Mehr Gerechtigkeit durch mehr Steuerprüfer
Von Bernhard Müller
Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wollen den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Nach einem entsprechenden Vorstandsbeschluss soll es – nach hessischem Vorbild – eine Kampagne »Null-Toleranz für Steuerhinterzieher« mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion geben.
In der Begründung heißt es: »Wir wollen mit besseren Gesetzen, mehr und besseren Kontrollen und dem entschiedenen politischen Willen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung unterbinden. Und wir wollen mit einem gerechten Steuersystem sicherstellen, dass unser Geld dort eingesetzt werden kann, wo es hingehört: in Deutschland – und zwar für Bildung, Wohlstand und Gerechtigkeit.« Klingt gut, denn der Handlungsbedarf ist gewaltig.
So kann man der vom Bundesfinanzministerium erstellten Betriebsprüfungsstatistik 2012 entnehmen, dass die Finanzämter im vergangenen Jahr durch Betriebsprüfungen fast 19 Mrd. Euro eingenommen haben. Personaleinsatz: etwa 13.300 Prüfer. Jeder von ihnen hat dem Fiskus also 1,43 Mio. Euro zusätzlich eingebracht – bei Personalkosten von etwa 75.000 Euro pro Kopf im Jahr. Doch könnten die Einnahmen noch viel höher sein, wenn die Finanzämter personell besser ausgestattet würden. Um Schlupflöcher zu finden und Steuererklärungen zu prüfen, fehlt oft das Personal.
Das führt dazu, dass von den 8,5 Mio. Betrieben, die in den Karteien der Finanzämter stehen, im Jahr 2012 nur knapp 200.000 überprüft wurden, also 2,3%. Große Betriebe bekommen dabei häufiger Besuch vom Finanzamt als kleine, nämlich alle fünf Jahre im Vergleich zu einer Prüfung einmal in hundert Jahren bei Kleinstbetrieben.
Die Betriebsprüfung ist Sache der Länder. Deren Finanzverwaltungen bräuchten nach Einschätzung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, 10-20% mehr MitarbeiterInnen. Selbst dann würden die Betriebe zwar nur alle paar Jahre geprüft, dafür aber gründlich. »Das Minus an Personal äußert sich darin, dass wir angehalten sind, Betriebsprüfungen schnell abzuhandeln, und nicht in die Tiefe gehen können.«
So geht Bayern nach einem Bericht des Obersten Bayrischen Rechnungshofs jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag durch die Lappen, weil den bayrischen Finanzämtern mit ihren derzeit 1.800 Betriebsprüfern 450 Betriebsprüfer für einen angemessenen Steuervollzug fehlen. In sozialdemokratisch regierten Bundesländern wie Hamburg ist die Situation nicht anders.
Weshalb verzichten die Länder auf einen personell angemessenen Steuervollzug, der ihnen deutlich verbesserte Einnahmen bringen würde? Warum investieren sie nicht in mehr Personal, wenn sie dadurch Millionen einnehmen könnten? Verantwortlich dafür ist eine Mischung aus von der »Schuldenbremse« noch verschärfter Haushaltskonsolidierungspolitik, die vor allem beim Personal spart, und einer kurzsichtigen Standortpolitik, die darauf setzt über eine lasche Steuerprüfungspraxis bei Unternehmen und Vemögensbesitzern den regionalen Wirtschaftsstandort zu stärken. Dass dies auch in von der SPD regierten Bundesländern durchgängige Praxis ist, trägt nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Initiative der Bundespartei bei.
Welche Schätze durch einen besseren Steuervollzug gehoben werden könnten, zeigt der Erfolg der Steuer-CDs. So haben sich bis Ende Juli 2013 bundesweit erneut 12.176 Steuerhinterzieher selbst angezeigt. Das berichtet die Zeitung »Euro am Sonntag« unter Berufung auf eine eigene Umfrage bei den Finanzministerien der Bundesländer.
Laut dieser Umfrage ist Baden-Württemberg mit 2.544 Selbstanzeigen in den ersten sieben Monaten Spitzenreiter – das sind fünfmal so viele Fälle wie im Vorjahr. Auf Platz zwei folgt Nordrhein-Westfalen mit 2.131 Fällen, Bayern liegt mit 1.880 Fällen auf Platz drei. Das mit knapp vier Millionen Einwohnern relativ kleine Rheinland-Pfalz belegt mit 1.554 Fällen Rang vier noch vor Niedersachsen (1.391) und Hessen (1.302). Mecklenburg-Vorpommern meldet gerade einmal sieben Fälle.
Die Mehreinnahmen durch Selbstanzeigen seit 2010 beziffern allein sieben der befragten Länder auf über 3,7 Mrd. Euro. An der Spitze steht Baden-Württemberg mit 1,71 Mrd. Euro, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (671 Mio. Euro), Hessen (509), Hamburg (430), Niedersachsen (148), Schleswig-Holstein (142) und Berlin (125). Bayern und Rheinland-Pfalz haben bislang keine Zahlen genannt, die Mehreinnahmen dürften aber ebenfalls im dreistelligen Millionen-Bereich liegen.
Ein deutlich verbesserter Steuervollzug könnte einen Beitrag zu mehr Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland leisten. Es trägt allerdings wenig zur Glaubwürdigkeit der SPD-Initiative bei, wenn im gleichen Atemzug die Möglichkeit von Steuersenkungen in Aussicht gestellt wird. Denn bezogen auf die gesellschaftlichen Herausforderungen wie den gewaltigen Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur, die unzureichende soziale Mindestsicherung und die infolge zu niedriger Löhne schwächelnde Binnenkonjunktur, markieren die von der SPD im Wahlprogramm geforderten Steuererhöhungen (Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49% und Wiedereinführung der Vermögenssteuer) im besten Fall ein Mindestniveau. Dies umso mehr als sich auch die Sozialdemokratie auf die »Schuldenbremse« verpflichtet hat, die sich immer stärker zu einer Investitions- und Wachstumsbremse entwickelt.
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