Ökosteuer: Der naive Glauben an die ökologisch geläuterte Preissteuerung

Von Rudolf Hickel

05.04.2010

Der Bundespräsident hat Recht: Wirtschaft und Gesellschaft müssen spürbar auf den ökologischen Umbau ausgerichtet werden. Die brutale Ausbeutung der Natur durch die Wirtschaft, nicht nur die Unternehmen, sondern auch die privaten Haus­halte, hat die Natur schon lange aus dem Gleichgewicht gebracht. Deutschland sollte im internationalen Kampf gegen die Klimakatastrophe eine Vorreiterrolle übernehmen. Im Gegensatz zu dieser Politik der Nachhaltigkeit für künftige Generationen spielt die Umweltpolitik in der schwarz-gelben Regierung kaum noch eine Rolle, ja sie wird massiv durch die Pflege profitwirtschaftlicher Interessen verdrängt. Massive Umweltschädigung wird als Preis des Wirtschaftswachstums programmiert. Auch mit seiner indirekten Kritik an der ökologisch inkonsequenten Politik der Bundesregierung verdient der Horst Köhler Respekt.

Angesichts des Ausmaßes der Umweltkatastrophe geht es jedoch um den Einsatz von Instrumenten, die auch schnell, effizient und nachhaltig grünes Wirtschaften erzwingen. Dabei erweist sich jedoch der durch den Bundespräsidenten vor­geschlagene Klassiker Ökosteuer auf den Benzinverbrauch als untauglich. An dieser Aussage ändert auch nicht viel die breite Zustimmung der Umweltverbände, vor allem der Gralshüter der Ökosteuer. Immerhin gibt es mittlerweile innerhalb der GRÜNEN gut begründete Kritik. Als der kluge Marktorthodoxe Arthur Cecil Pigou in seinem Hauptwerk „The Economics of Welfare“ 1920 die Ökosteuer präsentierte, da ging er von einem gut funktionierenden wettbewerblichen Preisbildungsmodell aus. Ohne Monopolmacht ergibt sich der markträumende Preis aus Angebot und Nachfrage. Hier setzt die Ökosteuer an. Die gesellschaftlichen Folgekosten der privaten Nutzung des Pkw werden beim Fahrer durch einen ökologischen Aufschlag auf den Normalpreis internalisiert. Damit verbindet sich die Hoffnung, diese politisch gewollte Preiserhöhung führe zur Reduktion des Spritverbrauchs. Diese Unterstellung eines funktionierenden Wettbewerbs steht jedoch im Widerspruch zu den heutigen Wettbewerbsbedingungen. Die Ölmärkte sind zum einen durch monopolistische Preisbildung – nicht nur der Ölscheichs – bestimmt. Zum anderen ist Öl auf den internationalen Rohstoffmärkten Gegenstand von Spekulationen per Warentermingeschäfte. Um die spekulativen Preissprünge zu dämpfen, hat die Auf­sichtsbehörde in den USA jetzt eine Obergrenze des Handels für Spekulanten fest­gelegt. Es dürfen 98 Millionen Fass nicht mehr auf einmal gehandelt werden. Der Bundespräsident sowie alle Befürworter der eigentlich faszinierenden Idee einer Ökosteuer müssten darauf drängen, dass vor deren Einführung einigermaßen akzeptable Wettbewerbsverhältnisse und damit eine Preisbildungsverhältnisse in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage erst einmal hergestellt werden. Warum kritisiert der Bundespräsident nicht diese hoch spekulative, monopolistische Preis­bildung? Bei diesem Schwur auf die Ökosteuer in der Umweltbewegung ist viel marktwirtschaftliche Naivität, ja Ideologie im Spiel. Wenn schon gesteuert werden soll, dann bitte nur über Marktanreize, deren Früchte die Ölmultis gerne ab­kassieren. Damit ist klar, eine Erhöhung der Ökosteuer löst kaum eine Lenkungs­wirkung, nämlich den Rückgang des Einsatzes von Benzin, aus.

Studien zur stufenweisen Erhöhung der Ökosteuer belegen, dass auf die steigenden Preise kaum mit der Einschränkung von Nachfrage nach Benzin reagiert worden ist. Sicherlich, die ökologisch begründete Verteuerung von Benzinpreisen in Deutsch­land ist so gering ausfallen, dass die Lenkungswirkung nicht zustande kam und am Ende nur eine allerdings ergiebige Einnahmequelle für den Bundeshaushalt ge­schaffen worden ist. Schließlich begründet die in Deutschland politisch durch­gesetzte Verwendung dieser Einnahmen aus der Ökosteuer deren mangelnde Umweltwirksamkeit. Es geht um die Verwendung der Einnahmen nicht zur Stärkung des ökologischen Ziels durch Infrastrukturmaßnahmen zum Umstieg aus der Pkw-Nutzung, sondern zur Senkung der Lohnnebenkosten. Weder die umweltpolitischen Ziele noch die Stärkung der Beschäftigung sind mit der Strategie der GRÜNEN „Rasen für die Rente“ erreicht worden. Die kurzsichtige, marktgläubige Phobie gegenüber staatlichem Handeln hat dominiert: Wenn Mehreinnahmen, dann aber bitte nicht Ausgaben für die staatliche Flankierung der ökologischen Wende aus­geben. Dafür mussten vor allem die Pendler die Zeche bezahlen. Der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrssystems als Voraussetzung für den Ausstieg aus dem Pkw ist nicht finanziert worden. Ja, die Bundesbahn hat in dünn besiedelten Regionen das Angebot noch eingeschränkt. Nach diesen Erfahrungen erweisen sich weitere Runden der Ökosteuererhöhung in der Tat als ein „Schlag ins Gesicht der Pendler“. Sie müssen an anderer Stelle wichtige Konsumausgaben einschränken.

Eine auf Wirksamkeit ausgerichtete Umweltpolitik darf nicht auf die höchst un­sicheren, ja zweifelhaften Wirkungen der Ökosteuer setzen und am Ende den monopolitischen Anbietern und Spekulanten Extraprofite sichern. Vielmehr muss die Strategie „Weg vom Öl“ durchgesetzt werden. Dazu gehört die Forcierung von spritarmen Automobilen und schließlich einer Mobilität ohne Sprit, also mit alter­nativen Antriebstechnologien. Dazu gehört auch den Umstieg aus dem Pkw vor allem für die Pendler durch Investitionen in das alternative Verkehrssystem zu ver­bessern. Statt höchst unsicherer Preissignale müssen alternative Energien zum Ein­satz kommen und die Energieeffizienz massiv erhöht werden.

Bundespräsident Köhler wollte mit seinem Vorschlag sicherlich auch einen Akzent gegen die kursierenden Steuersenkungspläne der Bundesregierung setzen. Dies ver­dient Anerkennung. Jedoch eignet sich, wie gezeigt, die Ökosteuer nicht. Warum fordert der Bundespräsident nicht zur gerechteren Lastverteilung bei der Finanzierung öffentlicher Haushalte auf? Die Stichworte sind: Reform der Ein­kommensteuer, Wiedereinführung einer verträglichen Vermögensteuer, Abbau von ökonomisch nicht begründbaren Steuersubventionen.