Der Bankenrettungsfonds: ein Wolkenkuckucksheim
Von Axel Troost
Der Bundesrechnungshof hat der 2010 beschlossenen Bankenabgabe ein miserables Zeugnis ausgestellt: "Die Bankenabgabe erfüllt nicht die in sie gesetzten Erwartungen", zitiert das Handelsblatt aus einem Bericht der Finanzkontrolleure. Die Abgabe speist einen Fonds zur Rettung maroder Banken. Doch mit insgesamt 1,8 Milliarden Euro wurde in den letzten drei Jahren gerade einmal die Hälfte der ursprünglich prognostizierten Einnahmen erzielt. Dies hat zur Folge, dass erst unsere Urenkel oder Ururenkel mit einem gefüllten Fonds rechnen können: "Bei Fortschreibung der bisher erzielten Einnahmen wird der vom Gesetzgeber angestrebte Kapitalstock von 70 Milliarden Euro erst in 100 Jahren erreicht", so der Bundesrechnungshof. Und das bedeutet: "Bei größeren Hilfsmaßnahmen müsste der Fonds bis auf weiteres Kredit- und Garantieermächtigungen und damit öffentliche Mittel in Anspruch nehmen."
Das Aufkommen der Bankenabgabe ist deswegen so enttäuschend, weil den Banken ein Großteil der Abgabe zunächst gestundet wird und später verfällt (siehe Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion). Die gestundeten Beträge beliefen sich bisher regelmäßig auf das Doppelte der tatsächlich geleisteten Abgabe. Eigentlich sollen sie später nachgezahlt werden. Doch wenn die Bank dazu innerhalb von zwei Jahren nicht in der Lage ist, verfallen sie. Bisher wurden weniger als zwei Prozent der gestundeten Beiträge tatsächlich nacherhoben. 1,3 Milliarden Euro sind bereits endgültig verfallen.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich
Die jetzige Form der Bankenabgabe hat außerdem zur Folge, dass Banken mit Verlusten oder geringen Gewinnen kaum Beiträge an den Rettungsfonds zahlen müssen. Dabei sind es gerade diese Banken, die wahrscheinlicher die Mittel des Abwicklungsfonds beanspruchen werden. Die Bankenabgabe ist deswegen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich (dazu läuft eine Kleine Anfrage der Linksfraktion).
Peinliche Nachbesserungen am eigenen Gesetz bleiben der Bundesregierung erspart. Denn künftig soll der Bankenrettungsfonds mit dem europäischen Abwicklungsfonds verschmelzen, der im Zuge der Bankenunion beschlossen wurde. Dabei ändert sich auch die Systematik der Bankenabgabe: Das innerhalb von acht Jahren zu erreichende Zielaufkommen von 55 Milliarden Euro wird auf die einzelnen Staaten heruntergebrochen und dort gemäß einer Formel auf die einzelnen Banken verteilt. Deutschland wird einen Anteil von 25-30 Prozent zu tragen haben.
Wenn der Fonds fristgerecht gefüllt werden soll, muss das Aufkommen der Bankenabgabe daher um das Dreifache erhöht werden. Sinnigerweise sollte der künftig erforderliche Mehrbetrag vor allem von den Groß- und Landesbanken kommen, die unter den deutschen Banken die primären Nutznießer des Abwicklungsfonds sind. Wegen ihrer schwachen Ertragslage und den höheren Auflagen für ihr Eigenkapital haben sie bisher eher bescheidene Beiträge geleistet. Zwar gelten die verfassungsrechtlichen Einschränkungen der deutschen Bankenabgabe für die europäische Abgabe angeblich nicht. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie zu wesentlich höheren Beiträgen verdonnert werden. Kein Wunder, wenn also auch beim europäischen Abwicklungsfonds die Einnahmen durch Stundungsregeln oder vergleichbare Mechanismen weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleiben werden.
Es trifft die Falschen
Viel wahrscheinlicher ist aber, dass künftig die Sparkassen und Genossenschaftsbanken gemolken werden. Diese erwirtschaften in Deutschland einen Großteil der Bankgewinne, müssen aber bislang nur geringe Beiträge abliefern. Dies ist auch berechtigt: Sie verfolgen ein konservatives Geschäftsmodell mit geringer Pleitewahrscheinlichkeit und unterhalten ein eigenes Sicherungssystem, mit dem sie bereits jetzt im Notfall untereinander den Kopf hinhalten müssen. Von dem neuen Abwicklungsregime können sie daher kaum profitieren, müssen aber für andere Banken zahlen.
Zwar wollen alle Parteien im Bundestag die Sparkassen und Genossenschaftsbanken schonen. Doch die Bankenabgabe wird auf europäischer Ebene festgelegt. Mit der Forderung nach einem Freibetrag steht Deutschland dort allein auf weiter Flur. Frankreich behauptet, dass größere Banken sicherer seien und deswegen vergleichsweise geringer belastet werden müssten. Gut möglich, dass nun Bankengruppen unter die Räder kommen, die mit dem Ausbruch der letzten Krise wenig zu schaffen hatten.
Eine kritische Auseinandersetzung mit den neuen europäischen Abwicklungsregeln erscheint in der Juli-Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik".
Ähnliche Artikel
- 20.10.2012
- 16.07.2012
- 26.04.2012
- 20.04.2012
DIE EURO-KRISE ALS ZÄSUR: EINE NEUE FINANZ-, GELD-, UND WIRTSCHAFTSPOLITIK IN EUROPA
- 25.10.2011
GREGOR GYSI: 90 Prozent unserer Zeit darauf verwenden, Politik zu machen