Geheimnisse beim Datenschutz
Von Hermannus Pfeiffer
Der Versicherungskonzern Allianz übergibt Ende März die Daten seiner 78 Millionen Kunden an das US-Computerunternehmen IBM. Ist das für diese ein Sicherheitsrisiko?
Das Bundesfinanzministerium hält es zumindest für möglich, dass US-Geheimdienste deutsche Versicherungskunden ausspionieren. Dies geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Zwar lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, aber ein solcher Zugriff sei »theoretisch nicht auszuschließen«, heißt es darin. Wie viele Banken und Versicherungen ihre Kundendaten an in- und ausländische Dienstleister ausgelagert haben, ist der Bundesregierung unbekannt. Eine Beurteilung sei »nur aufgrund konkreter Einzelfälle möglich«.
Ein solcher Einzelfall liegt allerdings bereits vor: Der Münchner Versicherungsriese Allianz übergibt Ende März den Betrieb seiner Rechenzentren an den US-Computerkonzern IBM. In ihnen werden die vertraulichen Daten von 78 Millionen Kunden verarbeitet. Bis Ende 2017 will IBM die weltweit 140 Allianz-Rechenzentren in sechs zentralisieren. Dennoch sieht die Bundesregierung derzeit Handlungsbedarf weder in Fällen, in denen unübersichtlich große US-Konzerne von Deutschland aus auf Daten zugreifen können, noch in Fällen, in denen Dienstleister in den USA an »deutsche« Daten gelangen.
Oliver Graf, Datenschützer der Allianz, versichert immerhin: »Deutsche Daten bleiben in Europa.« Laut Allianz sollen die Informationen von IBM in Frankfurt und Paris bearbeitet werden. Entsprechende EU-Datenschutzregeln würden eingehalten. Mögliche Hintertürchen für Geheimdienste hält der in mehr als 70 Ländern tätige Versicherungsverkäufer für fest verrammelt.
Solche Aussagen stoßen bei unabhängigen Datenschützern allerdings auf Skepsis. Die auch politisch brisanten Antworten aus dem Hause von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält der Vorsitzende der bundesweiten »Arbeitsgemeinschaft Versicherungswirtschaft« der Datenschützer, Thilo Weichert, für »durchgängig zutreffend«. Wenn der Regierung darüber hinaus handfeste Informationen über Zugriffe vorlägen, dürften »diese klassifiziert sein« - also geheim!
In dieselbe Kerbe schlägt der Finanzexperte der Linksfraktion, Axel Troost: »Die Bundesregierung will vom Datenklau durch die NSA lieber gar nichts wissen, um nicht tätig werden zu müssen.« Stattdessen greife sie zum immer beliebteren Mittel der Geheimhaltung, sagte Troost dem »nd«. Die Regierung stelle damit zum wiederholten Male privatwirtschaftliche Geschäftsgeheimnisse über die Informationsrechte der Bevölkerung. Weder solle nachvollziehbar sein, welche Unternehmen die Auslagerung ihrer Datenverarbeitung »erwägen«, noch solle die Öffentlichkeit erfahren, ob die NSA an deutsche Geheimdienste Daten hiesiger Finanzdienstleister geliefert habe. Troost fordert die Bundesfinanzaufsicht auf, endlich auch den Datenschutz in Banken und Versicherungen zu überprüfen.
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