Zwischenbilanz des EFSI – Mit Investitionen Europas Zukunft sichern

05.02.2019 / Joachim Bischoff und Axel Troost

Der Europäische Rechnungshof bezweifelt die Angaben zur Wirkung des von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufgelegten Fonds zur Stärkung von Investitionen. Er hat nach drei Jahren eine Bilanz gezogen.

Der Europäische Rechnungshof bezweifelt die Angaben zur Wirkung des von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufgelegten Fonds zur Stärkung von Investitionen. Er hat nach drei Jahren eine Bilanz gezogen. Das Gesamturteil ist positiv: „Wir stellen fest, dass der EFSI erfolgreich dabei war, finanzielle Unterstützung für substanzielle zusätzliche Investitionen in der EU zu beschaffen.“ Die Schätzung von zusätzlich mobilisierten Investitionen in Höhe von 335 Mrd. Euro zwischen 2015 und Mitte 2018 sei aber „fraglich“. Die EU-Rechnungsprüfer sehen außerdem auch Mängel bei der milliardenschweren Investitionsinitiative. Für uns ist der entscheidende Mangel, dass durch diesen Ansatz die grundlegende Investitionsschwäche nicht behoben und damit die langjährige Austeritätspolitik verlängert wird.

Für die Europäische Kommission ist der EFSI ein Erfolgsprojekt, weshalb sie eine Ausweitung des Fonds betreibt. Sie plant, mit einer Haushaltsgarantie von 38 Mrd. Euro, Investitionen in Höhe von 650 Mrd. Euro anzukurbeln.

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) war 2015 gegründet worden und sollte bis 2018 ursprünglich Investitionen von bis zu 315 Mrd. Euro auslösen. Dies wurde laut Kommission dann übertroffen. Daher wurde die Ausweitung beschlossen. Mit Garantien aus dem EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 33,5 Mrd. Euro sollen bis 2020 Investitionen in Höhe von mindestens 500 Mrd. Euro angestoßen werden. Gefördert werden etwa Breitband- oder Energienetze, innovative Bildungsangebote, „strategische Infrastruktur“ wie der Ausbau von Häfen, Sozialwohnungen und Krankenhäusern sowie medizinische Forschungsvorhaben.

Die ausgegebenen Kredite werden dabei durch Garantien aus dem EU-Haushalt und Mitteln der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanziert. Die Gelder sollen private Investoren dazu bewegen, ein Vielfaches für Wirtschaftsprojekte bereit zu stellen. „In einigen Fällen“ werde das Ausmaß zusätzlicher Investitionen „übertrieben dargestellt“, kritisieren die EU-Prüfer. Denn der Fonds habe nicht wie geplant andere EU-Finanzierungsinstrumente ergänzt, sondern diese ersetzt. Bei Infrastrukturprojekten wären demnach fast ein Drittel der Vorhaben auch ohne EFSI-Finanzierung erfolgt. Faktor für die Wahl des Juncker-Fonds waren dem Bericht zufolge oft günstigere Kreditbedingungen.

Mit dem «Juncker-Fonds» sollte der Wachstums- und Investitionsschwäche in Europa entgegen gewirkt werden. Mit einem begrenzten Investitionsvolumen – mehr war in der EU nicht durchzusetzen – konnte die Fortführung der Austeritäts- und Sanierungspolitik ein wenig unterlaufen werden. Gleichwohl – bezogen auf die Wachstumsschwäche und hohe Arbeitslosigkeit in Europa – war dieser Ansatz völlig unzureichend.

Nach der Europawahl 2014 hatte die S&D-Fraktion (Sozialisten und Demokraten | SPD) im Europäischen Parlament die Verhandlungen über den neuen Kommissionspräsidenten genutzt, um das Thema Investitionsprogramm erneut auf die Tagesordnung zu setzten. Ihre Zustimmung zu Juncker als Kommissionspräsident hat die S&D-Fraktion als die zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament davon abhängig gemacht, dass Juncker zügig einen Investitionsplan vorlegt und dass das Europäische Parlament als Mitentscheider uneingeschränkt in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden ist. Ein wirksames europäisches Investitionsprogramm, das aus Steuermitteln (EU-Haushalt) finanziert ist, ließ sich damals schlicht nicht durchsetzen. Auch heute sind die Aussichten auf eine Überwindung der politischen Blockade in der EU nicht gut.

Der Rechnungshof forderte von der EU-Kommission und der EIB bessere Verfahren für die Schätzung der tatsächlichen Investitionen. Er kritisierte auch eine geografisch „nicht hinreichend ausgewogene“ Verteilung in den Mitgliedstaaten. Mittel seien „zum größten Teil in einigen größeren Mitgliedstaaten“ mit gut etablierten nationalen Förderbanken gelandet. Größer Profiteure im Jahr 2017 war demnach Frankreich gefolgt von Italien, Spanien, Deutschland und Großbritannien.

Sicherlich ist ein Teil der Kritik des Rechnungshofes berechtigt. Aber völlig ausgeblendet bleibt: bei dem Junckerfonds handelt es sich um einen kleinen Baustein zur Öffnung der neoliberalen Austeritätspolitik. Von einer Abkehr von dieser grundfalschen Konzeption kann angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Ministerrat keine Rede sein. Nach wie vor wäre ein umfangreiches Investitionsprogramm in Europa, insbesondere eine Stärkung öffentlicher Investitionen notwendig. Die Nettoinvestitionsquote stagniert seit der großen Wirtschaftskrise 2008 auf einem niedrigen Niveau. Dies gefährdet nicht nur den Zusammenhalt in der EU, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der nationalen Ökonomie in Europa.

Es müsste eine gesamteuropäische Investitionskonzeption entwickelt werden, um den Niedergang der industriellen Wertschöpfung abzuschwächen[1], vor allem in risikoreicheren Bereichen wie Forschung und Entwicklung. Denn die Investitionen in Europa fallen im internationalen Vergleich immer noch zu niedrig aus. Dies kann aus Sicht der Brüsseler Behörde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie vor allem gegenüber den USA und China schmälern. Der Juncker-Plan bzw. genauer der Europäische Fond für strategische Investitionen ist kein öffentlicher Investitionsplan. Er ist ein Garantiefond zur Minimierung von Investitionsrisiken, der dazu dienen soll, private Investitionen bzw. anlagesuchendes Kapital in risikoreiche und politisch gewollte Bereiche der Realwirtschaft zu lenken, nicht mehr und nicht weniger.

Der EFSI ersetzt kein öffentliches Investitionsprogramm. Es steht aber auch nicht im Widerspruch zu einem öffentlichen Investitionsprogramm, wenn privates Kapital für Investitionen in die Realwirtschaft mobilisiert wird. Diese politische Blockade der EU-Staaten ist aus unserer Sicht skandalös und führt zum Scheitern der Zielsetzung der EU-Kommission in Sachen Industriepolitik. Es gibt reichlich vernünftige Investitionsprojekte in Europa. Seit Jahren lebt Europa von der Substanz, der öffentliche Kapitalstock und die Infrastruktur sind marode und auch das private Investitionsniveau ist drastisch abgesunken. Um eine Verschärfung durch den Übergang in eine Deflation zu verhindern, brauchen wir einen Einstieg in eine langfristige Investitionsoffensive.

Auf EU-Ebene ist in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen, dass mit den Ausgaben für die Agrarwirtschaft, die im langjährigem Finanzrahmen der EU für die Jahre 2014 bis 2020 noch immer einen hohen Anteil des EU-Haushalts beanspruchen, tendenziell strukturerhaltende Ausgaben dominieren. Diese Mittel fehlen z.B. für höhere Ausgaben in den Bereichen Bildung und Forschung. Wünschenswert wäre auch, wenn sich Rahmenbedingungen für Forschungen in manchen jungen Technologiefeldern verbesserten. Die EU-Konzeption der Erhöhung der industriellen Wertschöpfung müsste eingebunden sein in eine gesamteuropäische Wachstums- und Strukturpolitik und eine offensivere Haushaltspolitik der EU.

[1] Vgl. ausführlich in Joachim Bischoff, Björn Radke und Axel Troost: Industrie der Zukunft? Wertschöpfung zwischen De-Industrialisierung und vierter industrieller Revolution. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 6/2015  www.sozialismus.de
zur Frage „Investitionspolitik und sozial-ökologischer Umbau“ vgl. Axel Troost, Was heißt alternative europäische Wirtschaftspolitik heute? Beitrag zur Festschrift für Heinz-J. Bontrup  www.axel-troost.de