Bankskandal mit politischer Schlagseite - Bei der Affäre um Monte dei Paschi di Siena gerät auch Mario Draghi unter Beschuss
Von Anna Maldini
Der Skandal um die drittgrößte italienische Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) zieht immer weitere Kreise. Inzwischen geht es nicht mehr allein um Fehlspekulationen mit Derivaten, sondern auch um Schmiergelder in Milliardenhöhe, blinde Bankenaufsicht, zwielichtige Berater wie die US-Investmentbank Goldman Sachs und politische Einflussnahme.
»Das italienische Bankensystem ist solide«, beteuerte Wirtschafts- und Finanzminister Vittorio Grilli in dieser Woche vor dem Parlament in Rom. »Die Schuld für die Schieflage der Bank MPS liegt allein bei den lokalen Verantwortlichen; die zuständigen Behörden in Italien und Europa haben immer pflichtbewusst gehandelt.« Die knapp vier Milliarden Euro, die der Staat dem angeschlagenen Kreditinstitut in Form einer Anleihe zur Verfügung stellt, seien durch den Wert der Bank gedeckt. Grilli zufolge haben die italienische Notenbank und die Europäische Zentralbank immer ihre Pflicht getan. Damit stellte sich Grilli indirekt vor Mario Draghi, der von 2006 bis 2011 die eine leitete und seither der anderen vorsitzt. Viele halten dem aktuellen EZB-Chef vor, zumindest moralisch zu den Mitverantwortlichen eines Fast-Bankrotts zu gehören, der die Region Siena zur Verzweiflung bringt.
Der Niedergang des Traditionshauses begann 2007, als MPS kurz vor der Finanzkrise die Banca Antonveneta für fast neun Milliarden Euro von der spanischen Banco Santander kaufte - diese hatte ein knappes Jahr vorher nur 6,6 Milliarden bezahlt. Die Justiz untersucht jetzt, wie viele Schmiergelder bei diesem Deal an wen geflossen sind. Sicher ist aber, dass sich Monte dei Paschi dabei verhob. Um den Kauf stemmen zu können, wandten sich die Verantwortlichen von MPS unter anderem an Goldman Sachs, die »kreative und innovative Lösungen« vorschlug und letztlich zum Kauf von Derivaten riet. Mario Draghi leitete bis kurz vor dem Antonveneta-Deal das Europageschäft von Goldman Sachs. Und ab 2006 war er als italienischer Notenbankchef oberster Finanzaufseher. Auch die Deutsche Bank und die japanische Nomura machten mit MPS bis 2010 Derivate-Geschäfte.
Als die Derivate-Blase platze, stand MPS vor einem enormen Schuldenberg. Der damalige Bankchef Giuseppe Mussari musste gehen (wurde aber zum Chef der italienischen Bankenaufsicht ABI ernannt); an seine Stelle trat Alessandro Profumo, einst Vorstand der Großbank Unicredit und in dieser Eigenschaft wegen Steuerbetrugs angeklagt.
Bis vor wenigen Jahren war MPS eine im eigenen Umland verwurzelte, kleine staatliche Lokalbank. Umso härter treffen die Probleme jetzt die Stadt Siena. Die Stiftung MPS, der 46 Prozent der Anteile an der Bank gehören, finanzierte jahrelang die Universität und Forschungseinrichtungen, die Fußball- und Basketballmannschaft, Krankenhäuser und sogar das weltbekannte Pferderennen Palio - von Tausenden von Arbeitsplätzen ganz zu schweigen. Das Statut von MPS räumt den Lokalpolitikern sehr viel Macht ein - deshalb sind jetzt vor allem die Demokraten in der Schusslinie, die Siena seit Ewigkeiten regieren. Die diversen Ermittlungsverfahren betreffen bisher aber allein die ehemaligen Verantwortlichen der Bank. Doch dies dürfte erst der Anfang sein.
Lexikon
Die Wurzeln der Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) reichen bis ins Jahr 1472 zurück, als in der toskanischen Stadt ein Leihhaus gegründet wurde. Zunächst reichte man Kleinkredite aus. Später wurden die Geschäfte mit staatlichen Weiden, den »pas-chi«, gesichert. Nach der Gründung des italienischen Staates eröffnete MPS Filialen auch in anderen Landesteilen. Seit 1995 ist der größte Anteilseigner eine von der Stadt geleitete Stiftung, die wohltätige Zwecke in der Region Siena finanziert. nd
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