RLS Manuskripte: Wohlstand - Wie anders? Linke Perspektiven
Ulrich Brand, Katharina Pühl, Stefan Thimmel (Hrsg.)
Die vorliegenden Beiträge wurden im Anschluss an die inhaltlich produktive und zudem sehr gut besuchte Konferenz «Wohlstand – wie anders. Linke Perspektiven nach der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität» im April 2013 in Berlin zusammengestellt. Auf der Tagung haben wir wichtige Anschlüsse und offene Fragen diskutiert. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Ausrichterin der Konferenz hat sich von Beginn an in den Arbeitsprozess der Enquete-Kommission eingebracht. Mit den vorliegenden Beiträgen hoffen wir, zur politischen Klärung, zur Präzisierung von Problemen und zur Formulierung angemessener linker politischer Strategien beizutragen. All dies geschieht aufgrund der Annahme, dass die Überwindung der multiplen Krise des Kapitalismus mit emanzipatorischen, solidarischen sowie demokratischen Mitteln und nachhaltig erfolgen muss. Hier spielen die Kritik an kapitalistischen Wachstumstreibern und an kapitalistischer, patriarchaler und imperialer Herrschaft sowie ein linkes Verständnis von Wohlstand und Lebensqualität eine entscheidende, aber auch innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Linken noch unterschätzte Rolle.[...]
Die Enquete-Kommission «Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft» des Deutschen Bundestags hat im April 2013 nach gut zweijähriger Tätigkeit ihre Ergebnisse in Form eines Abschlussberichts vorgelegt. Darin werden drängende Probleme und zukunftsweisende Fragen diskutiert, die auch für linke Positionen wichtig sind. Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage, «ob die Orientierung auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausreicht, um Wohlstand, Lebensqualität und gesellschaftlichen Fortschritt angemessen abzubilden» (aus dem Antrag zur Einsetzung der Kommission im Herbst 2010).
Mit Enquete-Kommissionen verfügt das Parlament über ein Instrument, parteiübergreifend und über die Tagespolitik hinaus besonders gesellschaftsrelevante Themen und Problemstellungen aufzugreifen, intensiv zu bearbeiten und Empfehlungen zu ihrer Bewältigung abzugeben. Wenn dies gelingt, können solche Untersuchun-gen einen Beitrag zur gesellschaftlichen Konsensfindung leisten und die notwendige Grundlage bieten für eine neue, reformorientierte Politik. Zumindest aber werden bei einer entsprechenden analytischen Tiefe die grundlegenden Differenzen in der
politischen Auseinandersetzung deutlich.
Die Ergebnisse der Enquete-Kommission «Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität» sind ambivalent und, gemessen an den postulierten Ansprüchen, tendenziell als enttäuschend einzuschätzen. Obwohl ihre Einsetzung mit der Wirtschaftskrise 2008 ff und sinkenden oder gar negativen Wachstumsraten zu tun hat, agierte sie in einem paradoxen Umfeld: Zum einen greifen in der Bevölkerung, Öffentlichkeit und Wissenschaft und sogar in Unternehmerkreisen Positionen um sich, die aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Gründen die einseitige Orientierung am Wirtschaftswachstum hinterfragen. Zum anderen lauten die drei Kernforderungen, um die Krise zu überwinden: «Wachstum, Wachstum, Wachstum». Entsprechend hatten die in der Enquete-Kommission tonangebenden Abgeordneten und Sachverständigen aus dem Lager der Union und FDP wenig Interesse daran, neue Anstöße zu geben. Das Modell Deutschland und die Wachstumsfixierung sollten nicht infrage gestellt werden. Eine intensive Diskussion über die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise oder gar der multiplen Krise wurde weitgehend unterbunden.
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