Richtig gesehen heißt noch nicht richtig gehandelt!
Bundestagsrede von Axel Troost am 26.01.2017
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gehört: Es geht um die Verhinderung von Spekulationsblasen, von Immobilienblasen. „Immobilienblasen“ heißt: Es handelt sich um eine Spekulationsblase, bei der es auf einem Teilbereich des Immobilienmarktes zu sehr stark ansteigenden Preisen kommt. Irgendwann ist diese Preisentwicklung zu Ende, sie bricht zusammen. Das führt dann zu Unternehmenszusammenbrüchen und Insolvenzen bis hin zu Bankenkrisen.
Grundsätzlich begrüßen wir den vorliegenden Gesetzentwurf, weil die Bundesregierung damit auf potenzielle Risiken bei der Blasenbildung eingehen und reagieren will und gesetzliche Eingriffsmöglichkeiten schaffen möchte, um besser handlungsfähig zu sein. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte lautet: Wir haben erhebliche Zweifel, ob die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen zusätzlichen Eingriffsrechte reichen, um eine solche Blase wirklich wirksam abwenden und vorausschauend schon genug Druck ablassen zu können, damit die Blase nicht platzt. Als eine Schwäche des Gesetzentwurfes sei nur beispielhaft genannt, dass die Finanzierung gewerblicher Immobilien unberücksichtigt bleibt und dass auch im Hinblick auf die mangelnde Datengrundlage keine Initiative ergriffen wird. Das wäre für eine umfassendere Prävention aber notwendig.
Wir stellen fest – das ist eben auch gesagt worden –, dass der Gesetzentwurf im Wesentlichen einem Bericht des Ausschusses für Finanzstabilität folgt, der auf die wachsenden Risiken hingewiesen hat. Dieser Ausschuss, in dem das Bundesfinanzministerium zusammen mit der Bundesbank und der BaFin die laufende Finanzmarktentwicklung untersucht, soll also jetzt beim Thema Immobilienfinanzierung tatsächlich seine Funktion erfüllen. Er soll durch gemeinsame Analysen die zuständigen Institutionen frühzeitig und vor einer akuten Finanzkrise auf die Gefahren aufmerksam machen.
Das hört sich irgendwie selbstverständlich an; aber die Erfahrungen haben gezeigt, dass wir ähnliche Gremien bereits zuvor hatten, dass sie aber in der Zeit vor und nach der großen Finanzkrise 2007/2008 entweder nicht vernünftig gearbeitet haben oder im Extremfall sogar gar nicht erst einberufen worden sind. Das soll sich jetzt ändern.
Eigentlich sollte es auch wünschenswert sein, dass wir jetzt wirkliche Maßnahmen ergreifen, was Finanzstabilität angeht. Man sieht, dass sich hier die Grundlagen geändert haben, dass sich vieles verändert hat, und das ist ja angesichts des vielen Lehrgeldes auch notwendig, das wir, das die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den letzten zehn Jahren gezahlt haben. Ich sage nur die Stichworte: IKB, HRE, Commerzbank oder auch WestLB.
Wir halten das Gesetz und seine Vorgeschichte insofern regulatorisch für einen Schritt in die richtige Richtung; aber die ergriffenen Maßnahmen sind unzureichend.
Gerade in der Euro-Zone kann die Geldpolitik das Problem von isolierten Preisblasen in einzelnen Ländern bzw. Branchen mithilfe ihres bisherigen Instrumentenkastens nicht lösen. Es ist daher grundsätzlich erst einmal richtig, dass das Gesetz zum Beispiel zusätzliche Eigenkapitalanforderungen oder auch Obergrenzen bei den Banken für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten gezielt vorsehen und damit die Entwicklung bremsen kann. Bislang bleibt die Bundesregierung allerdings die Antwort schuldig, ab wann sie wirklich von einer Blase am Immobilienmarkt ausgeht und wann sie diese Instrumente denn auch einsetzen will. Schlimmstenfalls passiert uns dann dasselbe wie bei der Terrorabwehr, dass wir zwar bestehende Gesetze haben, diese aber nicht wirksam nutzen.
Wir sind uns einig, dass in Deutschland die Gefahr von Immobilienblasen im Wesentlichen in bestimmten Ballungsräumen und insbesondere in Universitätsgroßstädten vorkommt. Es wird abzuwarten sein, ob die im Gesetzentwurf enthaltenen Bremsen dann auch wirklich so zielgenau wirken können. Neben den erweiterten Eingriffsbefugnissen der BaFin bedarf es aus unserer Sicht je nach Region sehr unterschiedlicher fiskalisch-administrativer Maßnahmenpakete, die auf drohende Blasen am Immobilienmarkt vor Ort zugeschnitten sind.
(Beifall bei der LINKEN)
So könnte man beispielsweise über Hebesätze bei der Grunderwerbsteuer in verschiedenen Kommunen nachdenken, zum Beispiel dann, wenn die Häuserpreise vor Ort in den drei Jahren zuvor um mehr als 20 Prozent gestiegen sind. Formal müsste man dann aber natürlich das Problem lösen, dass die Grunderwerbsteuer eine Ländersteuer ist und sie bisher überhaupt nicht auf Steuerungswirkungen ausgerichtet ist. Ich bin gespannt, wie wir in den Anhörungen im Finanzausschuss diese Instrumentendebatte führen werden.
Bei allem Wohlwollen muss ich aber natürlich noch einmal darauf hinweisen, dass sich Preisblasen auf Vermögensmärkten – da ist es egal, ob es um Wertpapiere, um Edelmetalle, um Rohstoffe, um Immobilien oder anderes geht – notwendigerweise immer wieder bilden werden, solange die ungerechte und immer weiter zunehmende Ungleichheit der Vermögen und Einkommen nicht korrigiert wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Reichen stecken ihre wachsenden Vermögen in einen kaum wachsenden Bestand an Vermögensgütern, und dadurch werden Aktien oder Immobilien immer teurer; aber es entstehen dadurch keine neuen Unternehmen und keine neuen Wohnungen. Wer das ändern will, kommt an einer ernsthaften Umverteilung von oben nach unten nicht herum; denn damit hätten wir wieder mehr Geld bei der Mehrheit der Bevölkerung, das dann für neue Wohnungen und neue Produkte ausgegeben werden kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch eine Bemerkung zur europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie, auf die gleich eingegangen werden wird. Natürlich ist es sinnvoll, dass Banken daran gehindert werden, unverantwortliche Kreditrisiken einzugehen. Es ist aber nicht Sinn der Sache, dass Banken Menschen im Rentenalter kaum mehr Immobilienkredite gewähren. Die ganze Finanzmarktregulierung muss darauf abzielen, den Banken verantwortungslose und von Renditegier getriebene Risiken wie zum Beispiel windige Geschäfte mit komplexen Wertpapieren zu verbieten. Es bleibt aber natürlich sehr wohl Teil des seriösen Bankgeschäftes, verantwortungsvolle Kreditrisiken in ökonomisch sinnvollem Maße einzugehen und damit Unternehmen und auch Privatpersonen überhaupt Investitionen oder auch Immobilienkäufe zu ermöglichen.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch darauf hinweisen, dass mich die ersten drei Tage des neuen US-Präsidenten und seiner Mannschaft mit großem Schrecken erfüllen, nicht nur, weil Mauern gebaut werden, weil Fraueninstitutionen nicht mehr gefördert werden, weil die Gesundheitsversorgung deutlich verschlechtert wird, sondern auch, weil im Bereich der Finanzmarktstabilität und -regulierung Rückschritte eingeleitet werden. Wenn ich lese, dass die Bestimmungen zum Eigenhandel von Banken jetzt wieder gelockert werden sollen, dann meine ich: Das geht in genau die falsche Richtung und wird natürlich dazu führen, dass die Stabilität des Finanzsektors weltweit wieder infrage gestellt wird. Deswegen kann ich nur hoffen, dass sich sowohl wir, der Deutsche Bundestag, das Finanzministerium, die BaFin, als auch alle anderen massiv dagegen wenden und massiv deutlich machen werden, dass unsere gemeinsame Erkenntnis, dass Stabilität notwendig ist, jetzt wirklich beibehalten und nicht rückgängig gemacht wird.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
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