Sparkurs entzweit Europa
Von Axel Troost
Es gibt Katastrophen, bei denen es knallt und jeder sofortiges Handeln erwartet – etwa bei einem Erdbeben. Dann gibt es Katastrophen, die sich eher leise und schleichend vollziehen – wie der Klimawandel. Das tückische an dieser Art von Katastrophen: sie werden oft unterschätzt oder ignoriert. Die Eurokrise hat sich mittlerweile zu einer solchen Katastrophe entwickelt. Die täglichen Horrormeldungen von den Finanzmärkten bleiben inzwischen aus, dafür hat sich die Krise inzwischen tief in die Realwirtschaft gefressen. Die Wirtschaftsleistung der Eurozone liegt weiter unter dem Niveau von 2007, die Arbeitslosigkeit in den Krisenländern ist dramatisch hoch, Erholung ist nicht in Sicht. Während etwa die USA längst die Talsohle durchschritten haben, steckt die Eurozone nach wie vor tief in der Krise. Es droht Deflation, ein verlorenes Jahrzehnt, wenn nicht gar Schlimmeres.
Kritik an der Rettungspolitik hat es immer schon gegeben. Strikte Sparpolitik führt nach historischer Erfahrung eben nicht zu ausgeglichenen Haushalten, sondern zu Wirtschaftseinbrüchen, sozialem Elend und neuen Schulden. Doch statt die falsche Medizin abzusetzen, würde die Bundesregierung und ihre Verbündeten lieber die Dosis noch erhöhen. Doch längst mahnen nicht nur die üblichen Verdächtigen Korrekturen an.
Draghi regt großes öffentliches Investitionsprogramm an
Selbst die konservative Bundesbank warb kürzlich für höhere Löhne in Deutschland – aus Sorge um die Konjunktur. Nun legte EZB-Präsident Mario Draghi nach. Beim Jahrestreffen der Zentralbankertreffen in Jackson Hole musste sich Draghi für die hohe Arbeitslosigkeit und die ausbleibende wirtschaftliche Erholung rechtfertigen.[1] Draghis Problem: Die Eurozone leidet unter fehlender Nachfrage und zu geringen Investitionen, was die EZB nur begrenzt angehen kann. Selbst bei unkonventionellen Maßnahmen ist das geldpolitische Instrumentarium der Zentralbank irgendwann ausgereizt. Deswegen mahnte Draghi auch Änderungen in der Fiskalpolitik an – was natürlich eine Kritik an der derzeitigen Finanzpolitik ist. Unter anderem regte Draghi auch ein großes öffentliches Investitionsprogramm an. Dies war speziell an Deutschland gerichtet, das verglichen mit anderen Eurostaaten noch vergleichsweise großen Spielraum für vorübergehende Verschuldung hat.
Außerhalb von Deutschland sind solche Vorschläge weder links noch ungewöhnlich. Revolutionär sind sie schon gar nicht. Wie schon eine vorherige Initiative von Italiens Ministerpräsident Renzi will Draghi nur bereits vorhandene Spielräume innerhalb des Fiskalvertrags ausnutzen. Aber eine abrupte Kehrtwende sollte man von einer etablierten Institution wie der EZB ohnehin nicht erwarten.
Viel steht auf dem Spiel
Wozu deutlichere Worte derzeit führen, zeigt sich leider in Frankreich. Der linke Wirtschaftsminister Montebourg geißelte in einem Zeitungsinterview die von Deutschland vorangetriebene Sparpolitik in Europa: Frankreich habe nicht die Absicht, "sich nach den maßlosen Obsessionen von Deutschlands Konservativen zu richten". Präsident Hollande bildete daraufhin gleich seine gesamte Regierung um. Neben Montebourg wurden gleich zwei weitere Minister des linken Parteiflügels ausrangiert.
Die wirtschaftsfreundlichen Reformer um Manuel Valls bekommen damit freie Fahrt, zumindest auf kurze Sicht. Der Partei von Präsident Hollande droht damit aber auf mittlere Sicht ein Niedergang, vergleichbar oder schlimmer als der Schröder-SPD. Bundeskanzlerin Merkel, die zugleich hinter den Kulissen daran arbeitet, einen französischen Währungskommissar in der EU-Kommission zu verhindern, dürfte die Kabinettsumbildung recht sein. Doch mit dem wirtschaftlichen Siechtum, das ihre Politik produziert, wächst die Gefahr, dass sie oder ihre Nachfolgerin sich eines Tages mit Marine Le Pen und ihrer Riege an einem Verhandlungstisch wiederfinden werden. Frankreich ist vom politischen und wirtschaftlichen Gewicht für die Eurozone ein ganz anderes Kaliber als ein Staat wie Griechenland. Entsprechend viel steht auf dem Spiel.
[1] UNEMPLOYMENT IN THE EURO AREA. Speech by Mario Draghi, President of the ECB, Annual central bank symposium in Jackson Hole, 22 August 2014
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