Diese Energiewende ist nicht sozial – Energiearmut weitet sich aus
Von Wolfgang Lieb, Nachdenkseiten
Die Energiepreise steigen und steigen. In der Folge breitet sich auch in Deutschland allmählich das Phänomen der Energiearmut aus. Für die deutsche Politik, zumal die Bundesregierung, ist das aber kein Thema, mit dem sie sich öffentlich auseinandersetzen möchte. Dann müsste sie nämlich ihre soziale Verantwortung für diese Tendenzen einräumen und auch die Schattenseiten ihrer Energiewende beleuchten, von der sie sich doch so ein positives grünes Image verspricht.
Was in Fachkreisen schon eine Weile wahrgenommen wird, kann man inzwischen fast täglich in der Presse lesen. So wurden in den letzten Wochen mehrfach neue Rekorde bei den Spritpreisen vermeldet. Teures Benzin trifft alle Autofahrer, also einen großen Teil unserer Bevölkerung, besonders aber Berufspendler, und dies unabhängig von ihrer Einkommenssituation. Von noch existenziellerer Bedeutung ist die Stromversorgung. Sogar ein Guido Westerwelle wies schon darauf hin, dass der Strompreis in seiner sozialen Bedeutung so etwas wie den „Brotpreis des 21. Jahrhunderts“ darstellt – ohne allerdings dementsprechende Schlussfolgerungen für die Energiepolitik seiner Bundesregierung zu ziehen. Unterdessen wird auch Strom immer teurer, für immer mehr zu teuer. „Wenn der Strom zu teuer wird“ lautete ein Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 23.2.2012. Danach können fast 800.000 Verbraucher ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Infolgedessen drehen ihnen die Versorger zumindest zeitweise den Saft ab. Eine Meldung aus Griechenland? Keineswegs. Sondern aus dem angeblichen „Wirtschaftswunderland“ Deutschland. Zweifellos ein weiteres Zeichen für die sich ausbreitende Armut in Teilen unserer Gesellschaft. Aber ebenso ein Zeichen für den Schub bei den Energiepreisen und fehlende energiepolitische Gegensteuerung.
In den letzten beiden Jahren gab es beim Strom Preissteigerungen von rd. 15%, weit über der allgemeinen Inflationsrate. Diese Tendenz setzt sich fort. Im Januar berichtete der SPIEGEL mit Blick auf das neue Jahr 2012: „Strom wird für zehn Millionen Deutsche teurer“, nachdem knapp 200 Versorger hierzulande für das Frühjahr weitere Strompreiserhöhungen im Schnitt von 3,3 % angekündigt haben. Beim Gas sollen es sogar 7,3% sein. Der STERN hat unter Berufung auf Verbraucherportale für einen 4-Personen-Haushalt jährliche Mehrkosten von bis zu 110 Euro errechnet. Weil sich auch das Heizöl stark verteuert hat (2011 plus 35%) und einkommensschwache Haushalte inzwischen bis zu 40% ihres Einkommens nur für Miete und Heizkosten aufwenden müssen, hat der Deutsche Mieterbund Ende 2011 öffentlich vor „Energie-Armut“ in Deutschland gewarnt. „Heizen wird zum Luxus“, erkannte daraufhin die BILD-Zeitung. Die recht milde Witterung 2011 und auch noch im Januar 2012, vor einigen eisigen Februarwochen, hat die Heizkostenproblematik zunächst begrenzt. Doch das wird kaum so bleiben. Im Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen etwa ist vor diesem Hintergrund mittlerweile ein Arbeitskreis „Energiearmut“ etabliert worden.
Politische Antworten auf Bundesebene stehen bislang aus. Die Bundesregierung erachtet seit 2010 nicht einmal mehr Heizkostenzuschüsse für Wohngeldempfänger für nötig. Dabei hat das Bundeswirtschaftsministerium im Februar 2012 in einer Broschüre zur Energiewende in Deutschland Zahlen veröffentlicht, die bestätigen, dass der Anteil der Energiekosten am durchschnittlichen Nettoeinkommen – gemessen an der relativen Belastung eines 4-Personen-Musterhaushalts – seit 1990 noch nie so hoch wie 2011.
Maßgeblich dafür sind die gestiegenen Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise. Aus den BMWi-Zahlen geht auch hervor, dass die volkswirtschaftliche Kostenbelastung für die Bereitstellung der Primärenergie 2011 mit ca. 124 Mrd. Euro einen neuen Höchststand erreicht hat, der selbst den bisherigen Rekordwert des Jahres 2008 übertrifft. Zu erwarten wäre eigentlich eine breite und heftige öffentliche Debatte wie man die Energiepreise besser in den Griff bekommen und ihre sozialen Folgen abfedern kann. Nicht so in Deutschland. Hier hat sich nicht nur die Bundesregierung eine „Energiewende“ auf die Fahne geschrieben, bei der soziale Aspekte anscheinend nur störende Nebengeräusche sind und ausgeblendet werden. Außerdem will man sich als Exportweltmeister nicht beschweren, wenn in bestimmten Bereichen auch einmal die Importrechnung explodiert.
Mitverantwortung der Politik für die steigenden Energiepreise.
Die öffentliche und veröffentlichte Meinung macht für steigende Energiepreise seit je weniger die Politik als wahlweise die bösen „Energiekonzerne“, die „Ölscheichs“ oder die anonymen „globalen Energiemärkte“ verantwortlich, mitunter sicher zu Recht. Doch gibt es nicht seit Jahrzehnten eine Energiepolitik, die unter anderem eben solchen Herausforderungen begegnen und auf für alle bezahlbare Energiepreise hinwirken soll? Lange Zeit hat sie das mit gewissem Erfolg auch getan. Doch in den letzten Jahren sind in der deutschen Energiepolitik die Ziele der Preisgünstigkeit und auch der Sicherheit der Energieversorgung in den Hintergrund getreten, umwelt- und klimapolitische Ziele sind in den Vordergrund gerückt. Dadurch hat die Energiepolitik den Marktpreisentwicklungen weniger entgegengewirkt, sie ist z.T. selbst ein Preistreiber geworden. Die im Strompreis enthaltenen Steuern, Abgaben und Umlagen haben sich seit 1998 um rd. 180% erhöht, dies bei einer nominal um 47% (real etwa 20%) höheren Stromrechnung. Dadurch erreicht der durchschnittliche Staatsanteil an der Stromrechnung privater Haushalte, der 1998 noch bei rd. 25% lag und dann bis 2002 und ebenso 2005 auf 40% gestiegen ist, 2011 nun schon 45% (Angaben des Bundesverbandes der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft). Für die im Strompreis abgedeckten staatlichen Regelungen (Stromsteuer, EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien, KWK-Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, Aufschläge für Konzessionsabgaben, eingepreist werden zudem die staatlich regulierten Netzentgelte, die Kosten für Emissionszertifikate und die Brennelementsteuer, obendrauf kommt noch die Mehrwertsteuer) hat es gewiss gute energie- und umweltpolitische Gründe gegeben. Doch es wird immer problematisch, wenn die Politik zu einseitig bestimmte Zielsetzungen verfolgt und nicht mehr auf die soziale Balance achtet. Mit der Energiewende der schwarz-gelben Bundesregierung hat sich diese unsoziale Tendenz erheblich beschleunigt. Die Folgen werden nun allmählich sichtbar. Und es ist Zeit, auch die Ursachen zu benennen.
Man kann, wie der Autor dieser Zeilen, die Zielrichtung der Energiewende (Ausbau der erneuerbaren Energien, Steigerung der Energieeffizienz, Atomausstieg, neue saubere und klimafreundlichere Energietechnologien etc.) in großen Teilen gutheißen. Jedoch erscheint der eingeschlagene Weg dorthin kritikwürdig, die soziale Schlagseite ist unübersehbar. Zum einen ist die Energiewende selbst mit beträchtlichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Oder, wie die Bundesregierung selbst sagt, es gibt sie nicht zum „Nulltarif“, sie werde sich aber langfristig auszahlen und stelle insofern eine Investition in die Zukunft dar. Doch das ist noch Zukunftsmusik, diese Investition muss vorfinanziert werden. Schon von daher stellt sich die Frage nach einer sozial gerechten Lastenverteilung, zumal die Bundesregierung selbst von einer „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ oder einem „Gemeinschaftswerk“ (Ethik-Kommission) spricht. Zum anderen tut die deutsche Energiepolitik im Zuge der Energiewende wenig, um den steigenden internationalen Marktpreisen für Energie entgegenzuwirken bzw. diese sozial abzufedern. Beides wäre ihre Aufgabe, denn sie hat sich mit ihrem Energiekonzept von 2010 und der Beschleunigung der Energiewende nach Fukushima 2011 selber auf die Fahnen geschrieben, unser Energiesystem nach politischen Vorgaben und Planzielen umzubauen. Wie das mit den vermeintlich marktwirtschaftlichen Grundsätzen der Koalitionsparteien vereinbar sein soll, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Aber zu ihrer energiepolitischen Aufgabe gehört auch die Gewährleistung der Sozialverträglichkeit.
Rein deklaratorisch werden bezahlbare Energiepreise auch von der Bundesregierung als Ziel stets genannt. In einem Überblick zum Energiekonzept vom Januar 2012 auf „Regierung online“ wird versichert, dass mit dem Energiekonzept nicht nur „die Klimaschutzziele konsequent in die Tat umgesetzt“ würden. Es werde auch „sichergestellt, dass sich der Wohlstand weiter entwickeln kann und unsere soziale Sicherheit erhalten bleibt, Arbeitsplätze langfristig gesichert werden und Energie in Deutschland zuverlässig und bezahlbar bleibt – für den Einzelnen wie auch für Unternehmen“. An diesen vollmundigen Versprechungen darf man die Bundesregierung nunmehr messen. Insbesondere das Versprechen der Bezahlbarkeit hat sich für manche ärmere Haushalte bereits als Hohn erwiesen (siehe oben). Ähnliches gilt für manches energieintensive Unternehmen und dessen Beschäftigten, deren Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit keineswegs nur Industriepropaganda sind. Und auch die Zuverlässigkeit der Stromversorgung stand in den letzten Monaten in Teilen unseres Landes mehrfach auf des Messers Schneide, eine möglicherweise noch gravierendere Bedrohung für die Daseinsvorsorge aller Bürger.
Was Kosten, Lasten und soziale Aspekte betrifft, enthält das Energiekonzept der Bundesregierung keinerlei Zielvorgaben. Konkret und quantifiziert vorgegeben sind nur sehr ambitionierte und langfristig angelegte klima- und umweltpolitische Zielsetzungen: CO2-Verringerung gegenüber 1990 um mindestens 80% bis 2050 und schon um 40% bis 2020 (bisher erreicht 24% ), Verminderung des Energieverbrauchs ab 2008 um 50% bis 2050 und schon um 20% bis 2020 (bisher erreicht 1%), Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung (derzeit 20%) auf 80% bis 2050 und schon auf 35% in 2020 etc. Derartige Ziele glaubt oder behauptet die Politik fest ansteuern zu können, und sie hat das Tempo dazu im Vorjahr beschleunigt. Für die Preis- und Kostenbelastung der Bürgern gibt es vergleichbare Zielsetzungen nicht (ebenso wenig wie es diese in anderen Politikbereichen gibt – warum werden z.B. quantifizierte CO2-Minderungsziele gesetzt, niemals aber quantifizierte Minderungsziele für Armut und Arbeitslosigkeit?). Es gibt in der deutschen Energiepolitik auch keine sozialen Ausgleichsmaßnahmen für Energieverbraucher, ebenso wenig gibt es in der deutschen Sozialpolitik ausgleichende Maßnahmen für steigende Energiepreise.
Exemplarisch dafür ist der Umgang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das EEG hat maßgeblich die Expansion der erneuerbaren Energien in der deutschen Stromerzeugung auf einen Anteil von nun fast 20% bewirkt und war für die Anschubphase sehr nützlich, was von der deutschen Politik parteiübergreifend gefeiert wird. Doch das EEG hat die zunehmenden Kosten dieser Förderpolitik allen Stromverbrauchern ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgebürdet, denn die Verbraucher haben über eine Umlage auf den Strompreis (deren Anteil seit 2000 von 1,5% auf 15% gestiegen ist) die sog. Differenzkosten bzw. das Subventionsäquivalent zu finanzieren. Dieses erreicht in der Summe inzwischen rd. 13 Mrd. Euro (zum Vergleich: 2005 waren es noch 3 Mrd. Euro). Ein hochgradig regressiver Ansatz, der eigentlich allen auf sozialen Ausgleich bedachten Politikern die Haare zu Berge stehen lassen müsste. Für den Bundesumweltminister (und CDU-Landesvorsitzenden in NRW) Norbert Röttgen kein für ihn relevantes Thema, wie sein SPIEGEL-Interview vom 5.3.2012 zeigt. Frage des SPIEGEL: „Sie glauben, auch die Hartz IV-Familie sei gerne dazu bereit, 120 Euro im Jahr in den Ausbau der Energieversorgung unseres Landes zu investieren?“ Antwort Röttgen: „ Das weiß ich nicht. Stromkosten für Hartz IV-Empfänger sind aber ein völlig anderes Thema, das nicht in diesen Zusammenhang gehört. Das EEG ist kein Instrument der Sozialpolitik.“
Die Tendenz der steigenden EEG-Umlage und damit über den Strompreis finanzierter Subventionen wird sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren noch fortsetzen, schon bald sind Differenzkosten von 20 Mrd. Euro zu erwarten. Nach den auf recht optimistischen basierenden Annahmen Szenarioprognosen des BMU erfordert der Ausbau der erneuerbaren Energien über das EEG strompreisgestützte Subventionen bis mindestens 2027, also noch 15 Jahre und mehr. Der Rückgang des Subventionsbedarfs für die erneuerbaren Energien resultiert dann aber nicht in sinkenden Strompreisen, sondern nur aus einer sich verringernden Differenz zwischen den Kosten für regenerativen Strom zu den steigenden Kosten konventioneller Stromerzeugung.
Der Löwenanteil der über das EEG von den Stromverbrauchern zwangsweise gewährten Subventionen entfällt mittlerweile auf den Solarstrom (2011 fast 7,5 Mrd. Euro), der in unseren Breitengraden teuersten, energetisch nur an besonders sonnenreichen Standorten wirklich sinnvollen Form der Stromerzeugung. Solarstrom trägt trotz dieser enormen Subventionen und eines gewaltigen Zubaus der Kapazitäten gerade in den letzten beiden Jahren immer noch weniger zur regenerativen Stromversorgung bei als Wind- und Wasserkraft oder die – unter Nachhaltigkeitsaspekten allerdings auch nicht unbedenkliche – Biomasse- und Biogasverstromung. Die jüngst beschlossenen Kappungen der Solarstromvergütungen begrenzen den weiteren Zuwachs dieser Subventionen, ändern aber nichts daran, dass gemäß den Bestandsschutzregelungen für die bisherigen Anlagenbetreiber für die nächsten 20 Jahre Ansprüche von rd. 120 Mrd. Euro entstanden sind. Ein Betrag, der beinahe die Dimension der Maßnahmen zur Bankenrettung oder der Rettungspakete für Griechenland erreicht. Diese sog. „Solarschulden“ sind nach Gesetzeslage in jedem Fall weiterhin von den Stromverbrauchern zu finanzieren. Sieht man von dem grünen Anstrich einmal ab, bedeuten sie ökonomisch einen Vermögenstransfer von der Allgemeinheit der Stromverbraucher einschließlich der Kleinverbraucher und einkommensschwacher Haushalten hin zu den Solaranlagenbesitzern, d.h. zu den meist gutsituierten Haus- und Grundbesitzern, die ihre Hausdächer und Freiflächen mit Fotovoltaik-Modulen bestücken konnten, oder finanzkräftigen Unternehmen, die ganze Solarparks betreiben können. Kurzum eine Umverteilung von „arm“ zu „reich“, die relativ risikolose Zuverdienste (im ökonomische Jargon: kapitalbedingte „Renten“) für Teile des Besitzbürgertums, der Landwirtschaft und privaten Unternehmen ermöglicht. Dies erklärt sicherlich z.T. den großen „Erfolg“ des EEG auch in konservativen politischen Kreisen.
Überdies hat das EEG inzwischen eine so große Finanzmasse generiert, dass es auch zu besonderen regionalen Interessenlagen und einer Art zusätzlichem Länderfinanzausgleich nicht zuletzt zugunsten unionsregierter Bundesländer gekommen ist. So weisen die EEG-Zahlungssalden nach Bundesländern für 2011 einen Nettozufluss von mehr als einer Milliarde Euro nach Bayern aus. Vor allem die bayerische Landwirtschaft profitiert massiv von der Förderung von Solar- und Biostrom. Zu den „Gewinnern“ zählen auch die windreichen Nordländer wie etwa Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Großer „Verlierer“ bei diesen Zahlungsströmen ist demgegenüber das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen, das einen Nettoabfluss von rd. zwei Milliarden Euro verzeichnet. Politische Diskussionen über diese Tatbestände finden zwar bisweilen auf Fachebene, aber nicht öffentlich statt, weil keine Partei am EEG zu rütteln wagt.
Die Gesamtheit der Stromverbraucher muss indessen nicht nur die Mehrkosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien tragen. Für die Bundesregierung ist klar: Die Energiewende insgesamt muss weitgehend von den Verbrauchern über die Energie- und Strompreise bezahlt werden. Aus den öffentlichen Haushalten werden nur bestimmte Fördermittel für Forschung und Entwicklung, in begrenztem Umfang Steuererleichterungen für die Gebäudesanierung sowie einige Sonderprogramme finanziert. Daneben gibt es noch ein paar staatlich verbürgte KfW-Kredite zur Flankierung einiger Investitionen im Energiebereich sowie Zuschüsse aus dem als Nebenhaushalt errichteten Energie- und Klimafonds, der sich künftig aus den Erlösen der Versteigerung von CO2-Emissionszertifikaten an die Energiewirtschaft speisen soll. Die Zertifikatekosten werden natürlich von den Stromversorgern eingepreist, sie können betriebswirtschaftlich gar nicht anders handeln, und somit letztlich wieder weitgehend über den Strompreis finanziert. Gleiches gilt für die Mehrkosten des erforderlichen gigantischen Netzausbaus, die über die Netzentgelte in den Strompreis eingehen, die künftig erforderlichen zusätzlichen Speicherkapazitäten oder für die während der Restnutzung der Kernenergie in Deutschland bis 2022 erhobenen Brennelementesteuer und die fälligen Sonderabschreibungen der vorzeitig stillgelegten Kernkraftwerke. Durch den Strompreis zu decken sind ebenso die Kosten für die Modernisierung oder den Neubau konventioneller Kraftwerke für deren Rolle als Brückentechnologie. Letztlich müssen im Strompreis auch deren betrieblichen Leerkosten bei zunehmender Unterauslastung infolge des Vorrangs der Erneuerbaren ausgeglichen werden. Über die Netzentgelte im Strompreis finanziert werden sollen zur Stabilisierung des zunehmend schwankenden Stromsystems sogar finanzielle Kompensationsmaßnahmen bei Abschaltungen der Versorgung von Industriebetrieben, die dafür gemäß der von der Bundesregierung kürzlich vorgesehenen Abschaltverordnung Vereinbarungen mit hinreichend attraktiven Vergütungen erhalten sollen. Demnach würde als Folge der Energiewende in Deutschland künftig industrielle Nichtproduktion subventioniert – vom Stromverbraucher.
Die Größenordnungen, die für alle diese Maßnahmen relevant sind und werden, lassen sich insgesamt nur schwer abschätzen. Als Untergrenze kann man sich jedoch an den Szenarien für das Energiekonzept der Bundesregierung orientieren. Diesen Szenarien zufolge geht es beim planmäßigen Umbau unserer Energieversorgung bis 2050 um ein Investitionsvolumen von real rd. 600-800 Mrd. Euro, grob gerechnet jährlich also um eine Traglast von rd. 15-20 Mrd. Euro pro Jahr, die größtenteils von den deutschen Energieverbraucher zu schultern ist und das unentwegt 40 Jahre lang. Die Frage, wie diese Last verteilt wird bzw. ob die bisherige Lastenverteilung fortgeführt wird, beantworten die Energieszenarien nicht.
Fragwürdige Prämissen der Energiewende
Da das Energiekonzept auf „Grundvoraussetzungen“ bzw. Annahmen beruht, die aus heutiger Sicht „sehr ambitioniert“ bis waghalsig erscheinen dürfte der vorgenannte Kostenvoranschlag wie bei vielen anderen Großprojekten zu niedrig sein. Erstaunlich ist dabei, wie wenig diese Annahmen seinerzeit öffentlich diskutiert worden sind und dass sie jetzt, wo es ja nur noch um die „Umsetzung“ der Energiewende geht, anscheinend gar nicht mehr hinterfragt werden.
Die dem Energiekonzept 2010 zugrunde gelegten Energieszenarien, die – was schon fragwürdig genug war – von den politisch gewünschten Ergebnissen als Prämisse ausgegangen sind bzw. diese ohne jede weitere Abwägung mit anderen Zielen als gesetzt unterstellt haben, bescheinigen der Energiewende zwar gesamtwirtschaftlich positive Effekte, zunächst mit, dann auch ohne längerfristige Nutzung der Kernenergie. Als „Grundvoraussetzung“ dieser Wunschszenarien schlichtweg unterstellt worden sind dabei jedoch z.B. die Realisierung bestimmter technologische Innovationen (etwa bei Speicher- oder Effizienztechnologien), die heute noch gar nicht absehbar sind. Einfach angenommen worden sind auch die Lösung aller Akzeptanz- wie auch Finanzierungsprobleme für die inländischen Investitionen. Vorausgesetzt wurden ferner 40 Jahre anhaltend stabile internationale Rahmenbedingungen einschließlich Preisstabilität und Versorgungssicherheit bei allen Energieimporten (künftig auch Stromimporten), was schon nach einem Jahr mehr als zweifelhaft erscheint. Zu den angenommenen internationalen Rahmenbedingungen gehören des Weiteren ein ab 2020 vollständig integrierter europäischer Strommarkt, in dem u. a. alle Transit- und Vernetzungshindernisse überwunden sind, sowie der Abschluss eines völkerrechtlich verbindlichen weltweiten Klimaabkommens. Beides ist nicht in Sicht. Wünschenswerte Zukunftsergebnisse offener politischer Prozesse werden hier als Prämissen eines Energiekonzepts der Gegenwart benutzt. Das ist – freundlich ausgedrückt – hochspekulativ. In (neo)liberal-konservativen Kreisen wird gegen linke Utopien gern das „Pippi-Langstrumpf-Prinzip“ bemüht: Mach Dir die Welt, wie sie Dir gefällt! Genau diesem Motto folgt aber die Energiewende der schwarzgelben Bundesregierung in vielerlei Hinsicht. Für Risiken und Nebenwirkungen haften diesbezüglich vor allem die Verbraucher.
Über einige der Nebenwirkungen steht sogar etwas im „Beipackzettel“, nämlich in den Unterergebnissen der Energieszenarien. Von der Öffentlichkeit seinerzeit fast überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde, dass die vorhergesagten positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekte der Energiewende à la Bundesregierung nicht nur recht schmal sind, sondern auch auf dem Vergleich mit einem Referenzszenario beruhen, das für Deutschland relativ schwache Wirtschaftswachstumsraten von unter 1% p.a. unterstellt hat, und das kontinuierlich bis 2050. (Etwaige Konjunktur- und Finanzkrisen und ihre Auswirkungen sind aus der Betrachtung ganz ausgeblendet worden, obwohl im Vorjahr der Energieszenarien die schwerste Rezession der Nachkriegszeit herrschte.) Das von der Energiewende gemäß den Energieszenarien zusätzlich generierte Wachstum beruht in erster Linie auf Investitionseffekten, wie sie sich bei jeder privaten Investitionswelle ergeben. Die Gewinne aus diesen Investitionen kommen demgemäß vor allem den privaten Investoren zugute. Der private Konsum wird dagegen in den Energieszenarien gegenüber dem Referenzszenario aufgrund geschmälerter Verbraucherbudgets durch erhöhte Energiekosten – jahrzehntelang! – gedrosselt. Dies wird von der Szenarienstudie selbst nicht thematisiert, aber es ist in ihr ablesbar. Nur wollte niemand darüber reden.
Kaum diskutiert worden ist auch ein anderer von der Energiepolitik zu verantwortender Konstruktionsfehler der Energiewende, der im Zusammenhang mit den steigenden Preisen und ihre sozialen Folgen enorme Auswirkungen hat. In Deutschland liegt der Fokus der Energiewende auf dem Umbau der Stromerzeugung. Hier soll nicht nur die Atomenergie, sondern längerfristig auch die relativ kostengünstige, aber für „klimaschädlich“ erachtete Kohle aus dem Energiemix verdrängt werden. Keine vergleichbaren energiepolitischen Anstrengungen werden in Bezug auf den Ersatz von Erdöl und Erdgas gemacht, die den Kraftstoffsektor sowie den Wärmemarkt dominieren, aber in der Stromerzeugung hierzulande nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dabei decken Erdöl und Erdgas zusammen mehr als die Hälfte unseres Energieverbrauchs und sie verursachen auch für mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen in Deutschland , eine echte Energiewende müsste also zu einem großen Teil in diesen Segmenten des Energiemarktes stattfinden. Darüber hinaus ist Deutschland bei Erdöl und Erdgas fast vollständig von Importen abhängig. Preis- und Lieferrisiken von Importen schlagen demzufolge bei der Erdöl- und Erdgasversorgung am stärksten durch. Gerade das erklärt ja auch den jüngsten starken Anstieg der Benzin- und Heizkosten. Zugleich sind Erdöl und Erdgas diejenigen Energieträger, deren Vorräte weltweit am geringsten sind und die auch gemessen an den globalen Verbrauchsraten die geringste Reichweite haben, die also auch weltweit zuerst ersetzt werden müssen. Beim konventionellen Erdöl gilt das globale Fördermaximum („Peak Oil“) inzwischen bereits als überschritten. Nach Einschätzung der Deutsche Rohstoff-Agentur ist auch unter Einbeziehung unkonventioneller Reserven spätestens 2030 mit globalen Engpässen zurechnen. Eine erst 2011 veröffentlichte Studie des Transformationszentrums der Bundeswehr (!) sieht vor allem in einer knapper werdenden Erdölversorgung ein „systemisches Risiko“ für die westlichen Gesellschaften mit immensem internem und externem Konfliktpotenzial.
Demnach gab und gibt es genügend triftige Gründe, eine Energiewende stärker in diese Richtung – weg vom Öl – zu vollziehen und z.B. mit einer ökologischen Verkehrswende zu verknüpfen oder die erneuerbaren Energien stärker in der Wärmeversorgung auszubauen. Der schnellere Ausbau der Solarthermie wäre dann ein sinnvollerer Ansatz (gewesen) als der der Ausbau von Solarstrom. Das würde allerdings für die Politik andere Interessenkonflikte bedeuten als mit der heterogenen, auch die sozial schwächeren Schichten einschließenden Gruppe der Stromverbraucher. Das gilt auch für alternative, sozial gerechtere Finanzierungsansätze für die Energiewende.
Alternative Finanzierungsansätze
Bei einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe bzw. einem „Gemeinschaftswerk“ sollte man eigentlich davon ausgehen, dass die Lastenverteilung solidarisch erfolgt, dass die finanziell „breiteren Schultern“ auch stärker belastet werden als die schmaleren. Das lässt sich politisch nur über das Steuer-/Transfer-System gewährleisten, dessen Aufkommen zudem deutlich progressiver als bisher gestaltet werden müsste. Statt über Umlagen auf die Verbraucherpreise könnte dann eine sehr viel stärkere Finanzierung aus Haushalts- und somit Steuermitteln erfolgen. Die bisherigen EEG-Subventionen etwa sollten in den Bundeshaushalt aufgenommen werden. Dies erfordert eine Gegenfinanzierung insbesondere aus Erhöhungen progressiver Steuern, sei es bei der Einkommensteuer oder durch Einführung einer Vermögensteuer, was jedoch für die kleinen und mittleren Einkommen im Saldo sogar eine Entlastung bedeuten kann. Selbst bei einer sachlich nahe liegenden Gegenfinanzierung durch Anhebung der Stromsteuer, mit der die Belastung der Stromverbraucher weitgehend nur buchmäßig verändern würde, könnten soziale Gesichtspunkte stärker berücksichtigt werden. Zugleich kämen die Subventionen für erneuerbare Energien und andere Maßnahmen der Energiewende wie andere Subventionen auch unter eine Haushaltskontrolle.
Eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln über staatliche Zuschüsse oder Steuererleichterungen wäre auch bei anderen Maßnahmen der Energiewende angebracht. Im Allgemeininteresse gewünschte Infrastrukturinvestitionen wie der Ausbau der Energienetze dürfen nicht allein über Netzentgelte, die den Strompreisen zugeschlagen werden und damit wieder bei den Verbrauchern landen, refinanziert werden. Hier sind staatliche Zuschüsse, die mit den zulässigen Preisaufschlägen für die Netzkosten zu verrechnen wären, ebenso zu prüfen wie für die zunehmend notwendige Vorhaltung von konventionellen Kraftwerken als Ausgleichs- und Reservekapazitäten. Bei der geplanten steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung verfolgt die Bundesregierung im Grunde bereits den Weg der Subventionierung aus öffentlichen Haushaltsmitteln, allerdings indirekt und vornehmlich zu Gunsten von Hauseigentümern, aber zu Lasten der Mieter wie der Länderkassen. Auch hier wären direkte Zuschüsse der sozialere und effizientere Weg. Als Alternative zu Investitionshilfen aus Haushaltsmitteln kommt, wie Sony Kapoor vorgeschlagen hat, auch ein „Banken-Pakt“ in Betracht, der weitere Billigkredite der EZB auch an die Verwendung zur Finanzierung von Investitionen in die Energiewende knüpft.
Darüber hinaus sollt die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung im Energiebereich sowohl inhaltlich als auch finanziell auf eine erheblich breitere Grundlage gestellt und mit zusätzlichen Mitteln flankiert werden. Zugleich sind andere energiepolitische Maßnahmen erforderlich, die stärker als bislang auf eine Weg-vom-Öl-Politik zielen, in der Stromerzeugung die Brückenfunktion auch der Kohle stärken und in allen Bereichen des Energiesektors die Diversifikation neuer und erneuerbarer Technologien vorantreiben.
Steuerliche Entlastungen müssten dagegen viel eher bei der Strom- und Mineralölsteuer, ggf. auch über die Mehrwertsteuer auf Energieprodukte erwogen werden, um zumindest vorübergehend steigende Strom- und Energiepreise sozial auszugleichen. Wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung mit ihrem Steuerentlastungscredo ein Gemeinwohlziel verfolgen würde, hätte sie hier einen starken Hebel, der nicht nur Klientelinteressen bedient. Alle diese Maßnahmen wären haushaltswirksam und erfordern den Einsatz zusätzlicher staatlicher Mittel. Sie würden die Energiewende aber sozialverträglicher machen, ohne zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten zu verlangen. Auch in der Energiepolitik kommt es eben sehr auf die jeweilige Beantwortung der Verteilungsfragen an. Verschiedentlich vorgeschlagen worden ist schon ganz konkret, den seinerzeit für die Finanzierung des Aufbaus Ost eingeführten Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftssteuer („Soli“) künftig in die Finanzierung des Gemeinschaftswerks Energiewende einschließlich der weiteren Förderung der erneuerbaren Energien zu überführen. Ein Vorschlag, der in die richtige Richtung zielt, sofern er nicht mit Streichung wichtiger Staatsaufgaben und -ausgaben an anderer Stelle einherginge.
Will man die zu verteilenden Lasten der Energiewende insgesamt eingrenzen und d.h. ihre gesamtwirtschaftlichen Kosten reduzieren, wäre außerdem auch aus linker und grüner Perspektive zu fragen, ob die energiepolitischen Ziele nicht zu einseitig gesetzt sind, ob es nicht effizientere oder innovativere Maßnahmen zur Umsetzung der jeweiligen Ziele gibt und ob nicht die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung und Spezialisierung besser genutzt werden könnten. Warum gibt es denn einen Europäischen Binnenmarkt für Energie, wenn in diesem etwa Solarstrom nicht dort produziert wird, wo es die günstigsten Bedingungen dafür gibt – in Südeuropa, also etwa in Griechenland, Portugal oder Spanien, wo nachhaltige Wachstumsprogramme sowieso bitter nötig wären.
* Der Autor ist langjähriger Freund und Unterstützer der NDS. Seinen politischen Standpunkt sieht er links von der Mitte. Er arbeitet als gelernter Ökonom in der Energiewirtschaft und beobachtet die deutsche Energiepolitik seit vielen Jahren kritisch. Das gilt auch für die jüngste “Energiewende”, deren Ziele er teilweise befürwortet, deren Lastenverteilung er aber für zunehmend unsozial hält. Dr Beitrag gibt seine persönliche Auffassung wieder, die auch manchen im linken und grünen Lager nicht unbedingt gefallen mag. Doch seines Erachtens sind Denkanstöße für eine nicht nur umwelt-, sondern auch sozialverträgliche Energiepolitik auf allen Seiten überfällig.
Anmerkung WL: Wir haben diesen Text übernommen, weil er auf ein Problem eingeht, das im Zusammenhang mit der Energiewende viel zu wenig öffentlich wahrgenommen und diskutiert wird: Auch die Verteilungswirkungen von energiepolitischen Entscheidungen sollten Gegenstand kritischer Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit sein. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, welche Belastungen der Energiewende wer zu tragen hat und dass bestimmte Maßnahmen einkommensbenachteiligte Gruppen in besonderer Weise treffen. Wichtig wäre dabei vor allem auch über wirksame Strategien nachzudenken, deren Durchsetzung sozial unerwünschte Verteilungswirkungen vermeiden könnten.
Die vom Autor aufgeführten Daten und Fakten sind kaum bestreitbar, allerdings sind einige durchaus berechtigte Zuspitzungen zu relativieren: So heißt es im Text, „dass er Anteil der Energiekosten am durchschnittlichen Nettoeinkommen – gemessen an der relativen Belastung eines 4-Personen-Musterhaushalts – sei 1990 noch nie so hoch wie 2011.“ Es ist durchaus richtig und beklagenswert, dass Haushalte, die von Hartz IV leben müssen, besonders hart getroffen werden und es wäre wichtig, dies bei den Transferleistungen zu berücksichtigen, aber Tatsache ist auch, dass der Anteil aller Ausgaben privater Haushalte für Energie an den gesamten privaten Konsumausgaben 1996 bei 6,4%, 2005 bei 7%, 2008 bei 7,9% lag, durch krisenbedingten Preisverfall ist der Anteil 2009 auf 7,2% gefallen und 2010 wieder auf 7,5% gestiegen (Vgl. Tabelle Excel Tabelle [xls - 61.5 KB])
Der Autor hat offenbar eine positive Einschätzung gegenüber der (deutschen) Kohle, im Gegensatz zur Subventionierung der erneuerbaren Energien scheinen ihm die milliardenschweren „Kohlehilfen“ keine Kopfschmerzen zu bereiten.
Der Autor beklagt – nicht zu Unrecht – die hohen Steuern, Abgaben und Umlagen, die ohne Sozialausgleich die Stromverbraucher alle gleich treffen, er thematisiert allerdings nicht die preistreibenden Effekte auf der Seite der Stromproduzenten und der energieintensiven Wirtschaft, als da wären:
- die Differentialrenten der Betreiber von alten abgeschriebenen Kraftwerken bei Preissteigerungen infolge der Annäherung an Kapazitätsgrenzen, wobei diese Preiseffekte als notwendig angesehen werden, um den Bau neuer Kraftwerke zu initiieren
- Windfall-Profite infolge der weitgehend kostenfreien Zuteilung von Emissionsrechten an Betreiber von Alt-Kraftwerken
- die weitgehende Befreiung der ‚energieintensiven‘ Industrie von der EEG-Umlage
- und ganz aktuell seit einigen Monaten: die nahezu komplette Befreiung der Industrie von Netznutzungsentgelten zu Lasten der übrigen Netzkunden.
Es ist ja eine alte Forderung der Energiewirtschaft und auch etwa der Autolobby, die seit Jahren jede Energiepreissteigerung mit ihrer Propaganda nach Absenkung der Energie-Steuerbelastung begleiten. Man müsste dann aber auch gleichzeitig sagen, wie man durch eine konsequente Wettbewerbspolitik bei den Mineralölkonzernen und bei den vier großen Kraftwerksbetreibern verhindert, dass diese „Monopole“ die dadurch eröffneten Spielräume nicht für weitere Preisanhebungen ausnutzten.
Man müsste auch eine Antwort darauf geben, wie ohne Preissignale Energieeffizienz und die Substitution von unerwünschten Energieträgern zu erneuerbaren Energien vorangetrieben werden könnten.
Die Übernahme der EEG-Umlage und von anderen Energie-„Abgaben“ in das Steuersystem scheint mir jedenfalls kein zielführender Weg in eine Energiewende zu sein. Schon deshalb nicht, weil im Rahmen der „Schuldenbremse“ die Energiewende überwiegend auf Kosten eines weiteren Sozialabbaus vorangetrieben würde. Statt „Energie-Armut“ gäbe es dann eben noch mehr allgemeine Armut.
Aber richtig bleibt, dass man auf Strategien drängen muss, mit denen einkommensschwache Haushalte bei der Verminderung ihres Energiekonsums mittels Effizienztechnik und beim Umstieg auf Erneuerbare (z.B. wg. ggfs. steigender Kaltmiete bei entspr. Investitionen) unterstützt werden. Die bisherigen Maßnahmen in diesen Bereichen waren sicherlich unzureichend.
Meine Anmerkungen speisen sich aus einem Austausch mit einem mir vertrauten Energieexperten, der aufgrund seiner beruflichen Stellung gleichfalls nicht genannt werden möchte.
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