Viel zu zaghaft - Die Finanzmarktregulierung der Bundesregierung: Zwar "stets bemüht", aber letztlich mutlos und zahnlos
Rede von Dr. Axel Troost am 16. Mai 2013
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Europa steckt nach wie vor in einer tiefen Krise. Das liegt daran, dass die Bundesregierung unverändert an einer verbohrten und falschen Sparpolitik festhält. Im Gegensatz dazu stimmt bei der Finanzmarktregulierung zumindest die Richtung. Aber ich will heute eine ernüchternde Bilanz der letzten Zeit ziehen. Zu den heutigen Gesetzentwürfen hat meine Kollegin Barbara Höll das Wesentliche gesagt. Über das peinliche Trennbankengesetz und die Finanzaufsicht werden wir morgen reden.
Fangen wir mit einer Institution an, über die hier selten geredet wird, den Bankenrettungsfonds, den Soffin. Dieser aus der Zeit der Großen Koalition übernommene Fonds weist inzwischen einen Verlust in Höhe von 23 Milliarden Euro auf. Er sollte ursprünglich 2010 auslaufen. Er wurde aber Anfang 2012 reaktiviert und Ende 2012 abermals verlängert, weil Banken nach wie vor zu groß zum Scheitern sind und im Notfall wieder Staatsgelder benötigen. Wegen dieses Problems haben Sie das Restrukturierungsgesetz geschaffen, auf das Sie besonders stolz sind.
(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Zu Recht!)
Nur, dieses Gesetz hat einen großen Nachteil: Aus ideologischen Gründen ist festgelegt, dass der Staat erst dann eingreift, wenn alles andere gescheitert ist. ‑ Ein führender Vertreter einer großen Anwaltskanzlei, der bisher an allen großen Bankenrettungen beteiligt war und sich daher auskennen muss, hat gesagt: „In Fachkreisen wird bezweifelt, ob dieses Instrument jemals zur Anwendung gelangen wird.“
Ein weiterer Flop ist die Begrenzung der Managergehälter. Jetzt werden zwar Bonuszahlungen im Verhältnis zum Fixgehalt gedeckelt, was nicht Ihre Idee war. Aber dieser kleine Erfolg ändert nichts daran, dass nach wie vor horrende Gehälter gezahlt werden, die nichts mit den geschaffenen Werten zu tun haben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Nächster Punkt. In sehr großem Umfang sind inzwischen Geschäfte in den unregulierten Sektor abgewandert, in den sogenannten Schattenbanksektor. Bei dessen Regulierung haben Sie überhaupt keine Erfolge vorzuweisen.
Beim Hochfrequenzhandel haben Sie im Wesentlichen den Status quo festgeschrieben. Sie haben also die bescheidenen Sicherheitsmaßnahmen verpflichtend gemacht, welche die Börsen aus Eigeninteresse sowieso schon eingeführt hatten.
Sie haben zwar die EU-Ratingverordnung umgesetzt. Aber die Schlupflöcher sind nach wie vor riesengroß. Sie haben es verpasst, eine große europäische Ratingagentur zu schaffen, die das Oligopol der bisherigen Ratingagenturen durchbricht.
Im Bereich des Anlegerschutzes haben Sie sicherlich eine Reihe von Verbesserungen erreicht. Aber weder konnten Sie sich durchringen, die provisionsgetriebene Beratung wie in anderen Ländern abzustellen, noch haben Sie die Verbraucherzentralen gestärkt.
Bei Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen haben Sie einige Einschränkungen vorgenommen. Doch damit regulieren Sie nur einen winzigen Teil des Finanzmarkts.
Den Derivatehandel haben Sie transparenter und sicherer gemacht. Sie lassen den Wildwuchs an riskanten und undurchschaubaren Derivaten aber ansonsten unangetastet.
(Dr. Daniel Volk (FDP): Aber immerhin!)
Wir brauchen nach wie vor nicht ein Hinterherregulieren, sondern einen Finanz-TÜV, der nur diejenigen Finanzprodukte genehmigt, die nützlich, beherrschbar und verständlich sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Vertreter aller Parteien hatten gestern ein Gespräch mit Bankern. Aus dem Mund von Bankern haben wir gehört, dass in Deutschland 1 Million Zertifikate unterschiedlicher Art vertrieben werden und dass davon mindestens 700 000 überflüssig sind. Es bleibt dabei: Hier erfolgt nichts in Richtung Regulierung. Natürlich ist Finanzmarktregulierung wegen der internationalen Abstimmung ‑ das ist unbestritten ‑ eine mühsame Arbeit. Das erklärt aber nicht, warum etliche Ihrer Gesetze nur Symbolpolitik sind. Es geht in der Tat darum, ein großes Problem zu lösen, nämlich die Machtverhältnisse. Hier muss man entsprechend herangehen.
Das ist aber eben nicht gelungen, weil man sich, wenn das gelingen soll, mit der Lobby in ganz anderem Umfang auseinandersetzen muss. Dass die Branche nach wie vor sehr ruhig ist, zeigt, dass das, was beschlossen worden ist, ihr nicht wirklich wehtut.
Deswegen muss man ganz eindeutig sagen: Ihre Regulierung war umfangreich. In einem Zeugnis würde man formulieren: Sie haben sich ständig bemüht. ‑ Aber Sie waren nicht ambitioniert genug; von einem Meilenstein, Herr Michelbach, kann noch nicht einmal in Ansätzen die Rede sein.
(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Ihre Rede ist auch keiner!)
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
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