Von Mythen um den Solidaritätszuschlag und warum selbst Kanzlerin Merkel zurecht an ihm festhält
Von Axel Troost
Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Debatten um den Solidaritätszuschlag. Von konservativer und liberaler Seite wurden dabei zahlreiche Mythen und Verdrehungen in die Welt gesetzt, um ihn in der Bevölkerung unbeliebt zu machen.
Immer wieder wird behauptet der Soli sei erstens zeitlich beschränkt, stelle zweitens eine große finanzielle Belastung für die Bürgerinnen und Bürger dar, sei drittens ausschließlich für den Aufbau Ost bestimmt gewesen, und viertens nicht mehr verfassungsgemäß, da fünftens dieser Zweck nun vollendet sei. Im Folgenden werden diese fünf Punkte richtiggestellt:
- Erstens ist der Solidaritätszuschlag eine Bundessteuer ohne Verfallsdatum. Er gilt schlicht weiter, im Gegensatz beispielsweise zum Länderfinanzausgleich, der 2019 ausläuft und wo tatsächlich politischer Handlungsdruck besteht.
- Zweitens trifft der Soli nicht die kleinen Einkommen, sondern vor allem die Besser- und Spitzenverdiener sowie die Kapitalgesellschaften. Verausgabt werden die Gelder dann mittels Solidarpakt II für strukturschwächere Regionen im Osten, in denen die Menschen zumeist auch durchschnittlich weniger Einkommen haben. Der Soli arbeitet damit eher gegen die soziale Spaltung in Deutschland.
- Drittens wurde das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 nicht durch eine sondern durch vier Aufgaben begründet: Nämlich mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, der langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und der Entlastung der öffentlichen Haushalte. Der Solidaritätszuschlag wurde also nicht exklusiv mit dem Aufbau Ost begründet. Diese Behauptung ist eine Geschichtsklitterung, die durch ständige Wiederholung nicht weniger falsch wird.
- Viertens wird behauptet, der Soli sei nicht mehr verfassungsgemäß. Paradoxerweise genau deshalb, weil der Solidarpakt II bis 2019 ausläuft und der Bund die Mittel bereits heute zunehmend einfach selbst behält, statt sie in notleidende Regionen weiterzuleiten. Aber zum einen könnte die Regierung dieses selbstgemachte Problem leicht lösen, indem sie einen Solidarpakt III für strukturschwache Gebiete in Ost und West auflegt. Und zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Verfassungsgemäßheit des Solidaritätszuschlags unterstrichen und Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollanträge in den letzten Jahren stets zurückgewiesen. Dies unterstreicht auch ein jüngeres Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Es gibt keinen Anlass zur Sorge von einem juristischen Haushaltsrisiko, das ist reine Propaganda.
- Fünftens wird der zweistellige Milliardenbetrag weiterhin dringend gebraucht, den der Soli Jahr für Jahr zuverlässig generiert. Nicht zuletzt die Kanzlerin selbst musste diese Realität anerkennen und betonte vor zwei Jahren in ihrem Video-Podcast, dass und warum sie den Soli auch über 2019 hinaus erhalten will: „Wir wollen keine Steuererhö- hung, aber wir können auf bestehende Einnahmen auch nicht einfach verzichten.“ Konkret sprach sie auch den anhaltenden Bedarf an, nämlich die strukturschwachen Regionen in den neuen wie auch in den alten Bundesländern. Deshalb dürften die Entwicklungsmaßnahmen für notleidende Regionen nicht mit dem auslaufenden Solidarpakt II enden.
Dagegen bringt die LINKE im Bundestag den Antrag „Solidaritätszuschlag für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland verwenden“ ein. Darin aufgeführt sind konkrete Vorschläge zur künftigen Verwendung der Mittel aus dem Solidaritätszuschlag. Falls diese Vorschläge von der Regierungskoalition im Bundestag abgelehnt werden, soll sie wenigstens eine eigene Initiative dazu auf den Weg bringen. Wir fordern CDU und SPD auf, gemeinsam in die flächendeckende Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu investieren und endlich einen dritten Solidarpakt aufzulegen!
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