"Nachhaltige Finanzpolitik sieht anders aus!"
Rede von Axel Troost zum Einzelplan Finanzen des Haushalts 2014
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Budgetrecht ist ein großes Recht des Parlaments. Deswegen sind Haushaltsberatungen immer etwas Besonderes. Aber zum Haushalt gehören eben nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnahmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen will ich als Finanzpolitiker etwas dazu sagen.
In der Tat: Wir haben ein neues Parlament gewählt, und wir haben eine neue Koalition. Im Gegensatz zu all den Wahlkampfaussagen werden die Fragen, wer die Ausgaben eigentlich finanziert und wie es um die Steuergerechtigkeit in diesem Land steht, in dieser Koalition und in der SPD inzwischen überhaupt nicht mehr gestellt. Zwar haben wir im Finanzausschuss interessante Debatten über den Mehrwertsteuersatz für Hörbücher geführt; aber ansonsten herrscht absolute Stille.
Man hört immer wieder das Argument: Wir haben die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik. - Das ist eine Aussage ohne großen Inhalt; denn in einer wachsenden Wirtschaft mit Inflation hat man immer steigende Steuereinnahmen. In nahezu jedem Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland lagen die Steuereinnahmen des laufenden Jahres über denen des Vorjahres. Man müsste sich große Sorgen machen, wenn es nicht so wäre; denn dann wären wir in einer Krise.
(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! Richtig!)
Es muss aber auch immer wieder gesagt werden: Verglichen mit der letzten Steuerschätzung vor der Finanzkrise, also im Jahr 2008, haben wir immer noch rund 40 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, als damals in der Prognose für 2012/2013 geschätzt worden ist.
Eine Aussage zu Steuerbelastungen kann man nur treffen, wenn man sie ins Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit setzt, wenn man sich also die sogenannte Steuerquote anschaut. In der Tat: Die Steuerquote war in den letzten 30 Jahren relativ konstant. Sie ist vergleichsweise niedrig. Von zu hohen Steuern in der Bundesrepublik kann also überhaupt keine Rede sein.
Was die Steuerquote nicht aussagt, ist, wer die Steuern zahlt. Da muss man eine dramatische Verschiebung feststellen: weg von den Reichen und den Unternehmen hin zur Masse, die inzwischen diesen Staatshaushalt finanziert. An dieser Stelle muss ein Einnahmen-, ein Steuerkonzept ansetzen. Da sind wir als Linke leider die Einzigen, die hier den Finger in die Wunde legen.
(Beifall bei der LINKEN)
Eine weitere Baustelle, die mir ganz wichtig ist, ist der Steuervollzug. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dem Bund, aber auch den Ländern und Kommunen Jahr für Jahr hohe Milliardenbeträge verloren gehen, weil einige Bundesländer kein Interesse daran haben, ihre Unternehmen ordentlich zu prüfen. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass den Haushalten dadurch nach wie vor bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr verloren gehen. Im Zuge der letzten Föderalismusreform haben wir versucht, das zu ändern. Das ist gescheitert.
Bundesfinanzminister Eichel hat immerhin beschlossen, dass innerhalb von zehn Jahren das Bundeszentralamt für Steuern personell deutlich aufgestockt wird: dass die Zahl der Bundesbetriebsprüfer um 500 Personen erhöht wird. Das ist eine Verfünffachung. Das hört sich toll an, ist es aber leider nicht, weil schon damals die Übernahme von über 7 000 erfahrenen Prüfern von den Ländern erforderlich gewesen wäre, verbunden mit einer alleinigen Zuständigkeit des Bundes für die Prüfung von Großbetrieben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes, der uns vorliegt, ist von den zusätzlichen 500 Planstellen bisher nur ein kleiner Teil besetzt. Aus den Ländern werden maximal 100 Menschen mit Prüferfahrung kommen; der Rest soll ohne Spezialwissen eingestellt werden. Der Bundesrechnungshof moniert - ich zitiere: "Statt den Bundestag über die geänderten Rahmenbedingungen zu informieren, konzentriert sich das Bundesfinanzministerium vorrangig auf die rein nominelle Zielerreichung von 500 zusätzlichen Betriebsprüfern bis zum Jahr 2016". Zu Deutsch: Die Zahl soll irgendwie erreicht werden; um qualifiziertes Prüfen geht es überhaupt nicht. Dort wird auch noch einmal beschrieben, das diese Prüfer auch inhaltlich überhaupt nicht in die Lage versetzt werden, die Prüfungen entsprechend vorzunehmen, und man deswegen nach wie vor davon ausgehen muss, dass hohe Milliardenbeträge, die nach dem geltenden Steuerrecht zu zahlen wären, nicht erzielt werden, weil es sozusagen im Vollzug scheitert. Hier hat der Bund eine hohe Verantwortung. Das Bundesfinanzministerium sagt, man habe das nicht weiter verfolgt, weil man die Bund-Länder-Beziehungen nicht habe belasten wollen.
Das reicht nicht aus. Wir brauchen dringend zusätzliche Einnahmen, nicht nur über neue Steuern, sondern auch durch eine Verbesserung des Steuervollzuges. Da ist das Bundesfinanzministerium dringend gefordert; denn man kann nur sagen - da würde ich dem Kollegen Brinkhaus völlig widersprechen: Wer der nächsten Generation kaputte Infrastruktur und kaputte Umwelt übergibt, lebt auf Kosten der Kinder und Enkel. Das muss man immer wieder so deutlich formulieren.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Nachfolgend finden Sie die Rede auch als Videomitschnitt