Russland und die Wirtschaftssanktionen - wie der Westen Russland arm und sich selbst reich rechnet
Von Heiner Flassbeck
Und wieder ist der Wunsch der Vater des Gedankens: In den Medien und in den Expertenzirkeln wird gemutmaßt, wie empfindlich Russland von westlichen Wirtschaftssanktionen getroffen werden könnte. Und natürlich, wie könnte es anders sein, ist die Mehrheit der Experten der Meinung, das Land werde hart getroffen, wenn es weniger westliche Güter und weniger westliches Kapital einführen könnte.
Vorneweg verkündete schon vor Tagen Spiegel-Online (Nikolaus Blome, das ist der Mann, der von BILD kam), dass Putin der Verlierer ist. Die Begründung war und ist mit naiv kaum noch zu beschreiben: „Russland ist längst Teil der Weltwirtschaft, braucht zur Modernisierung des Landes ausländische Investitionen und Know-how. Davon schneidet Wladimir Putin sein Land ab, zum eigenen Schaden“.
Das Handelsblatt hat immerhin mitbekommen, dass Russland an dem Phänomen leidet, das man „holländische Krankheit“ nennt, also einer übergroßen Abhängigkeit von Industriegütereinfuhren (meist begünstigt durch eine übermäßige Aufwertung der Währung), die vor allem durch Rohstoffexporte bezahlt werden.
Wenn Letzteres stimmt, wofür einiges spricht, dann sind die vom Westen angedachten Sanktionen hervorragend dazu geeignet, diese Krankheit zu heilen. Erstens hilft die schon in Gang gekommene Abwertung des Rubel, die Abhängigkeit von Importen zu vermindern. Das ist in der Tat das Beste, was dem Land passieren kann, weil es in den vergangenen Jahren viel zu viele Güter zu Lasten der eigenen Industrie eingeführt hat, die es auch im Lande hätte produzieren können. Verringert der Westen den Verkauf solcher Güter an Russland durch Sanktionen noch zusätzlich, desto besser, weil die Umstellung auf inländische Produktion dann umso schneller geht. Man muss in Russland keine westlichen Autos fahren und, selbst wenn man sie fahren will, kann man den Kauf eines neuen Autos oder einer neuen Maschine in der Regel leicht um einige Jahre aufschieben, nämlich genau so lange, bis man sie auch zu Hause produzieren kann.
Umgekehrt ist es im Westen. Wer von Rohstoffen abhängig ist und keine großen eigenen Reserven besitzt, kann sehr schnell in eine Situation geraten, in der selbst eine kleine physische Verknappung den Preis dieser Rohstoffe erheblich in die Höhe treibt – zumal wenn die physischen Rohstoffmärkte von den Finanzmärkten dominiert werden. Letztere geraten leicht bei jeder kleinen Preisbewegung oder überschaubaren politischen Aktionen in Panik und tendieren dazu, eine einmal in Gang gekommene Bewegung beträchtlich zu verstärken. Also Vorsicht, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!
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