Europa: Zypern im freien Fall
DGB klartext 11/2013
Der jüngste Krisenfall Zypern ist an Dramatik nicht zu überbieten. Unfähige Krisenmanager Europas stoßen auf eine unfähige zyprische Regierung. Das Ergebnis mündet in einem Rettungspaket, das weder gerecht ist noch die Krisenbanken stabilisiert. Ganz im Gegenteil: Die inzwischen verworfene Zwangsabgabe für Sparer ruiniert das restliche Vertrauen in das Bankensystem und verunsichert Bankkunden in Europa. Das kann sich trotz aller Beteuerungen der politischen Akteure woanders wiederholen. Die Befürchtungen sind berechtigt.
Die Debatte um Eigenbeteiligung der Zyprer suggeriert eine gerechte Verteilung der Rettungskosten. Weit gefehlt: Selbst eine fast zehnprozentige Zwangsabgabe auf Ersparnisse von über 100.000 Euro hätte nicht darüber hinwegtäuschen können, dass Aktionäre und Gläubiger weiterhin verschont werden. Zudem sind große Guthaben längst weg. Das Chaos der letzten Tage hat einen Vorlauf: Als die Griechen Tresore kauften, um sich gegen den Schuldenschnitt zu wappnen, gerieten auch die zyprischen Banken – reichlich eingedeckt mit griechischen Staatsanleihen – in Schieflage. Seit Sommer 2012 wollte die zyprische Regierung unter den EU-Rettungsschirm. Die EU-Partner spielten auf Zeit. Zeit genug für private Anleger und Unternehmen, ihre Gelder abzuziehen (siehe Grafik in der Anlage). Die europäischen Banken haben ihre Einlagen um rund 40 % reduziert.
Die Großanleger sind weg, die Kleinsparer wütend, das Parlament lehnte den Enteignungsplan ab. Nun will die zyprische Regierung in einem Fonds staatliche Vermögenswerte (Kirchengüter, Goldreserven) bündeln. Kritisch ist aus Sicht von Arbeitnehmer/-innen und Rentner/-innen zu sehen, dass auch die Rentenkassen einbezogen werden. Der „Solidaritätsfonds“ soll über die Ausgabe von Anleihen den geforderten Eigenanteil von 5,8 Mrd. Euro zusammenkratzen. Auch dieser Plan wird scheitern. Niemand kauft in dieser aussichtslosen Situation Anleihen aus Zypern. Der freie Fall des Landes scheint unaufhaltsam.
Was ist zu befürchten, falls sich die Politik nicht einigt? Nur mit starken Reglementierungen des Zahlungsverkehrs könnte ein möglicher Ansturm auf die Banken und Kapitalflucht eingedämmt werden. Die zyprische Zentralbank könnte die Banken sonst kaum mit ausreichend Bargeld versorgen. Im Falle einer Rationierung wäre die Realwirtschaft gezwungen, auf Bargeldhandel umzustellen. Ohne die Einlagen der Sparer und ohne Geldspritze der Europäischen Zentralbank (EZB), die eingestellt werden soll, wäre der Kollaps des zyprischen Bankensystems unvermeidbar. Das Wirtschaftsleben würde dadurch erheblich eingeschränkt.
Am Montag läuft das Ultimatum der EZB aus. Es würde unumkehrbare Fakten schaffen. Eine neue Eskalationsstufe wäre erreicht. Mögliche Dominoeffekte mit unabsehbaren Folgen sind nicht auszuschließen. Diese Frist muss als Erstes ausgesetzt werden, um für Ruhe zu sorgen. Bevor es zu spät ist. Die Politik darf sich nicht von den Ereignissen treiben lassen.
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Terminhinweis, 23.01.2013, 19:00 Uhr: Eurokrise und kein Ende?