Eurokrise: Am Bohren dicker Bretter kommen wir nicht vorbei
Von Axel Troost
Axel Troost über die Euro-Debatte der Linken und den beschwerlichen Weg zu einer Alternative Gute Debatte, Probleme bei der Vermarktung ihrer Alternativen
Es ist gut, dass die Linke über den Euro diskutiert. Der Aufhänger war weniger gut: „Die AfD hat in vielen Punkten recht“ (Sahra Wagenknecht auf n-tv) und eine daran angeknüpfte Euro-Ausstiegsdebatte. („Wir brauchen wieder ein europäisches Währungssystem“, Oskar Lafontaine auf seiner Webseite). Sahra Wagenknecht wurde in der Tat unglücklich zitiert und hat sich inzwischen deutlich von der „Alternative für Deutschland“ distanziert. Auch Oskar Lafontaine wurde verkürzt wiedergegeben (was nicht ganz so unbeabsichtigt gewesen sein dürfte). Sein Argument, um jetzt die Reißleine ziehen zu müssen: Ohne Lohnkoordinierung ist ein dauerhafter Bestand des Euros nicht vorstellbar. Damit hat er grundsätzlich recht.
Nun ist aber nicht überzeugend, warum DIE LINKE, nur weil sie kein System der Lohnkoordinierung durchsetzen kann, als Notlösung nun ein neues Wechselkursregime fordern soll, dass sie ebenfalls nicht durchsetzen kann. (Richtig überzeugt scheint Oskar Lafontaine selbst nicht von seinem Vorschlag gewesen zu sein. Laut Interview mit der Saarbrücker Zeitung sollen die nationalen Währungen parallel zum Euro eingeführt werden.) Entsprechend hielt sich die Begeisterung in der Partei in Grenzen.
Der Euro ist trotz seiner Konstruktionsfehler historische Realität. Er ist letztendlich das Ergebnis eines langen Integrationsprozesses, dem die jahrhundertelange Erfahrung von Kriegen zwischen Nationalstaaten zugrunde lag. Dummerweise hat sich jedoch kein „politischer Euro“, sondern der „unpolitische Euro“ der neoliberalen Monetaristen durchgesetzt: „Eine Währungsunion mit allen Freiheiten des Kapitalverkehrs, doch ohne die zum Funktionieren erforderliche gesellschaftliche Legitimierung und die politische Regulierung“, so Elmar Altvater in den "Blättern für deutsche und internationale Politik".
Bedingungsloses Ja zum Euro hat niemand gefordert
Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandumgruppe kritischer ÖkonomInnen, der ich seit langem angehöre) wollte immer den politischen Euro. Auch die PDS hat seinerzeit mit der Parole „Euro - so nicht!“ gegen den unpolitischen Euro gestimmt. Er lässt sich – nach nunmehr fünfzehn Jahren – aber eben nicht mehr naiv rückabwickeln. Deshalb muss die Euro-Zone und die EU zu einem wirklichen Integrationsprojekt weiterentwickelt werden.
Die damals treffende Parole „Euro - so nicht!“ deutet aber nunmehr eine Ausschluss-, Austritts- oder Nord-Süd-Euro Perspektive an. Genau dies wollen wir nicht. Sie kann auch keine Gegenparole zu einem „bedingungslosen Ja zum Euro“ sein – denn dies hat sowieso niemand gefordert.
Das „Ja zum Euro“ hat gute Gründe: Der Übergang zu nationalen Währungen dürfte katastrophal verlaufen – Kapitalverkehrskontrollen hin oder her: Die Währung der Krisenstaaten würde drastisch abwerten, was mit einem Schock für die dortige Wirtschaft verbunden wäre. Dies ist aus früheren Währungskrisen leidlich bekannt. Für Deutschland wäre die drastische Aufwertung der eigenen Währung ebenfalls fatal. Die Schuldner in den Krisenstaaten könnten ferner ihre in Fremdwährung nominierten Auslandsschulden nicht mehr bedienen, wodurch die Krise weitere Kreise ziehen würde. Die Krisenstaaten könnten zwar mithilfe der abgewerteten Währung wieder besser exportieren, aber zugleich lebenswichtige Importe (z.B. für Erdöl, Medikamente) kaum noch bezahlen.
Wäre die Anpassungsphase schließlich überwunden, wäre immer noch kein besonders erstrebenswerter Zustand erreicht. Mit Rückkehr zum Europäischen Währungssystem kämen Wechselkursrisiken und höhere Transaktionskosten zurück. Gerade kleinere Staaten müssten sich auch wieder gegen starke Kursschwankungen und spekulative Attacken wappnen.
Denn anders als in der Lehrbuchökonomie neigen auch Währungsmärkte eher zu Kapriolen, als brav ins Gleichgewicht zu streben. Daneben sind die Wechselkurse bisher alles andere als frei, denn weltweit manipulieren Regierungen und Zentralbanken sie auf mannigfaltige Art und Weise. Mit dem alten System wäre also nicht besonders viel gewonnen. Will man stattdessen ein gänzlich neues Währungssystem, ist man wieder im (durchaus legitimen) Bereich des Wünsch-Dir-Was, den Oskar Lafontaine aber angeblich gerade verlassen wollte.
Ein ganzes Bündel von Forderungen
Klar ist: Der Euro ist in seiner jetzigen Form eine Fehlkonstruktion. Dies zu diagnostizieren, ist heute keine Meisterleistung mehr. Auch die Euro-Rettungspolitik ist angesichts des mit miserablen Konjunkturaussichten gepaarten vielfachen sozialen Elends offensichtlich gescheitert.
Wir müssen aber nicht nur die Fehler der Anderen benennen, sondern mit Alternativen punkten. Wie man sich, so Altvater, der „Sachzwangsjacke“ einer Währung durch politischen Beschluss entledigen kann, so gilt dies auch für andere vermeintliche Sachzwänge.
Wir haben ein ganzes Bündel von Forderungen zur Krisenüberwindung, etwa im Bereich der Steuerpolitik, der Staatsfinanzierung, dem Abbau außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte und der Banken- und Finanzmarktregulierung. Viele dieser Maßnahmen können wir genau durchbuchstabieren. Bei anderen, wie dem Wiederaufbau der Realökonomien in den Krisenländern oder dem Austarieren und Neukonfigurieren der Entscheidungsgewalt auf europäischer und nationaler Ebene müssen wir aber noch überzeugender werden. Letztlich würde keine unserer Maßnahmen allein die Eurokrise beheben. In der Summe würden sie jedoch wirken (mehr dazu findet man hier).
Wir haben inzwischen – das zeigt die Diskussion der letzten Tage – in der Partei ein beachtliches Diskussionsniveau erreicht. Es gelingt uns aber nicht, unsere Lesart zu vermarkten. Dies liegt auch daran, dass die Eurokrise viele Ursachen hat, die je nach politischer Agenda selektiv in den Vordergrund geschoben werden. So kann die Bundesregierung ihre stupide Sparpolitik mit Episoden zum griechischen Steuerwesen, zur Geldwäsche in Zypern etc. für große Teile der Bevölkerung hinreichend überzeugend ummanteln.
Der Weg zu einem sozialen, solidarischen und nachhaltigen Europa ist deswegen noch sehr weit. Die linken Parteien und die sozialen Bewegungen in den einzelnen Ländern kämpfen noch weitgehend alleine (siehe dazu auch den Beitrag von Claus Offe in den Blättern). Sie haben noch keine gemeinsamen Forderungen und nicht in Ansätzen gemeinsame Gegnerfixierungen. Das darf uns aber nicht davon abhalten, unseren zähen Weg weiter zu beschreiten.
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