Infrastruktur aus Steuern finanzieren, nicht durch Investoren - ÖPP: Dobrindts neue Generation
DGB klartext 18/2015
Deutschlands Infrastruktur ist marode, allein bei den Verkehrswegen gibt es einen jährlichen Investitionsbedarf von fast 7,2 Milliarden Euro. Nun plant Verkehrsminister Dobrindt eine neue Generation Öffentlich-Privater Partnerschaften. Doch Straßen und Autobahnen müssen aus Steuermitteln und nicht von privaten Investoren finanziert werden, fordert der DGB-Klartext.
Deutschland braucht mehr Investitionen in die marode öffentliche Infrastruktur. Vor allem bei den Verkehrswegen gibt es einen erheblichen Investitionsstau. 7,2 Milliarden Euro müssten jährlich zusätzlich investiert werden. Die einfachste Lösung: mehr Geld aus der Mineralölsteuer. Das wäre gerecht, ökologisch und unbürokratisch – wer viel fährt und Sprit verbraucht, zahlt mehr. Aber die Minister Schäuble und Dobrindt hängen an ihren Prestigeprojekten „Schwarze Null“ und Pkw-Maut – und wollen stattdessen private Investoren über öffentlich-private Kooperationen (ÖPP) ins Boot holen.
Nun hat der Bundesrechnungshof jüngst belegt, dass die letzten ÖPP-Projekte Mehrkosten in Milliardenhöhe verursachten. Sie sind weder innovativ noch effizient, sondern unwirtschaftlich – zumal angesichts eines Zinsniveaus von 0,2 % für 10-jährige Bundesanleihen.Kritik an ÖPP und Autobahn-Maut
Konkurrenz belebt das Geschäft, dachte sich die Versicherungswirtschaft und klagte Wirtschaftsminister Gabriel ihr Leid über fehlende sichere Anlagemöglichkeiten. Dieser ließ die Kommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ Vorschläge erarbeiten. Der DGB und die beteiligten Gewerkschaften kritisierten das Festhalten an ÖPP und die vollständige Finanzierung des Fernstraßennetzes aus Nutzerentgelten, also über eine Maut für alle. Öffentliche Infrastruktur muss vorrangig aus Steuermitteln finanziert werden – u.a. mit einem steuerpolitischen Kurswechsel bei der Privilegierung von Vermögen und Erbschaften.
Verschuldungsspielraum ausschöpfen, statt teures privates Geld einzuholenZudem müssen alle Haushaltsreserven für Investitionen genutzt werden. Aus Gewerkschaftssicht geht es dabei nicht nur um unerwartete Haushaltsüberschüsse. Der Verschuldungsspielraum der Schuldenbremse muss ausgeschöpft werden, bevor teures privates Geld eingeholt wird. Die Kreditfinanzierung von langfristigen Investitionen, die vor allem zukünftigen Generationen zu Gute kommen, darf nicht länger tabuisiert werden. Im Gegenteil: Es ist Aufgabe des Staates, seinen Bürgern die öffentliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen – und zwar so günstig und hochwertig wie möglich. Hingegen gehört es nicht zu seinen Kernaufgaben, die Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen abzusichern.
Bundesverkehrsinfrastrukturgesellschaft muss voll im Bundesbesitz seinEgal, die Union will Fakten schaffen. Eilig rollen Dobrindt und Schäuble ihren roten Teppich für eine „neue Generation Öffentlich-Privater Partnerschaften“ aus: 14 Milliarden Euro sollen für zehn ÖPP-Projekte bzw. 600 Kilometer Autobahn bereitgestellt werden. Finanzinvestoren können Bau- und Betreiberunternehmen einbinden – oder auch umgekehrt. Wie eine Bundesverkehrsinfrastrukturgesellschaft, von der Kommission vorgeschlagen, konzipiert sein muss, bleibt unbeantwortet. Aus DGB-Sicht muss sie zu 100 Prozent in Bundesbesitz sein, auch weil es sonst Zielkonflikte gibt: wenn die Versicherungen Anteile erwerben können, sitzen sie auf beiden Seiten des Tisches: Als Miteigentümer sind sie an niedrigen Zinsen, als Finanziers an hoher Rendite interessiert.
Die Gewerkschaften werden nicht akzeptieren, dass Steuergelder und Mautgebühren für sichere Renditen an Versicherungen, die gerade Rekorddividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben, durchgereicht werden.
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