Arm im Alter

Altersarmut nimmt zu, bereits heute leben 3 Millionen Rentner in relativer Armut

12.03.2008

Armut sieht man. Wer mit offenen Augen durch unsere Städte geht, sieht sie, die Menschen, die eher bescheiden gekleidet sind und in den Müllcontainer nach etwas brauchbaren suchen. Und wer genau hinsieht, sieht dass der Anteil der Älteren unter ihnen steigt. Immer mehr ältere Menschen leben in Deutschland von Sozialhilfe und kleinen Renten, haben gerade genug zum Leben. Und viele beanspruchen nicht mal die aufstockende Sozialhilfe. Sätze wie „Das ist doch nur für ganz Arme“ oder „Es geht doch“ fallen da häufig.

Armut ist ein relativer Begriff, der aber ziemlich klar definiert ist - wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient, der gilt als arm. Heute liegt der Grenzwert bei zirka 880 Euro im Monat. Immerhin drei Millionen Rentner müssen mit diesem Geld auskommen. Davon sind 30 Prozent alleinstehende Frauen. Fast die Hälfte der Rentner könne sich keinen Platz im Altenheim leisten.

Die Zahl derer, die nur mit Unterstützung des Staates das Existenzminimum erreichen, wird dramatisch. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens hat die Rentenreform bewirkt, dass das Rentenniveau insgesamt sinkt. Zweitens verändert sich gerade schrittweise die Besteuerung; anders als bisher sind Renten in ein paar Jahren in aller Regel zu versteuern. Drittens ändern sich die Erwerbsbiographien. In der Vergangenheit zahlte die Mehrzahl der Versicherten über viele Jahre kontinuierlich in die Rentenkasse ein. Doch diese Lebensläufe werden seltener. Immer mehr Menschen zahlen zeitweise nichts ein, weil sie arbeitslos werden, Kinder großziehen, Eltern pflegen, ein paar Jahre ins Ausland gehen oder in die Selbständigkeit wechseln.

All dies wird dazu beitragen, dass bald deutlich mehr alte Menschen arm sein werden. Das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft schätzt, dass im Jahr 2025 die Kaufkraft einer durchschnittlichen Rente höchstens das Existenzminimum erreicht. Bereits in den vergangenen vier Jahren sei die Kaufkraft um 6,4 Prozent gesunken. Zudem darf der Staat im Rentenalter unter bestimmten Voraussetzungen auf eine private Riester-Rente zugreifen, ähnlich wie er Erspartes beansprucht, wenn jemand Arbeitslosengeld II bezieht. Die Betroffenen - alles Geringverdiener - haben also umsonst gespart

Viele Arbeitnehmer wissen auch gar nicht, wie ihre Altersversorgung aussieht. Die Frage, ob sie später mit dem Geld der Landesversicherungsanstalt auskommen werden, kann heute selbst die Bevölkerungsgruppe nicht beantworten, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen wird. Besser wird es nicht. Insbesondere den langfristig von Hartz-IV Betroffenen droht im Alter eine niedrige Rente und damit Altersarmut.

Betroffen von Alterarmut sind vielfach Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen, psychisch Kranke und Behinderte. Aber auch Selbstständige sind oftmals schlecht auf das Leben im Alter vorbereitet, weil sie im Erwerbsleben zu wenig zurückgelegt haben.

Es wird nicht nur mehr arme Alte geben, sie werden auch noch schlechter versorgt sein. Viele ältere Hilfebedürftigen werden heute noch von Familienangehörigen gepflegt. Das wird künftig nicht mehr so sein. Und dann wird der Staat, die Solidargemeinschaft, einspringen müssen.

Daher geht Altersarmut uns alle an. Niemand kann sich zurücklehnen und sagen: Ich bin fein raus, schließlich verdiene ich gut und spare regelmäßig. Wenn in Zukunft deutlich mehr Ruheständler auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, hat die gesamte Gesellschaft ein Problem: Sie muss es bezahlen.

Was also tun ? Wichtigster Ansatzpunkt für die Vermeidung von Altersarmut ist eine Arbeitsmarktpolitik, die auf eine Förderung sozialversicherungspflichtiger – und damit rentenrechtlich abgesicherter – Beschäftigung ausgerichtet ist. Alle Anstrengungen sollten sich darauf konzentrieren, die Arbeitsmarktchancen und Arbeitsbedingungen insbesondere älterer Arbeitnehmer sowie die flexiblen Möglichkeiten des Übergangs in den Ruhestand, vor allem die Altersteilzeit und die Teilrente bei höheren Zuverdienstmöglichkeiten, zu verbessern.

Für eine auskömmliche Rente ist es außerdem notwendig, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger gesund in Beschäftigung bleiben können. Dazu ist ein Ausbau der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung unentbehrlich.

Wer lange in die Rentenversicherung eingezahlt hat, muss im Alter mehr bekommen als die Grundsicherung, die jeder auch ohne Leistung im Alter erhält. Deshalb muss ernsthaft geprüft werden, wie in Zukunft Langzeitarbeitslose und Geringverdiener in der gesetzlichen Rentenversicherung besser abgesichert werden können. Ein Instrument dazu kann die Wiedereinführung der bis 1992 geltenden Rente nach Mindesteinkommen sein. Das käme besonders Frauen zugute.