Europa: Viele Arbeitnehmer verlieren
Böckler Impuls Ausgabe 19/2013
Sinkende reale Arbeitseinkommen waren lange Jahre ein deutsches Phänomen. Inzwischen hat der Negativ-Trend jedoch einen großen Teil Europas erfasst - während Arbeitnehmer hierzulande nun einen bescheidenen Kaufkraftzuwachs erleben.
Den Löhnen in Europa droht nach wie vor eine Abwärtsspirale: In 20 von 28 EU-Staaten mussten die Beschäftigten im vergangenen Jahr Reallohnverluste hinnehmen, im Durchschnitt der Gemeinschaft gingen die Löhne preisbereinigt um 0,7 Prozent zurück. Das geht aus dem neuen Europäischen Tarifbericht des WSI hervor. Für das laufende Jahr erwartet die Europäische Kommission, deren Statistiken WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten ausgewertet hat, immer noch Reallohnverluste in 12 Ländern. Und das, obwohl die Inflation deutlich gesunken ist. Im EU-Mittel ergibt sich lediglich ein winziges Plus von 0,2 Prozent. Besonders drastisch ist die Entwicklung in einigen Ländern Südeuropas: Für Griechenland wird in diesem Jahr ein Rückgang des Reallohnniveaus um 6,2 Prozent prognostiziert, Zyperns Löhne werden 2013 preisbereinigt um 8,5 Prozent sinken. Aber auch in den Niederlanden, Großbritannien oder Irland drohen den Beschäftigten wieder reale Lohnverluste, zum Teil im vierten Jahr hintereinander.
Die deutschen Reallöhne entwickeln sich günstiger: Die EU-Kommission rechnet für 2013 mit einem Plus von 0,6 Prozent. Betrachtet man nur die Tariflöhne, liegt die Steigerung bei 1,1 Prozent. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Ländern, deren Beschäftigte im Durchschnitt seit 2010 inflationsbereinigt spürbare Lohnzuwächse verzeichnen. Allerdings konnte mit einer Reallohnsteigerung von insgesamt 2,8 Prozent laut Schulten bislang nur knapp die Hälfte der Einbußen ausgeglichen werden, die zwischen 2001 und 2009 aufgelaufen waren: In diesem Zeitraum war Deutschland der einzige EU-Staat, dessen Reallohnniveau sank - um insgesamt 6,2 Prozent. Der Verteilungsspielraum, der sich aus der Summe von Produktivitäts- und Preisentwicklung ergibt, wird in den Jahren 2012 und 2013 hierzulande wieder ausgeschöpft - nachdem die Bilanz in den beiden letzten Jahrzehnten aus Arbeitnehmersicht fast durchgängig negativ war.
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