Energiewende: Regierung führt Verbraucher in die Irre
VON DOROTHÉE MENZNER
In den vergangenen fünf Jahren ist Strom für Haushalte im Bundesdurchschnitt fast 30 Prozent teurer geworden. Die Bundesregierung, allen voran Wirtschaftsminister Philipp Rösler, ist geflissentlich dabei, diese Kostenexplosion den Erneuerbaren Energien und der Energiewende zuzuschreiben. Damit führen sie die Öffentlichkeit bewusst in die Irre und verdrehen Fakten.
Der mediale Ansturm gegen die Kosten der Erneuerbaren-Energien-Umlage, der mit jeder Jahresstromrechnung neu angefacht wird, macht Glauben, die Energiewende sei Schuld an dem Preisdebakel. Tatsache ist, dass die EEG-Umlage gerade ein Drittel des Strompreisanstiegs ausmacht. Der Rest sind Steuern und Preissteigerungen bei der konventionellen Energiebeschaffung.
Welche Kosten nicht auf der Stromrechnung auftauchen, das sind die seit Jahrzehnten laufenden Subventionen für Stein- und Braunkohle – und vor allem für die Atomwirtschaft, und das sind auch die Klima- und Umweltfolgekosten dieser tradierten Energieformen. Atom- und Kohleenergie werden wir und die kommenden Generationen auch dann noch finanzieren müssen, wenn sie schon lange nicht mehr zum Energiemix beitragen werden – sei es durch Altlastenbewältigung – Stichwort Atommüll –, oder durch Unwetterschäden durch extremere Wetterbedingungen.
Das Forum Ökologisch-Soziale-Marktwirtschaft hat in einer Studie ausgerechnet, dass durch staatliche Fördertöpfe und indirekte Subventionen die fossil-atomare Energieerzeugung heute mit 10,2 Cent pro Kilowattstunde gefördert wird. Das sind Kosten, die nicht auf der Stromrechnung auftauchen, aber im Vergleich zu den Erneuerbaren Energien die wahren Preistreiber sind. Und es sind Kosten, die hauptsächlich von kleinen und mittleren Verbrauchern bezahlt werden.
Die Frage nach den Kosten der Energiewende ist deshalb falsch gestellt, denn viel gravierender ist die Frage, was es uns und die nachfolgenden Generationen „kostet“, wenn die Energiewende ausbleibt. Es führt mittelfristig kein Weg daran vorbei, die immens teuren, knappen und umweltfeindlichen Energieformen Atom und Kohle komplett aufzugeben und dabei auf kleine, kommunale und dezentrale Energieversorger zu setzen, die nicht, wie bislang die vier Energieriesen Vattenfall, E.on, RWE und EnBW, ihre Marktstellung missbrauchen. Nur so wird es möglich sein, wirklich demokratischen Einfluss auf die Energieversorgung zurückzugewinnen.
Gleichzeitig muss das Stromtarifsystem grundsätzlich neu gestaltet werden. Es kann nicht sein, dass die größten Energieverbraucher der energieintensiven Industrie Ausnahmetatbestände genießen, von der Erneuerbaren-Energien-Umlage und Stromsteuer nahezu komplett befreit werden, während über 600.000 Haushalten jährlich der Strom abgestellt wird, weil sie ihn nicht mehr bezahlen können.
Wir fordern deshalb, ein sogenanntes progressives Strompreismodell einzuführen, bei dem jeder und jedem ein preiswertes Grundkontingent an Strom zusteht, und erst mit übermäßigem Verbrauch auch die Kosten entsprechend steigen. So würde die Energieversorgung endlich wieder ein Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge und deren Kosten sozial gerecht auf alle verteilt.
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Weitere Links zum Thema:
BUCHTIPP:
Welchen Netzumbau erfordert die Energiewende? Unter Berücksichtigung des Netzentwicklungsplans 2012, Von Lorenz Jarass und Gustav Obermair- hier klickenPlan B - Das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau - Link
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