Rotstift für Förde, Watt und Schlei
Schleswig-Holstein: Schwarz-gelber Vorreiter einer perspektivlosen Sparpolitik
"Schleswig-Holstein ist auf dem Weg – Handlungsfähigkeit erhalten – Zukunftschancen ermöglichen" So betitelt die schwarz-gelbe "HaushaltsStrukturKommission" ihre "Empfehlungen zur Konsolidierung der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein". Im Klartext: "Es ist das erste Mal in der Geschichte unseres Landes, dass eine Regierung so tiefgreifende Einschnitte plant", rühmt sich Ministerpräsident Carstensen seiner bundesweiten Vorreiterrolle.
Tatsächlich besteht die "Konsolidierung" aus Streichungen, Kürzungen, Begrenzungen und Übertragungen. Die Klärung der Zukunftschancen hat die schwarz-gelbe Kürzungskommission völlig aus dem Auge verloren. Es regiert in historisch einmaliger Härte der Rotstift:
"Die regelmäßigen Steuereinnahmen werden zunächst jährlich um 2,5% gesteigert." Wie das gewährleistet sein soll, bleibt zweifelhaft. Schon die Prognosen für 2010 musste die Landesregierung korrigieren: "Die Ausgangsbasis der Steuereinnahmen 2010 wird für die Berechnung der künftigen regelmäßigen Steuereinnahmen wegen der erfolgten Steuerrechtsänderungen um rund 400 Millionen Euro abgesenkt." "Das strukturelle Defizit Ende 2010 wird vorläufig auf 1,25 Milliarden Euro festgelegt. Dieser maximal zulässige strukturelle Fehlbetrag wird planmäßig auf 1,0 Milliarden Euro in 2012 reduziert." Das Budget für Zuwendungen wird von rund 3,4 Mrd. Euro in 2010 auf rund 3,1 Mrd. Euro in 2012 abgesenkt. Rund 300 Mio. Euro werden damit an staatlicher Förderung aus dem gesellschaftlichen Raum abgezogen. Die Frage nach der Lebensqualität und den unverzichtbaren öffentlichen Leistungen für die BürgerInnen wird nicht mehr gestellt und konsequent wird auch die Frage nach einer angemessenen Finanzausstattung verdrängt. "Im Budget für Personal und Verwaltung ist berücksichtigt, dass bis 2020 etwa 10% (5.300) der derzeitigen Personalstellen reduziert werden. Der Stellenabbau ist aufgrund des demographischen Wandels sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen gestaltbar. Trotzdem wird das Budget für Personal und Verwaltung aufgrund steigender Tarife und Beihilfeaufwendungen sowie der wachsenden Zahl von Versorgungsempfängern nicht abgesenkt werden können. Hier gilt es, den Anstieg deutlich zu begrenzen." (aus: "Empfehlungen") So werden die Altersgrenze für den Bezug von Ministerpensionen vom 55. auf das 62. Lebensjahr steigen, Zuschüsse für die Fraktionen sinken und künftige Staatssekretäre, Rechnungshofpräsidenten und Landtagsdirektoren weniger verdienen. Polizisten müssen bis 62 (statt 60) arbeiten.Auf diesem Wege 5.300 Stellen abzubauen, wird noch heftige Auseinandersetzungen nach sich ziehen: Nicht nur, dass die Betroffenen selbst sich nicht kostenlos abspeisen lassen, das Ausdünnen des öffentlichen Bereiches trägt zu einer weiteren Erhöhung der Arbeitsbelastung der Beschäftigten und zu einer Verschlechterung der Grundversorgung der Bevölkerung bei.
"Das Budget für Zuweisungen wird reduziert. Das Land wird sich konsequent von Aufgaben trennen oder sie an die Kommunen oder Dritte übertragen. Investitionen kommen genauso auf den Prüfstand, wie die Ko-Finanzierungen von Bundes- und EU-Programmen." Konkret bedeutet dies: Die Zuwendungen an die verschiedensten Empfänger werden um rund 300 Mio. Euro gesenkt, darunter:
Das gerade erst eingeführte dritte beitragsfreie Kita-Jahr wird gestrichen. Das spart 35 Mio. Euro. Für den Kita-Betrieb gibt es aber einen Zuschlag von 10 auf 70 Mio. Euro. Für viele Eltern werden Kitas zu einem Luxusgut, das sie sich für ihre Kinder aus finanziellen Gründen nicht mehr leisten können. Die Uni Flensburg soll Studiengänge (Lehrerausbildung) verlieren. Das Schleswig-Holstein Musik Festival bekommt weniger Zuschüsse, die JazzBaltica wohl gar keine mehr. Alle kulturellen Einrichtungen werden keine weiteren Zuschüsse erhalten. Von einer gesteuerten Kulturpolitik kann keine Rede mehr sein. Kosten für die Schülerbeförderung übernimmt das Land nicht mehr und spart so sieben Millionen Euro. Sozial schwache Familien sind in einem Flächenland auf die finanzielle Unterstützung besonders angewiesen, sie sind wieder einmal die von der Streichung besonders Betroffenen. Das Universitätsklinikum in Kiel und Lübeck soll privatisiert und das Medizinstudium in Lübeck beendet werden. Dagegen haben Beschäftigte des Uniklinikums Schleswig-Holstein in Kiel und Lübeck protestiert. Sie fürchten Personalabbau, Gehaltseinbußen und werfen der Koalition Wortbruch vor. Sie haben schon länger durch Lohnverzicht eine angedrohte Privatisierung hinausschieben können. Die Koalition meint einen Investitionsstau von knapp einer Milliarde Euro beim mit rund 11.000 MitarbeiterInnen größten Arbeitgeber im Norden durch private Kapitaleigner auflösen zu können. Dass die Landesregierung damit den Anspruch auf Steuerung im Bereich der Gesundheitspolitik preisgibt, werden die Beschäftigten und die PatientInnen auszubaden haben. Landeseigene Häfen sollen kommunalisiert oder privatisiert werden. Die Bewohner in der Nähe von Nord- und Ostsee sollen eine Abgabe für den Küstenschutz zahlen. Das Landeskulturzentrum Salzau will man verkaufen. Die einzelbetriebliche Förderung wird weitgehend eingestellt. Die für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehenden Mittel werden vorrangig auf Infrastrukturmaßnahmen konzentriert. Allerdings wird das zentrale Wirtschaftsförderprogramm des Landes nicht von Einsparungen ausgenommen.Die Verantwortlichen dieses Sparkonzeptes verweisen mit Recht auf die Tatsache, dass "die realen Vermögenswerte des Landes von den Vorgängerregierungen zu Geld gemacht (wurden)". Ein Verkauf des berühmten Tafelsilbers ist ausgeschlossen. Richtig ist, dass "die wirtschaftliche Infrastruktur Schleswig-Holsteins mit der Entwicklung der anderen Bundesländer in den letzten 20 Jahren nicht Schritt gehalten (hat)." Das Land war vor der Kürzungsoffensive strukturschwach und mit der gegenwärtigen politischen Konzeption wird dieser Zustand verfestigt.
Angesichts solcher Ausgangslagen ausschließlich auf Streichungen, Kürzungen, Begrenzungen und Übertragungen zu setzen, lediglich die innovativen medizintechnischen Projekte von den Streichorgien auszunehmen, verdeutlicht die Perspektivlosigkeit dieser Regierung. Mit dem in der letzten Woche gefassten Beschluss von CDU und FDP und der Oppositionsfraktionen SPD, Grüne und SSW, die Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben, wurde das Tor für ein brutales Kürzungsprogramm nach griechischem Vorbild aufgemacht.
Im Ergebnis dieser Kürzungspolitik wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes weiter geschwächt und die Lebensverhältnisse für die BürgerInnen verschlechtert. Aus einer so tiefen Krise kommt man nicht durch rigoroses Sparen heraus. Eine Regierung müsste sich auf Bundesebene für eine gerechtere Steuerpolitik einsetzen. Beispielsweise würde die Aufhebung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes oder die Wiedererhebung der Vermögenssteuer die finanziellen Spielräume deutlich erweitern.
Eine Alternative besteht ferner darin, für Schleswig-Holstein eine moderne Dienstleistungsökonomie auf den Weg zu bringen. Denn auch künftig wird der Beitrag der Industrie zum regionalen Wirtschaftsprodukt die gesetzten Grenzen nicht überschreiten können. Maßstab einer zukunftsorientierten Politik sind daher die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Bekämpfung der sozialen Spaltung.
Wer einen Politikwechsel will, wird sich für einen wirtschaftlichen Strukturwandel und ein Landesprogramm gegen Armut einsetzen müssen. In diesem Zusammenhang sind Mindestlohn und armutsfeste Transfers- und Alterseinkommen zentrale Schritte, um eine Restrukturierung der bundesdeutschen und europäischen Ökonomie einzuleiten.
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