Europa: Null-Nummer bei Zukunftsinvestitionen
DGB klartext 32/2014
Seit Jahren steckt Europa in einer chronischen Krise, das Wirtschaftswachstum schwächelt. Deutschland investiert trotz guter Haushaltslage zu wenig, die öffentliche Infrastruktur zerfällt. Doch auch hierzulande gilt: Von nichts kommt nichts – und ohne Investitionen kein Wachstum.
Die Vorstellungen auf der politischen Theaterbühne Europas sind langweilig geworden. Von Aufbruchstimmung, von neuen Visionen für die Zukunft keine Spur. Europa droht zur Null-Nummer bei Zukunftsinvestitionen zu werden. Man kann die Dramatik dieses Nichthandelns nicht oft genug unterstreichen. Seit Jahren steckt Europa in einer chronischen Krise, das Wirtschaftswachstum schwächelt Jahr für Jahr, auch 2015.
Der Süden kann nicht aus der Rezession herauswachsen. Arbeitslosigkeit hat sich gerade dort ausgebreitet. Die Jugend droht zur verlorenen Generation zu werden. Ohne ökonomische Dynamik keine Investitionen. Ohne Investitionen keine Arbeitsplätze. Ohne beides keine Steuereinnahmen. Ohne Steuereinnahmen kein Schuldenabbau. Auch hierzulande ist nicht alles rosig. Um uns herum zerfällt die öffentliche Infrastruktur: Straßen mit Schlaglöchern, unbefahrbare Brücken, überfüllte Hörsäle, steigender Pflegebedarf, fehlender bezahlbarer Wohnraum, kein flächendeckendes, schnelles Breitbandnetz.
Kommissionschef Juncker schlägt Investitionsprogramm vorUnd die Antwort der Politik? Auf europäischer Ebene werfen Deutsche den Südeuropäern vor, sie wollten wieder auf Pump wachsen. Deren Vorwurf: Deutsche investieren trotz guter Haushaltslage zu wenig. Doch die Frage der Investitionen richtet sich nicht nur an jene, die es sich leisten können. Investieren ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass man künftig in Europa Geld verdienen kann. Von nichts kommt nichts. Selbst der konservative neue Kommissionschef Juncker hat ein 300 Milliarden schweres Investitionsprogramm vorgeschlagen und es im Europaparlament ökonomisch korrekt begründet: Volkswirtschaften, in denen nicht investiert werde, könnten nicht wachsen, und Volkswirtschaften, die nicht wüchsen, könnten keine Beschäftigung sicherstellen.
Nicht-Investieren schadet dem Wirtschaftsstandort DeutschlandDoch Schäuble fordert: Es darf aber kein zusätzliches Geld kosten. Punkt aus! Das würde nicht einmal in Deutschland gehen. Allein der kommunale Investitionsstau beläuft sich laut Kreditanstalt für Wiederaufbau auf insgesamt rund 130 Milliarden Euro. Wie soll das ohne zusätzliches Geld finanziert werden? Mit Simsalabim? Und wer zahlt bitte schön die finanziellen Schäden des Nichtstuns, des Nicht-Investierens? Wenn Hunderte LKW täglich eine elend lange Schleife durch die Landschaft machen müssen, weil eine Brücke auf lange Sicht nicht befahrbar ist? So wird’s nichts mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir gefährden unsere Zukunftsfähigkeit!
Falsche Debatte um schwarze oder rote NullDie Debatte um die schwarze oder rote Null ist eine falsche Debatte. Die Frage muss lauten: In die Zukunft investieren oder an der Zukunft sparen? Die Investitionen waren noch nie so günstig finanzierbar gewesen. Auch für den Staat! Der Bund nahm am 1. Oktober dieses Jahres 4,1 Mrd. Euro Kredit auf und zahlt 10 Jahre lang jährlich nur 0,93 Prozent Zinsen. Doch Schäuble will Investitionen von Versicherungen und Pensionsfonds finanzieren lassen. Diese fordern dafür einen saftigen Preis: Jährlich 7 Prozent Garantie-Rendite. Das wäre wahrhaftig die Plünderung von Steuermitteln.
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