Kommune gewinnt Rechtsstreit gegen Bank - WestLB und andere Großbanken drehten Städten und Gemeinden hochriskante Finanzprodukte an
Von Hermannus Pfeiffer
Milliardenverluste entstanden Kommunen durch Zockergeschäfte, die Banken ihnen in den 2000er Jahren massenhaft aufschwatzten. Jetzt siegte eine Gemeinde gegen eine Bank vor Gericht.
In Düsseldorf fiel in dieser Woche die erste obergerichtliche Entscheidung über verlustbringende Finanzprodukte der ehemaligen WestLB. Die Stadt Ennepetal im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte geklagt und wie bereits in erster Instanz vor dem Landgericht gesiegt. Erstmals hat damit ein Oberlandesgericht bestätigt, dass Banken wohl jahrelang Hunderte Kommunen in Deutschland über den Tisch gezogen haben, und ihnen Milliardenverluste bescherten, weil es ihnen gelungen war, sie zum Abschluss hochriskanter Geschäfte zu bewegen.
Beobachter sprechen von einem juristischen Durchbruch. Die Kleinstadt im südlichen Ruhrgebiet ist nämlich kein Einzelfall. Seit 2003 haben Banken gezielt Kommunen und kommunale Versorgungsunternehmen, wie beispielsweise Stadtwerke, massiv angesprochen. Zur vorgeblichen Optimierung der Zinslasten wurden den Kommunen mehr oder weniger riskante Finanzdeals (»Swaps«) angeboten. Besonders hervor tat sich bei solchen Zinswetten die Deutsche Bank. Andere große Kreditinstitute wie die Commerzbank, Hypo-Vereinsbank oder die nordrhein-westfälische Landesbank WestLB warben ebenfalls offensiv für ihre »Schuldenportfolioverwaltungen«. Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW hatten laut Steuerzahlerbund daraufhin von 396 Kommunen 188 riskante Spekulationsgeschäfte abgeschlossen! »Deutschlandweit«, so die Interessengemeinschaft WestLB - ein Zusammenschluss mehrerer Opferkommunen - »geht man davon aus, dass die Schäden die Milliardengrenze weit überschreiten«.
Bürgermeister und Kämmerer vor allem von hoch verschuldeten Kommunen hofften, durch Zinswetten und Devisentransaktionen mit Schweizer Franken ihre Haushalte zu entlasten. Doch bei dem an sich ehrenwerten Versuch, die klammen Stadtkassen zwischen zu niedrigen Einnahmen, zu hohen Ausgaben und einem wachsenden Schuldenberg hindurchzulavieren, wurde in mancher Kommune voll auf Risiko gespielt. Den dazu notwendigen, unübersichtlichen Werkzeugkasten lieferten private und öffentliche Banken auf ihrer Jagd nach provisionsträchtigen Geschäften.
Dabei verbieten viele Gemeindeordnungen und Runderlasse der Innenministerien den Kommunen eigentlich riskante Finanzgeschäfte. Doch im Regelfall dürften Politiker und Bedienstete in den meist kleineren Städten und Gemeinden fachlich überfordert gewesen sein, konnten die - so ein Anwalt - »finanziellen Massenvernichtungswaffen« nicht durchschauen.
Hier setzt das Düsseldorfer Urteil einen Meilenstein, auch für die zukünftige Zusammenarbeit von Kommunen und Finanzdienstleistern: Banken haben bei Zinswetten und anderen komplizierten Produkten die Pflicht, über Risiken aufzuklären. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist juristisch Neuland: Bislang war dieser Punkt nur für Verbraucher und Geschäftskunden richterlich entschieden.
In Nordrhein-Westfalen liegen mittlerweile 14 erstinstanzliche Urteile von verschiedenen Landgerichten gegen die ehemalige WestLB und deren Rechtsnachfolgerin, die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), vor. Lediglich die Stadt Remscheid unterlag vor dem Landgericht Düsseldorf. »Sämtliche anderen Gerichte haben die Pflichtverletzung der ehemaligen WestLB erkannt und die EAA als Rechtsnachfolgerin zum Schadensersatz verurteilt«, berichtet Jochen Weck von der Kanzlei Rössner Rechtsanwälte in München. Das Landgericht Dortmund habe die Geschäfte sogar als sittenwidrig angesehen. In sämtlichen Fällen laufen die Berufungsverfahren vor den unterschiedlichen Oberlandesgerichten.