Angepasste Mogelpackung - Was sich ab dem 1. Juli an der Rentenberechnung ändert und was nicht
Von Matthias W. Birkwald
Zum 1. Juli steigen die Renten: im Westen um 1,67 Prozent und im Osten um 2,53 Prozent. Der aktuelle Rentenwert gibt an, wie hoch der Rentenanspruch ist, wenn man ein Jahr zum Durchschnittslohn gearbeitet hätte (für 2014 West: 34 857 Euro brutto / Ost: 29 358 Euro). Dieser Rentenwert erhöht sich im Westen von 28,14 Euro auf 28,61 Euro im Monat, im Osten von 25,74 Euro auf 26,39 Euro. Das bedeutet: 25 Jahre nach dem Mauerfall ist die Angleichung der Renten im Osten auf das Westniveau immer noch nicht geschafft. Für die gleiche Arbeit gibt es im Osten nur 92,2 Prozent der Westrente. Und: Der Rentenwert steigt, aber wegen der Kürzungsfaktoren nicht mehr parallel zu den Löhnen. Die Bruttolöhne sind vergangenes Jahr im Westen um 2,18 Prozent und im Osten um 2,36 Prozent gestiegen. Preissteigerungen werden dadurch nicht mehr aufgefangen. Die Renten werden bis 2030 ein Fünftel ihres Wertes verlieren, das heißt statt 1000 nur noch 810 Euro.
Ab dem heutigen Dienstag wird Erziehenden, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, ein zusätzliches Jahr Kindererziehungszeit angerechnet. Sie erhalten 28,60 Euro brutto im Westen und 26,38 Euro im Osten zusätzlich.
Bei neuen Renten fließt die Erhöhung in die Rentenberechnung ein, das heißt, dass Abschläge die sogenannte »Mütterrente« kürzen. Wer schon vor dem 1. Juli 2014 in Rente war, erhält sie aber als pauschalen Zuschlag in voller Höhe.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) schafft allerdings die Umstellung nicht zum 1. Juli. Die Erhöhung findet sich nicht sofort auf der Renteninformation. Sie wird erst im Laufe des zweiten Halbjahres rückwirkend gutgeschrieben. Problematisch bleibt: Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, gibt es immer noch ein Drittel weniger Rente als für Kinder, die nach 1992 geboren wurden. Außerdem: Entgeltpunkte sind im Westen immer noch mehr wert als im Osten. Bei zwei Kindern heißt das: 105,52 Euro im Osten und im Westen 114,40 Euro und damit 8,88 Euro mehr im Monat.
Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll schon ab 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können. Phasen des Arbeitslosengeldbezugs sollen mit angerechnet werden, ebenso Zeiten der Kindererziehung und der Pflege. Aber auch hier gibt es eine Mogelpackung: Die Rente ab 63 grenzt Hartz-IV-Beziehende aus, und sie gilt nur für die Jahrgänge 1951 und 1952, danach steigt die Altersgrenze schrittweise auf 65 an.
Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, soll brutto durchschnittlich 40 Euro mehr Rente bekommen. Dazu kommt noch eine sogenannte Günstigerprüfung für die letzten vier Jahre vor Renteneintritt. Diese Regelung gilt nur für Neurentnerinnen und -rentner.
Diese Verbesserungen sind dringend notwendig. Bereits heute liegt der durchschnittliche Zahlbetrag deutlich unter dem Grundsicherungsniveau. Die Regelungen, die die Koalition getroffen hat, werden aber nur Wenigen den Gang zum Sozialamt ersparen.
Fazit: Es gibt Verbesserungen für Erziehende, für besonders viel Arbeitende und für Kranke. Aber die drohende Welle neuer Altersarmut stoppen sie nicht. Die großen Sündenfälle – die Rente erst ab 67 und das drastisch sinkende Rentenniveau – werden die gesetzliche Rente weiter demontieren. Wenn die sogenannte »Mütterrente« in den nächsten Jahren aus Beiträgen der Rentenkasse fehlfinanziert wird, bleibt kein Geld mehr für die außerordentlich wichtige Stabilisierung und Anhebung des Rentenniveaus, für die Aussetzung der Rente erst ab 67 und auch nicht für die Abschaffung der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten. Das wären echte Maßnahmen gegen Altersarmut.