Lack- oder Getriebeschaden? - Autoindustrie gerät ins Trudeln
Von Ulrich Bochum
Die Absatzkrise der europäischen Automobilhersteller greift immer weiter um sich. Der europäische Verband der Autohersteller (ACEA) wies darauf hin, dass im September 2012 der Absatz in den EU-Ländern zum zwölften Mal hintereinander zurückgegangen ist. Im Vergleich zum September 2011 nahm die Nachfrage nach PKW um 10,8% ab, in Deutschland ging die Nachfrage im gleichen Zeitraum um 10,9% zurück.
In den ersten neun Monaten des Jahres 2012 ging die Nachfrage in der EU um 7,6% zurück, in Deutschland um 1,8%, aber in Italien um knapp 20%, in Frankreich um 14%, in Spanien um 11%. Bei den großen Automärkten nahm lediglich in Großbritannien der Absatz um 4,3% zu (warum auch immer?). Zunahmen verzeichneten weiterhin einige osteuropäische Märkte wie Polen, Ungarn und Estland, diese können jedoch die Rückgänge in den westeuropäischen Massenmärkten nicht kompensieren.
Auf der Hersteller-Seite sind jetzt auch die deutschen Produzenten betroffen, sowohl VW als auch Daimler und BMW verzeichnen rückläufige Absatzzahlen. Weitaus stärker hat es jedoch PSA, Renault und Fiat erwischt, die stärker auf Europa als Absatzmarkt angewiesen sind. Ford reagierte auf die Absatzkrise mit der Ankündigung, das Werk im belgischen Genk (Mondeo, Galaxy-Van) mit 4.300 Beschäftigten 2014 zu schließen und die noch existierenden britischen Produktionskapazitäten, darunter die des Transporters Transit, weiter herunter zu fahren.
Angesichts der Krise werden die europäischen Verbundstrukturen von GM-Opel und Ford zusammen gestutzt und neu geordnet – dabei sieht es danach aus, als könnten die deutschen Standorte von der Restrukturierung profitieren weil hier Beschäftigungsgarantien bis 2016 ausgehandelt wurden.
»Warum schließen GM und Ford ihre Werke in Belgien und nicht in Deutschland?«, fragte sich ein belgischer Gewerkschaftsführer und gab gleich die Antwort: »Die Antwort ist ganz einfach: wegen der Macht der IG Metall.« Natürlich spielen dabei noch andere Faktoren eine Rolle, aber in der Tat stellt sich hier die Schließung eines Werkes schwieriger dar als in Belgien und Großbritannien, wo mehrere Gewerkschaften die Belegschaften vertreten und schwächer sind als eine zentral handelnde IG Metall, die langfristige Beschäftigungs- und Standortgarantien mit Verzicht auf Kündigungen aushandelt und sich dafür im Gegenzug mit moderaten Lohnsteigerungen und wenigen Streiks revanchiert. Das deutsche Korporatismus-Modell funktioniert also weiterhin? Zumindest in einigen gut organisierten Industriesektoren, in anderen sogenannten Zukunftsbranchen eher weniger bis gar nicht.
Die europäische Absatzkrise macht sich jedenfalls auch in den deutschen Autowerken bemerkbar, denn an verschiedenen Standorten sind bereits wieder Kurzarbeitseregelungen in Kraft, die vermutlich noch weiter um sich greifen werden und die weiteren Entwicklungsperspektiven der Opel-Standorte sind mehr als fraglich. Die vereinbarte strategische Allianz mit PSA soll sich auf den gemeinsamen Einkauf von Teilen und auf eine gemeinsame Entwicklung von vier Fahrzeugmodellen beziehen, darunter auch die Entwicklung gemeinsamer Vans, was unmittelbar den Standort Bochum berührt.
PSA hat jedenfalls für seine Finanztochter eine staatliche Garantie für die Emmissionen von Anleihen in Höhe von sieben Mrd. Euro erhalten und darüber hinaus soll ein Bankenpool 11,5 Mrd. Euro an Liquidität zur Verfügung stellen. Damit sollen Autokäufe und das Leasing-Geschäft finanziert werden. Diese Hilfszusagen zeigen, wie ernst die Lage für den französischen Autobauer ist.
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Weitere Informationen zum Thema:
Bernhard Sander: "Auswege aus der Autokrise" (sozialismus.de, 29.10.2012)
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