Asoziales Verhalten mit hoher krimineller Energie

Von Otto König

24.04.2013 / sozialismus.de, vom 24.04.2013

Nach einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung Anfang 2013 steht der selbst erklärte Saubermann des deutschen Fußballs, Uli Hoeneß, am Pranger. Ein Musterbeispiel für konservative Doppelmoral: Während er von sich gern das Bild des ehrlichen Mittelständlers pflegte, bunkerte er in der Schweiz Millionen, um sie dem Fiskus zu entziehen.

Das Beispiel lehrt: Hemdsärmelige Geradlinigkeit hat nichts mit Aufrichtigkeit zu tun. So hatte sich der FC Bayern-Präsident noch im letzten Jahr in einer Talk-Runde zum Thema »Reichensteuer« richtiggehend ereifert. Er prophezeite gestikulierend, dass alle Reichen nach Österreich und in die Schweiz gehen werden. Er vergaß den Satz hinzuzufügen: »Sehen Sie mich an, ich habe schon einen ordentlichen Teil meines Geldes dort«.

Hoeneß vertraute auf den »Schutzpatron der Steuerdiebe« auf der Berliner Regierungsbank. Denn durch das von der schwarz-gelben Bundesregierung geplante Steuerabkommen mit der Schweiz wollte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble Steuerflüchtlingen gegen Nachzahlungen Anonymität und Straffreiheit gewähren. Auf den Punkt gebracht: »Persilscheine« ausstellen lassen. Doch der »Ablass-Handel« wurde von den Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke im Bundesrat gestoppt. Hätte er diese Hürde passiert, gäbe es jetzt eine »Lex Hoeneß«, eine Generalamnestie für Steuerflüchtlinge, um der Strafverfolgung zu entgehen.

Arbeitnehmer und Rentner haben dagegen keinerlei Chancen, sich dem Zugriff der Steuerbehörden zu entziehen. Die Lohn- und Einkommenssteuer wird einfach vom Lohn/Gehalt oder der Rente abgezogen. Anders bei den Reichen. Dort ist es offenkundig gängige Praxis, durch Konten und Scheinfirmensitze in so genannten Steueroasen keine oder nur minimale Steuern auf Vermögen zu entrichten.

Der Diebstahl an der Gemeinschaft – nichts anderes ist Steuerhinterziehung – wird in diesen Kreisen der Gesellschaft offenkundig moralisch anders bewertet, als wenn man seinen Nachbarn beklaut. Die entscheidende Triebfeder, dass sich Vermögende der Finanzierung öffentlicher Ausgaben für Kita-Plätze, Bildung oder Straßenbau entziehen, ist die wachsende Zocker-Mentalität und Gier. Die ausufernde Boni-Politik und überbordende Pensionszusagen für Vorstände von Banken und DAX-Vorständen leisten dem Vorschub.

Der »Fall Hoeneß« und die jüngsten Enthüllungen im Rahmen der »Offshore-Leaks« haben die Debatte um Steuerhinterziehung in Deutschland neu entfacht. Internationale Medien hatten einen riesigen Datensatz über geheime Geschäftspraktiken in Steueroasen veröffentlicht. Dennoch weigert sich die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie die USA mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (FACTA) Druck auf Steueroasen auszuüben und Finanzinstituten, die in nicht-kooperativen Staaten engagiert sind, notfalls die Banklizenz zu entziehen.

Die Schlussfolgerungen aus dem »Fall Hoeneß« und ähnlichen Fällen müssen nach unserer Auffassung lauten: Mehr Steuerfahnder in den Finanzbehörden sind notwendig. Der Ankauf von CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen muss forciert werden. Die Strafverfolgung darf sich nicht nur auf die Hinterziehung der Steuern auf die angefallenen Zinsen eines Kontos beziehen, sondern auch auf den unrechtmäßigen Erwerb der Vermögen. Die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige auf vorsätzliche Steuerhinterziehung ist dringend geboten, denn damit können sich die »Täter des Kapitaldelikts« jederzeit selbst amnestieren Darüber hinaus müssen Doppelbesteuerungsabkommen mit unkooperativen Staaten gekündigt und Banken, die dort engagiert sind, die Lizenz entzogen werden.

Es ist unstrittig: Steuerflucht ist kein Kavaliersdelikt, sondern asoziales Verhalten mit hoher krimineller Energie. Deshalb muss das Steuerstrafrecht, das lange Zeit »für die besseren Kreise ein gut wattiertes und gönnerhaftes Strafrecht« war, zu einem »echten, strafenden Strafrecht werden« (Heribert Prantl, SZ, 23.4.2013).

Zum Thema Steuerhinterziehung sehen Sie auch die Anträge der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen

Steueroasen trockenlegen – offshore und hierzulande