Wir sagen Ja zum Euro
Katja Kipping über die Rechtspartei »Alternative« und die Zukunft der gemeinsamen Währung
Die Existenz der neuen Rechtspartei »Alternative für Deutschland« (AfD) ist eine unmittelbare Folge der falschen Euro-Rettungspolitik von Bundeskanzlerin Merkel. Ihre Politik verstärkt den bereits in der Gründung des Euros angelegten Fehler: Eine gemeinsame Währung setzt eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik voraus. Gegen eine stärkere Koordination dieser Politiken wehrte sich vor allem die Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl, die die Einführung des Euros verhandelte. Weil Bundeskanzlerin Merkel diesen Fehler nicht korrigieren will, läuft sie aber nicht nur Gefahr, die Etablierung einer rechten Abspaltung von der Union zu ermöglichen, vor allem gefährdet sie den Euro.
Als fast vor den Tag genau vor 15 Jahren – am 23. April 1998 – der Deutsche Bundestag über die Einführung des Euro entschied, war es nur die Gruppe der PDS, die auf diesen Geburtsfehler des Euros hinwies. Ihr damaliger Vorsitzender, der heutige Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Gregor Gysi, kritisierte das an diesem Tag mit deutlichen Worten: »Unsere größte Kritik richtet sich aber auf einen anderen Punkt; das ist das Wichtigste: Wer europäische Integration will, muss europäische Angleichungsprozesse einleiten. Dazu würde gehören, die Steuern zu harmonisieren, die Löhne und Preise anzugleichen und auch soziale, ökologische und juristische Standards anzugleichen. (…) Wenn Sie das alles politisch nicht leisten und statt dessen sagen, wir führen eine Einheitswährung ein, um die Angleichungsprozesse zu erzwingen, dann sagen Sie damit doch nichts anderes, als dass Sie ganz bewusst Lohnwettbewerb, also in Wirklichkeit Lohndumping und Kostendumping, organisieren wollen.« Fast prophetisch merkte er an: »Das heißt, wir wollen den Export Deutschlands erhöhen und damit die Industrie in Portugal, Spanien und anderen Ländern schwächen. Die werden verostdeutscht, weil sie diesem Export nicht standhalten können. Das ist eines der Probleme, das zu einer weiteren Spaltung innerhalb Europas führt.« Gregor Gysi und die Gruppe der PDS sahen bereits damals, dass der Geburtsfehler des Euros ihm eines Tages zum Verhängnis werden könnte.
Falsche Politik der Großen Koalition
Neben seiner problematischen Konstituierung hat die falsche Politik der Großen Koalition während der Krise der Banken und Finanzmärkte im Herbst 2008 den Euro in eine gefährliche Situation gebracht. Statt Banken und Finanzmärkte stärker zu regulieren, das Außenhandelsungleichgewicht abzubauen und die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen – die Brandbeschleuniger der Krise – zu reduzieren, rettete die Politik von Kanzlerin Merkel und ihrem damaligen Finanzminister Steinbrück die in Schieflage geratenen Banken durch großzügige Bürgschaften und Finanzspritzen in Milliardenhöhe. Durch diese Form der Rettungspolitik wurde aus der Finanzmarktkrise eine Staatsverschuldungskrise. Die Verluste aus den Fehlspektulationen der Banken wurden durch Steuergelder sozialisiert.
Dass eine solche Politik nicht nur bei marxistisch oder keynesianistisch geschulten ÖkonomInnen als krisenverschärfend analysiert wird, liegt auf der Hand. Heiner Flassbeck hat das in dieser Zeitung am vergangenen Samstag treffend formuliert: »In einer Zeit, wo die Bundeskanzlerin glaubt, alle Länder der Welt hätten über ihre Verhältnisse gelebt oder alle europäischen Länder könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit einfach dadurch verbessern, dass sie die Löhne senken, geht es eigentlich nur noch am Rande um Keynesianismus. Vielmehr geht es um den gesunden Menschenverstand.« Offenbar haben sich nun auch Teile der neoliberalen Professorenschaft ihres »gesunden Menschenverstandes« bedient und erkannt, was evident ist. Diese Erkenntnis dürfte ihnen aber nicht schwer gefallen sein, da sie nicht im Gegensatz zu ihren neoliberalen Überzeugungen stand – die Eurorettungspolitik Merkels hat schließlich mit einer Lehrbuch-Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun.
Eine »Alternative«? Ideologie des reinen Marktes
Die Ideologie des reinen Marktes ist AfD-Parteisprecher Bernd Lucke schon seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen. Als neoliberaler Überzeugungstäter hält er von sozialer Politik und fairen Löhnen konsequenter Weise nichts. So heißt es im von ihm 2005 mit initiierten »Hamburger Appell«: »Wer behauptet, Deutschland könne und müsse ein Hochlohnland bleiben, handelt unredlich oder ignorant. (…) Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.«
Das Nein der AfD zu Merkels Politik der »Euro-Rettung« ist konsequenter Weise daher nicht nur mit einer Fortsetzung, sondern sogar mit einer Verschärfung ihrer Spar- und Kürzungspolitik verbunden. Niedriglöhne, Schuldenbremse und sinkenden Sozialleistungen ist ihr Programm. Das Nein der AfD zum Euro ist unmittelbar mit einem Ja zur Spar- und Kürzungspolitik verknüpft. Die AfD hingegen will raus dem Euro, damit durch die Aufwertung einer neuen deutschen oder nordeuropäischen Währung der Druck auf Löhne, Renten und Sozialleistungen immer größer wird. Deutschland soll seine Politik der real schrumpfenden Löhne, Renten und Sozialleistungen weiter verschärfen. Lohn- und Sozialabbau in Deutschland und in Europa ist das eigentliche Ziel hinter dem Euro-Austritt.
Wir sagen Ja zum Euro
Wir sagen: Deutschland muss Löhne, Renten und Sozialleistungen erhöhen und zusätzlich ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm auflegen, um die Ungleichgewichte im Währungsraum abzubauen. Wenn der Euro überleben soll, muss die Spar- und Kürzungspolitik beendet werden. Deshalb gibt es auch keine Gemeinsamkeiten der LINKEN mit der neuen Rechtspartei in der Eurofrage. Wir sagen Ja zum Euro aber Nein zur Spar- und Kürzungspolitik in Deutschland und in Europa. Seit fünfzehn Jahren weisen wir allerdings konsequent auf die Probleme der Konstruktion des Euros hin – aber nicht, um ihn abzuschaffen und rückwärtsgewand die D-Mark wieder einführen zu wollen – sondern um die Voraussetzungen zu schaffen, die für seinen Erhalt notwendig sind: Und das sind eine koordinierte europäische Sozial- und Wirtschaftspolitik, eine gemeinsame Finanzpolitik, eine Umverteilung des Reichtums in Europa von Oben nach Unten und mehr Demokratie in Europa.
Die AfD ist eine Rechtspartei, die wirtschaftspolitisch neoliberal, demokratiefeindlich, außenpolitisch militaristisch und latent rassistisch ist. So unterstützte AfD-Parteisprecher Konrad Adam 2006 in einer Kolumne in der Tageszeitung »Die Welt« eine zuvor von einem Gastautoren geäußerte Anregung, »den Inaktiven und Versorgungsempfängern das Wahlrecht abzuerkennen«. Im Klartext heißt das, dass Menschen, die von Sozialhilfe leben müssen oder Hartz-IV beziehen eines ihrer wichtigsten Bürgerrechte entzogen werden soll: das Wahlrecht. Diese Haltung ist demokratiefeindlich.
Die Beisitzerin im AfD-Vorstand Irina Smirnova beklagt »Parallel-Kulturen« in Deutschland. Sie schreibt »Der ausländische Anteil in unserer Gesellschaft, durch Zuzug und Geburt, wird ständig größer und damit auch die Probleme«. Menschen ohne deutschen Pass, die nach Auslaufen ihres ALG-1-Anspruches keinen Job gefunden haben, hätten ihren Lebensunterhalt nachzuweisen oder das Land zu verlassen. Hier wird offen die rassistische Karte gespielt.
AfD nicht ernster nehmen, als wir müssen
Und der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland attestierte den Deutschen im »Tagesspiegel« ein »gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt« und eine mangelnde Wertschätzung der Bundeswehr. Gegen die »pazifistische Melodie« empfahl er Bismarcks Auffassung: »Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden … sondern durch Eisen und Blut.«
Diese Zitate zeigen: Die AfD ist eine Abspaltung des konservativen und neoliberalen Bürgertums, das versucht mit autoritären, rassistischen und militaristische Anspielungen WählerInnen über den unmittelbaren Kreis klassischer Pro-DM-Parteien hinaus zu erreichen. Ihr Ziel ist es, die letzten Reste einer solidarischen Gesellschaft in Deutschland und in Europa zu beseitigen.
Wir sollten daher die von interessierten Medien hochgeschriebene Kleinstpartei von Unternehmern und Professoren, die gegenüber Erwerbslosen, RentnerInnen und normalen Beschäftigten eine tiefe Verachtung verbindet, nicht ernster nehmen, als wir müssen. Ernst nehmen müssen wir hingegen die Gefährdung des europäischen Zusammenhalts durch die – leider von SPD und Grünen – mitgetragene Europapolitik der Bundeskanzlerin. Solidarität ist unsere stärkste Waffe – das gilt nicht nur für unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik, es gilt auch für unsere Europapolitik.
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