstmögliche Boni ging und die die ursprünglich dienende Funktion von Finanzmärkten und deren Funktionen für das Gemeinwohl oft vollständig ignorierte.
(Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie jetzt eine Vorlesung?)
Sehr wohl, das ist das, was Die Linke hier in den letzten Jahren immer gesagt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir sind froh, dass sich bei der SPD diese Erkenntnis jetzt auch durchgesetzt hat,
(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Wenn auch erst in der Opposition!)
und wir hoffen, dass die Politik jetzt auch entsprechend ausfallen wird, wenn auch erst in der Opposition.
In unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung zu Folgendem auf. Erstens: Die Bundesregierung soll sich in internationalen Organisationen wie UNO und Internationalem Währungsfonds, in einzelnen Staatengruppen wie G 20 und OECD und in der Europäischen Union nachdrücklich für die Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzen.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): In der UNO? - Zuruf von der FDP: NATO!)
Zweitens: Über den Fortgang dieser Verhandlungen soll die Bundesregierung das Parlament und die Öffentlichkeit regelmäßig informieren.
Drittens: Während diese Verhandlungen laufen, soll die Bundesregierung parallel einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland vorlegen.
(Frank Schäffler (FDP): Eine Arbeitsplatzvernichtungssteuer!)
Wenn die Verhandlungen sich dann in die Länge ziehen, sollen wir gemeinsam, Bundesregierung und Bundestag, unsere Glaubwürdigkeit dadurch unter Beweis stellen, dass die Finanztransaktionssteuer mit einem niedrigeren Steuersatz im Alleingang bereits eingeführt wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wissen, es kommen immer wieder zahlreiche Gegenargumente; auf zwei davon will ich eingehen: Erstens wird vorgebracht, eine solche Steuer treffe Unschuldige und die kleinen Leute. Wenn man sich das in unserem Antrag genau ansieht, so ist zu erkennen, dass wir davon ausgehen, dass bei einem nationalen Alleingang ein Steuersatz von 0,01 Prozent umgesetzt wird. Im Maximum ist ein Steuersatz von 0,1 Prozent in der Diskussion.
Das bedeutete, dass Sparerinnen und Sparer, die ein Depot mit Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren von zum Beispiel 10 000 Euro anlegen, einmalig mit einem Euro bzw. im Höchstfall mit zehn Euro belastet würden. Bei 100 000 Euro wären es zehn Euro oder 100 Euro. Wenn man das mit den Bankgebühren für solche Depots vergleicht, die in der Größenordnung von 1 000 bis 2 000 Euro bei 100 000 Euro liegen ‑ ‑
(Frank Schäffler (FDP): Die Rechnung müssen Sie mir mal zeigen!)
‑ Das ist doch ganz einfach. Das sind 1 bis 2 Prozent des Volumens, und das ist das, was an Bankgebühr verlangt wird.
(Frank Schäffler (FDP): Und wenn jemand regelmäßig spart?)
‑ Nein, das ist einmalig; beim Erwerb wird dies fällig, und unabhängig davon, ob ich jeden Monat 100 Euro spare oder einmal 10 000 Euro, ergibt die Summe mathematisch immer das Gleiche, Herr Kollege.
Zweitens wird immer wieder gesagt, das gehe nur global. Das war sicherlich früher ein weit verbreitetes Gegenargument. Heute ist es aus unserer Sicht nur noch eine ignorante Schutzbehauptung, denn es gibt inzwischen viele Untersuchungen, die die Einführung auf EU-Ebene für machbar und für funktional halten.
(Beifall bei der LINKEN)
Hinzu kommt, dass sich weltweit Regierungen positiv zur Finanztransaktionssteuer äußern, gerade auch von Ländern mit großen Finanzzentren, zum Beispiel Großbritannien. Ich appelliere daher an alle in diesem Haus, insbesondere an diejenigen, die immer wieder sagen, wir brauchten eine weltweite Finanztransaktionssteuer ‑ ich wende mich also insbesondere an die Kollegen in der CDU ‑, die gegenwärtige Gunst der Stunde zu nutzen, dass der Premierminister Großbritanniens, Gordon Brown, sich im Augenblick so weit hervorgewagt hat.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Da möchte ich gern einmal den Prüfbericht sehen!)
Wir halten es für sinnvoll, auch ins deutsche Parlament einen entsprechenden Vorratsbeschluss einzubringen, wie ihn das belgische und das französische Parlament gefasst haben. Nur zur Information: Das belgische Parlament hat am 1. Juli 2004 ein Gesetz beschlossen, in dem sich Belgien mit einem Vorratsbeschluss selbst verpflichtet, eine Tobinsteuer einzuführen, sobald die EU einen entsprechenden Beschluss fasst.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Eine Tobinsteuer, das ist wieder etwas anderes!)
Die französische Nationalversammlung hat das Gleiche bereits im Herbst 2001 gemacht. Beide Staaten ‑ das war die damalige Diskussion ‑ haben jetzt schon entweder eine Besteuerung auch von Börsenumsätzen wie in Belgien oder aber wie in Frankreich einen Präsidenten Sarkozy, der sich ganz eindeutig für die Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzt.
(Frank Schäffler (FDP): Klar, so pleite wie der ist! ‑ Heiterkeit bei der FDP)
Die G 20 haben in Pittsburgh den Internationalen Währungsfonds beauftragt, nach Möglichkeiten zu suchen, wie der Finanzsektor stärker zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden kann. Das ist aus unserer Sicht eine etwas salomonische Umschreibung der Tatsache, dass geprüft werden soll, ob eine Einführung einer solchen Finanztransaktionssteuer möglich ist und wie sie entsprechend umgesetzt werden könnte. Wir glauben, dass die gegenwärtige Situation dafür reif ist, eine solche Steuer wirklich national und international einzuführen.
(Beifall bei der LINKEN)
Bitte denken Sie daran: Es geht nicht darum, der SPD, der Linken oder den Grünen einen Gefallen zu tun. Es geht um sinnvolle Regulierung. Es geht um dringend benötigte Staatseinnahmen. Es geht um nachholende Gerechtigkeit, nämlich die Beteiligung der bisherigen Profiteure des Finanzmarktkapitalismus an den Kosten der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1930.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn Sie sich für eine solche Finanztransaktionsteuer entscheiden, tun Sie uns allen einen Gefallen, denn unsere traurigen Staatsfinanzen können Einnahmen gut gebrauchen. Wir gehen davon aus, dass selbst bei einem minimalen Steuersatz von 0,01 Prozent ‑ ich sage es noch einmal ‑ insgesamt jährliche Mehreinnahmen in der Größenordnung von 15 bis 18 Milliarden Euro entstehen.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Was ist mit der Lenkungswirkung?)
Dabei ist zum Teil ein Rückgang bis zu 80 Prozent, zum Beispiel im Bereich der Derivate, unterstellt. Das ist auch gut so, denn es geht eben nicht nur um die Einnahmen, sondern auch um eine Entschleunigung.
(Beifall bei der LINKEN)
Es darf bei diesen Einnahmen aus unserer Sicht nicht nur um die Bedürfnisse des Inlandes gehen. Wir schlagen deswegen vor, die Mehreinnahmen zur Hälfte für den sozial-ökologischen Umbau zu verwenden und die andere Hälfte für Umwelt- und Klimaschutz sowie für die Finanzierung von Entwicklung und Armutsbekämpfung in Ländern des Südens.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb unser dringender Appell: Werden Sie Ihrer Verantwortung in dieser besonderen Konstellation gerecht und nutzen Sie die Chance, einen internationalen Prozess nicht nur anzustoßen, sondern ihn auch mitzugestalten. Denken Sie bitte auch daran, dass sich über 65 000 Bürgerinnen und Bürger in einer Petition für die Einsetzung der Finanztransaktionsteuer ausgesprochen haben,
(Frank Schäffler (FDP): Das sind Ihre Parteimitglieder!)
dass viele gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen, Hilfswerke, Nichtregierungsorganisationen und auch Attac die Bundesregierung in einem offenen Brief aufgefordert haben, entsprechende Aktivitäten zu entwickeln.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wenn man sich mit Vertretern der Finanzbranche ein bisschen unterhält, dann weiß man auch, dass diese mit der Einführung einer solchen Steuer durchaus rechnen. Ich habe vor zwei Tagen ein Gespräch mit einer Vertreterin der Deutschen Börse geführt, die schon davon ausgeht, dass diese Diskussion ganz konkret auf sie zukommt.
Viele von uns waren gestern beim parlamentarischen Abend des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, wo Herr Haasis genau diese Frage angesprochen und deutlich gemacht hat: Wenn man Maßnahmen ergreift, um die Finanzwirtschaft an diesen Kosten zu beteiligen ‑ ‑
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Genaues Zitat: Das wäre der geringste von den negativen Punkten!)
‑ Herr Dautzenberg, Sie sagen immer wieder, Sie wollen im Prinzip die Finanzindustrie an den Kosten beteiligen.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Richtig!)
Wenn die Einführung dieser Steuer die geringste der schlimmen Maßnahmen ist, dann lassen Sie uns diese doch ergreifen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Aber differenzierter!)
Die Alternative ist, dass Sie gar nichts machen. Das ist doch der Punkt.
Deswegen der dringende Appell an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Befreien Sie sich endlich von dem Blockadegriff der FDP, die jede Art von Maßnahme auf diesem Gebiet verhindern will. Es kann auf Dauer nicht sein, dass der Schwanz, in diesem Fall die FDP, mit dem Hund ‑ das ist der Rest des Parlaments ‑ wackelt und sagt: Wir wollen die Einführung einer solchen Steuer nicht. Angesichts der letzten Umfrage würde ich sagen: Der Schwanz ist inzwischen ein kleiner Stummelschwanz geworden.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
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