Nachgerechnet: Die Wirkung niedriger Langfristzinsen auf Altersvorsorgesparer

Von Wolfram Morales

10.03.2016 / 10.03.2016

Fazit:

Der sinkende Trend langfristiger Zinssätze ist kein Ergebnis der EZB-Politik. Er herrscht seit über 30 Jahren vor. Die EZB hat diesen Trend nur beschleunigt.

Die Kritik an der konkreten Höhe langfristiger Zinsen auf die EZB zu fokussieren, überzeichnet deren tatsächliche Macht und verstellt den Blick dafür, dass offenbar andere Ursachen für die langfristig sinkenden Zinsen verantwortlich sind. Sie zu finden dürfte wichtig sein, um dem Zinssenkungstrend evtl. wirtschafts- und gesellschaftspolitisch zu begegnen.

Übersehen wird von den „Enteignungs“-Thesen-Anhängern grundsätzlich, dass Niedrigzinsen Teil einer gesamtwirtschaftlichen Situation sind, die u. a. durch schwaches Wachstum, gebremstes Investitionswachstum, ein großes Volumen anlagesuchender Gelder, gebremstes Einkommenswachstum, nachteilig wirkende demografische Entwicklungen und weitere Faktoren mehr gekennzeichnet ist.

Die Berechnung vermeintlicher Verluste für Vorsorge-Sparer, unter fiktiver Annahme von hohen langfristigen Zinssätzen (durchschnittlich 3,5 Prozent oder gar höher), die einer früheren und damit gänzlich anderen Wirtschaftssituation entsprachen als sie derzeit vorherrscht, die auch anderen Wachstumsraten der Einkommen und des damit wachsenden abzusichernden, materiellen Lebensniveaus entsprachen, ist methodisch nicht korrekt.

Die „Enteignungs“-Thesen-Anhänger verwechseln Kaufkraftverlust mit Enteignung. Zusätzlich überzeichnen sie die realen Auswirkungen der Niedrigzinsen auf die Absicherung eines künftig erforderlichen Versorgungsniveaus. Im getätigten Rechenbeispiel sinkt das Versorgungsniveau um 8 Prozentpunkte.

Der Rückgang des Versorgungsniveaus um 8 Prozentpunkte könnte durch eine Teilrücknahme der mit den letzten Rentenreformen vorgenommenen langfristigen Rentenniveauabsenkung um 9 Prozentpunkte ausgeglichen oder gemildert werden. Dieser Weg ist zudem sicherer bzw. wirkungsvoller als eine Subvention auf das Sparen am Kapitalmarkt, denn eine Rentenniveauanhebung wirkt 1:1 auf das Versorgungsniveau, der Ertrag am Kapitalmarkt angelegter Gelder nicht, wie die aktuelle Situation vor Augen führt.

Fraglos ist jeder Prozentpunkt weniger Einkommen im Ruhestand ein Einschnitt. Der in der aktuellen Diskussion häufig an den Tag gelegte Alarmismus angesichts der Wirkung des Zinsrückgangs auf Vorsorgesparer überzeichnet die reale Problemlage aber deutlich und birgt die Gefahr, dass Sparer und potentielle Sparer abgeschreckt werden. Es besteht somit die Gefahr, dass die Anhänger der „Enteignungs“-These den Zustand erst herbeireden, den sie zu vermeiden versuchen.

Zwar wurden bei den Berechnungen nur die Wirkungen auf Altersvorsorgesparer betrachtet. In der gesellschaftlichen Diskussion über die niedrigen Zinsen sollte jedoch nicht ausgeklammert werden, dass nicht nur die Anlagezinsen deutlich gesunken sind, sondern auch die Kreditzinsen. Dies stellt insbesondere für Wohneigentumserwerber einen großen Zinsvorteil dar, ist doch eine eigengenutzte Wohnimmobilie eine Art langfristiger Sparvertrag.
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